Stromnetzgebühren in MV steigen stark an
Im kommenden Jahr steigen die sogenannten Netzentgelte deutschlandweit um rund 20 Prozent an. Regional gibt es jedoch große Unterschiede. Mecklenburg-Vorpommern ist mit am stärksten betroffen. Hier sollen die Stromnetzgebühren teilweise um etwa 40 Prozent steigen.
Laut dem Vergleichsportal Verivox müssen Verbraucher und Verbraucherinnen in Mecklenburg-Vorpommern 2023 mit einem Plus von knapp 43 Prozent bei den Netznutzungsentgelten rechnen. Für einen dreiköpfigen Haushalt, der 4.000 Kilowattstunden verbraucht, bedeute das 143 Euro Mehrkosten im kommenden Jahr. Verivox beruft sich auf die im Oktober veröffentlichten Angaben der Netzbetreiber. Auch das Vergleichsportal CHECK24 weist deutliche Steigerungen bei den Netzentgelten für das kommende Jahr aus. "Das liegt daran, dass es diesen Winter für die Netzbetreiber teurer werden könnte, die Netze stabil zu halten, sollte es zu starken Schwankungen im Stromverbrauch und in der Erzeugung kommen", so Steffen Stuttner, Geschäftsführer für den Bereich Energie bei CHECK24.
Stromnetzinvestitionen, "Verlustenergie" und Entschädigungzahlungen als Gründe
Die Regulierung der Netzentgelte fällt in die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur - genauer gesagt in die Zuständigkeit der achten Kammer der Bundesnetzagentur. Dessen Vorsitzender, Karsten Bourwieg, erklärte mit Blick auf die beiden Netzbetreiber in Mecklenburg-Vorpommern: "Die E.DIS Netz ruft Netzentgeltsteigerungen von etwa 50 Prozent für Haushaltskunden auf und die WEMAG zwischen 23 und 30 Prozent für die verschiedenen Kunden." Bourwieg macht für die Steigerungen drei Gründe aus: Erstens die geplanten Investitionen der Netzbetreiber in das Stromnetz. Zweitens die sogenannte Verlustenergie, also die Energie, die beim Transport, der Umspannung und der Verteilung im Stromnetz verloren geht und dann neu eingekauft werden muss. Und drittens das Engpassmanagement. Dabei geht es um die Kosten, die durch Entschädigungszahlungen bei Überlastungen im Verteilnetz entstehen. Letzteres werde besonders ins Gewicht fallen, meint Bourwieg. "Um mal ein Beispiel zu nennen: Die E.DIS Netz rechnet nächstes Jahr damit jeden dritten Euro für diese Entschädigungen auszugeben."
Bundesnetzagentur will sich Angaben aus MV noch einmal genauer ansehen
Bourwieg betonte aber auch: "Diese Steigerungen sind schon außerordentlich." Er kündigte im Gespräch mit dem NDR an, dass seine Kammer sich die Angaben aus Mecklenburg-Vorpommern deshalb noch einmal genauer anschauen werde, ob diese gerechtfertigt sind. Gleichzeitig macht Bourwieg klar: "Das Wichtigste im Interesse des Verbrauchers ist die Versorgungssicherheit. Wir wollen schließlich alle, dass das Licht nicht ausgeht. Und genau das, wird mit den Netzentgelten bezahlt." Es gehe bei der Steigerung nicht um Zufallsgewinne bei den Netzbetreibern.
WEMAG-Vorstand sieht Systemfehler bei Netzentgelten
Laut Thomas Murche, Vorstandsmitglied der WEMAG, liegt die Ursache für die hohen Zuwächse gerade hierzulande in einer "Verwerfung im System". Weiter erklärte Murche: "Mecklenburg-Vorpommern hat wenig Kunden auf der einen Seite, aber gleichzeitig hohe Kosten für das Netz. Hier werden Kosten durch die Anzahl der Kunden geteilt und so entsteht die starke Steigerung." Das sei aber nicht allein das Problem von Mecklenburg-Vorpommern. Ein starker Ausbau der erneuerbaren Energien, wenig Industrie und wenig private Haushalte - die Komponenten kämen im gesamten Norden zusammen und würden für eine ungleiche Verteilung im Bundesländervergleich sorgen, so Murche. Ein Standpunkt, den das zuständige Energieministerium teilt. Eine Sprecherin schreibt auf NDR Anfrage: "Diese Entwicklung wird von der Bevölkerung und Politik vor Ort nicht mehr als fair empfunden."
Politischer Vorstoß zur Umgestaltung der Netzentgelte
Seit mittlerweile acht Jahren fordern Politiker und Politikerinnen aus Mecklenburg-Vorpommern deshalb eine Umgestaltung der Netzentgelte. Zuletzt schloss sich Energieminister Reinhard Meyer (SPD) im September der Forderung aus Niedersachsen zur Schaffung von sogenannten Strompreiszonen an.
Eine Sprecherin des Energieministeriums teilte nun mit, dass das Land Schleswig-Holstein ein Gutachten in Auftrag gegeben habe, an dem sich auch Mecklenburg-Vorpommern beteiligt habe. In dem Gutachten seien Lösungsansätze erarbeitet worden. Das zuständige Bundesministerium unter der Leitung von Robert Habeck (Grüne) habe das Gutachten mittlerweile geprüft und suche derzeit nach einer Lösung, die mit dem EU-Recht vereinbar sei. Eine Sprecherin im Energieministerium in Schwerin zeigte sich zuversichtlich: "Unsere Arbeit trägt nunmehr Früchte. Auch im Bund ist man nun einsichtig geworden, dass Stromkunden in ländlichen Gebieten mit hohem Ausbau der Erneuerbaren nicht viel höhere Stromkosten tragen dürfen als diejenigen in Städten."