Neue letzte Wege: Trauer kann auch bunt sein

Stand: 17.02.2022 14:06 Uhr

Gräber in Reih und Glied, Trauerfeiern in Tiefschwarz - viele Menschen wollen das nicht mehr. Sie suchen nach eigenen, individuellen letzten Wegen. Der Umgang mit dem Tod verändert sich, das ist auch das Thema der neuen Podcast-Folge von "Dorf Stadt Kreis".

von Katja Bülow, NDR 1 Radio MV

"Stell dir vor, es ist Beerdigung und keiner trägt schwarz", so steht es auf den Firmenfahrzeugen eines Rostocker Bestattungsunternehmens. Inhaber Paul Bruhn hat sich zum Ziel gesetzt, Trauernde an die Hand zu nehmen, ihnen zu zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, letzte Wege zu gestalten: "Wir möchten, dass Menschen aktiv an dem Abschied von ihren Angehörigen teilnehmen können, so dass sie sich selbst in ihren eigenen Aufgaben wiederfinden. Deshalb arbeiten wir sehr offen und transparent und bei uns darf man tatsächlich jeden Schritt mit begleiten." Sei es das Waschen und das Ankleiden der Toten oder das Vorbereiten der Trauerrede - selbst bei der Verbrennung im Krematorium dürfen Bruhns Kunden mit dabei sein. Er hat die Erfahrung gemacht, dass das vielen Menschen dabei hilft, den Tod als real zu begreifen und ihn dann zu verarbeiten.

Weitere Informationen
NDR 1 Radio MV - Dorf Stadt Kreis: Annette Ewen und Mirja Freye © iStock Foto: golero
40 Min

#69 Neue letzte Wege - Trauer kann auch bunt sein

Alles in schwarz und dazu der Trauermarsch, das wollen viele Menschen heute nicht mehr. Doch Beerdigungen können auch ganz anders sein - die Bestattungskultur in MV ist im Wandel. 40 Min

Suche nach dem individuellen Abschied

"Himmelslotsen", so heißt das Unternehmen des 29-Jährigen. Sein Ansatz: Er will Trauernden helfen, ihren ganz eigenen, individuellen Abschiedsweg zu finden, ihnen dabei aber nicht das Steuer aus der Hand nehmen. Er ermöglicht Trauerfeiern, die nicht dem Üblichen entsprechen: in fröhlichen Farben, an behaglichen Orten, mit Zeremonien, die sich nicht nach gesellschaftlichen Standards, sondern den Wünschen der Betroffenen orientieren. So konnte beispielsweise ein Sohn seinen verstorbenen Vater noch einmal auf ein Bier treffen und reden – am See, ihrem Lieblingsplatz, der Sohn sitzend am Tisch, die Urne mit der Asche des Vaters auf dem Stuhl ihm gegenüber.

Viele Orte für die letzte Ruhe

Die Bestattungskultur ist schon seit einigen Jahren in rasantem Wandel, so rasant, dass manche Friedhofsbetreiber kaum noch hinterherkommen. Ob Ruheforst und Friedwald, See- oder Baumbestattung, es gibt nicht mehr nur den einen Ort, an dem die Toten ihre letzte Ruhe finden. Und die klassische Erdbestattung macht in Mecklenburg-Vorpommern nur noch rund zehn Prozent aller Beisetzungen aus.

"Friedhofsordnungen entschlacken!"

Der Rostocker Theologieprofessor Dr. Thomas Klie hat jüngst eine Studie über kirchliche Friedhöfe in Norddeutschland erarbeitet, die durch den Wandel zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Sein Fazit: "Entschlackt doch bitte sehr eure Friedhofsordnung. Muss alles geregelt werden? Müssen Gräber immer in Reih und Glied sein? Kann es nicht Gräberfelder geben, wo es keine Regel gibt, sondern wo eine große Freiheit herrscht – und vielleicht nur eine Regel: Den Anderen nicht stören?"

Rostocker Krematorium: Stadt denkt um

Mancherorts hat inzwischen ein Umdenken eingesetzt: In Dreveskirchen, zwischen Wismar und Lübeck, hat sich eigens ein Arbeitskreis gegründet, der Tage des offenen Friedhofs organisiert und unter anderem auch Baumbestattungen möglich machen will. Das Dorf Lübsee im Schönberger Land nutzt seinen Gottesacker mittlerweile auch für Open-Air-Kino-Veranstaltungen. Die Hansestadt Rostock nimmt die dringend notwendige Sanierung des Krematoriums zum Anlass, grundsätzlich über neue Konzepte nachzudenken. Möglichkeiten für Muslime, ihre Angehörigen nach eigenen traditionellen Riten nahezu ganz ohne Sarg unter die Erde zu bringen, gibt auf dem Rostocker Westfriedhof übrigens schon länger – gut daran zu erkennen, dass die Gräber etwas anders, nämlich in Richtung Mekka ausgerichtet sind.

Podcast zum neuen Umgang mit dem Tod

In der aktuellen Folge 69 unseres Podcasts "Dorf Stadt Kreis" spricht Moderatorin Annette Ewen mit Reporterin Katja Bülow aus dem Ostseestudio Rostock über "Neue letzte Wege: Trauer kann auch bunt sein". Spannend wird es auch, wenn beide darin über aktuelle Entwicklungen zum kontroversen Thema "gemeinsame Bestattung mit dem liebsten Haustier" sprechen.

Neu am Mikro bei "Dorf Stadt Kreis"

Der NDR MV Podcast "Dorf Stadt Kreis" wird ab jetzt von neuen Stimmen moderiert: Gastgeberinnen am Mikrofon sind nun Annette Ewen und Mirja Freye. Im wöchentlichen Wechsel begrüßen sie Reporterinnen und Reporter aus den Regionalstudios in Greifswald, Neubrandenburg, Schwerin und Rostock und deren starke Geschichten aus dem Norden, auch aus der deutsch-polnischen Grenzregion. Der bisherige Podcast-Host Thomas Naedler ist nun Kulturredakteur im NDR Landesfunkhaus.

 

Ihr Themenvorschlag für den Podcast

Ihre Daten
Ihre Nachricht
Kopie Ihrer Mail erwünscht?
Datenschutz

Unsere Datenschutzerklärung, Ihre Rechte und weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie unter NDR.de/datenschutz

*- Pflichtfelder. Diese Felder müssen ausgefüllt werden.

 

Weitere Informationen
Eingang des Westfriedhofs in Rostock © DPA-Bildfunk Foto: Bernd Wüstneck

Totensonntag: Bestattungskultur im Wandel

Das Totengedenken und Abschiednehmen verändern sich zunehmend und das hat Auswirkungen auf die Friedhöfe in MV. mehr

Ein Blumengesteck auf einem Holzsarg © Mary Stark / fotolia Foto: Mary Stark

Was ist zu tun, wenn ein Angehöriger stirbt?

Wie soll der Verstorbene beerdigt werden? Wen informieren? Angehörige müssen viele Entscheidungen treffen. Eine Checkliste. mehr

Szene mit Charly Hübner und Claudia Michelsen aus der Improvisations-Serie "Das Begräbnis" in das Erste:  V. li. n. re. hinten: Frank Dietze (Uwe Preuss), Mike Wiener (Dominic Boeer), Carsten Hell (Martin Brambach), Böcki (Gustav Schmidt) und Jacky (Luise von Finckh) - unten: Mario (Charly Hübner), Sabine (Claudia Michelsen), Anna (Anja Kling), Hildegard (Christine Schorn), Gaby (Catrin Striebeck) und Kevin (Enno Trebs) © ARD Degeto/Georges Pauly Foto: Georges Pauly

"Das Begräbnis": Eine Prise Ostalgie mit Charly Hübner

Die Serie zeigt eine kuriose Familienbegegnung bei einer Beerdigung und steht bis zum 25. Juli in der ARD Mediathek. mehr

Ein angezündetes Grablicht auf einem Grab. © Colourbox Foto: Patrick Daxenbichler

Xenius: Abschied für immer - Bestattungen

Bestattungen persönlich zu gestalten, ist eine besondere Aufgabe. Was bewegt junge Menschen, diesen Beruf zu ergreifen? mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 17.02.2022 | 19:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Fahrgäste stehen mit ihren Koffern auf dem Hauptbahnhof in Hannover. © picture-alliance/dpa Foto: Peter Steffen

Verkauf und Vergünstigungen des 49-Euro-Tickets in MV

Mecklenburg-Vorpommern bietet das 49-Euro-Ticket auch in Kombination mit dem Azubi-Ticket für 29 Euro an. mehr

NDR MV Highlights

Jonas Monar mit einem Fan © NDR Foto: Svenja Pohlmann

Die exklusive Albumpremiere mit Jonas Monar in Bildern

Jonas Monar stellt im NDR Funkhaus exklusiv für 40 Gäste sein noch unveröffentlichtes Album "Bittersüß" vor. Bildergalerie

Peter Rasch hält ein fertiges Saatband. © NDR Foto: Udo Tanske
3 Min

So bastelt man ein Saatband

Wasser, Mehl, Toilettenpapier, eine Schüssel und Saatgut: Damit lässt sich ein Saatband leicht selbst herstellen. 3 Min

Der SG Wöpkendorf in neuen Trikots © NDR.de Foto: Vanessa Kiaulehn

Kuna packt an - für die Vereine in unserem Land

An jedem letzten Freitag im Monat haben Vereine die Chance auf 1.000 Euro. Hier können Sie sich jetzt anmelden. mehr

Frühlingsblumen in einer Kiste und Übertöpfen © fotolia Foto: Jeanette Dietl

Gartenkalender: Tipps Monat für Monat

Jeden Monat gibt es im Garten etwas zu erledigen. Ein Überblick mit den wichtigsten Tipps, nach Monaten sortiert. mehr