Neue letzte Wege: Trauer kann auch bunt sein
Gräber in Reih und Glied, Trauerfeiern in Tiefschwarz - viele Menschen wollen das nicht mehr. Sie suchen nach eigenen, individuellen letzten Wegen. Der Umgang mit dem Tod verändert sich, das ist auch das Thema der neuen Podcast-Folge von "Dorf Stadt Kreis".
"Stell dir vor, es ist Beerdigung und keiner trägt schwarz", so steht es auf den Firmenfahrzeugen eines Rostocker Bestattungsunternehmens. Inhaber Paul Bruhn hat sich zum Ziel gesetzt, Trauernde an die Hand zu nehmen, ihnen zu zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, letzte Wege zu gestalten: "Wir möchten, dass Menschen aktiv an dem Abschied von ihren Angehörigen teilnehmen können, so dass sie sich selbst in ihren eigenen Aufgaben wiederfinden. Deshalb arbeiten wir sehr offen und transparent und bei uns darf man tatsächlich jeden Schritt mit begleiten." Sei es das Waschen und das Ankleiden der Toten oder das Vorbereiten der Trauerrede - selbst bei der Verbrennung im Krematorium dürfen Bruhns Kunden mit dabei sein. Er hat die Erfahrung gemacht, dass das vielen Menschen dabei hilft, den Tod als real zu begreifen und ihn dann zu verarbeiten.
Suche nach dem individuellen Abschied
"Himmelslotsen", so heißt das Unternehmen des 29-Jährigen. Sein Ansatz: Er will Trauernden helfen, ihren ganz eigenen, individuellen Abschiedsweg zu finden, ihnen dabei aber nicht das Steuer aus der Hand nehmen. Er ermöglicht Trauerfeiern, die nicht dem Üblichen entsprechen: in fröhlichen Farben, an behaglichen Orten, mit Zeremonien, die sich nicht nach gesellschaftlichen Standards, sondern den Wünschen der Betroffenen orientieren. So konnte beispielsweise ein Sohn seinen verstorbenen Vater noch einmal auf ein Bier treffen und reden – am See, ihrem Lieblingsplatz, der Sohn sitzend am Tisch, die Urne mit der Asche des Vaters auf dem Stuhl ihm gegenüber.
Viele Orte für die letzte Ruhe
Die Bestattungskultur ist schon seit einigen Jahren in rasantem Wandel, so rasant, dass manche Friedhofsbetreiber kaum noch hinterherkommen. Ob Ruheforst und Friedwald, See- oder Baumbestattung, es gibt nicht mehr nur den einen Ort, an dem die Toten ihre letzte Ruhe finden. Und die klassische Erdbestattung macht in Mecklenburg-Vorpommern nur noch rund zehn Prozent aller Beisetzungen aus.
"Friedhofsordnungen entschlacken!"
Der Rostocker Theologieprofessor Dr. Thomas Klie hat jüngst eine Studie über kirchliche Friedhöfe in Norddeutschland erarbeitet, die durch den Wandel zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Sein Fazit: "Entschlackt doch bitte sehr eure Friedhofsordnung. Muss alles geregelt werden? Müssen Gräber immer in Reih und Glied sein? Kann es nicht Gräberfelder geben, wo es keine Regel gibt, sondern wo eine große Freiheit herrscht – und vielleicht nur eine Regel: Den Anderen nicht stören?"
Rostocker Krematorium: Stadt denkt um
Mancherorts hat inzwischen ein Umdenken eingesetzt: In Dreveskirchen, zwischen Wismar und Lübeck, hat sich eigens ein Arbeitskreis gegründet, der Tage des offenen Friedhofs organisiert und unter anderem auch Baumbestattungen möglich machen will. Das Dorf Lübsee im Schönberger Land nutzt seinen Gottesacker mittlerweile auch für Open-Air-Kino-Veranstaltungen. Die Hansestadt Rostock nimmt die dringend notwendige Sanierung des Krematoriums zum Anlass, grundsätzlich über neue Konzepte nachzudenken. Möglichkeiten für Muslime, ihre Angehörigen nach eigenen traditionellen Riten nahezu ganz ohne Sarg unter die Erde zu bringen, gibt auf dem Rostocker Westfriedhof übrigens schon länger – gut daran zu erkennen, dass die Gräber etwas anders, nämlich in Richtung Mekka ausgerichtet sind.
Podcast zum neuen Umgang mit dem Tod
In der aktuellen Folge 69 unseres Podcasts "Dorf Stadt Kreis" spricht Moderatorin Annette Ewen mit Reporterin Katja Bülow aus dem Ostseestudio Rostock über "Neue letzte Wege: Trauer kann auch bunt sein". Spannend wird es auch, wenn beide darin über aktuelle Entwicklungen zum kontroversen Thema "gemeinsame Bestattung mit dem liebsten Haustier" sprechen.
Neu am Mikro bei "Dorf Stadt Kreis"
Der NDR MV Podcast "Dorf Stadt Kreis" wird ab jetzt von neuen Stimmen moderiert: Gastgeberinnen am Mikrofon sind nun Annette Ewen und Mirja Freye. Im wöchentlichen Wechsel begrüßen sie Reporterinnen und Reporter aus den Regionalstudios in Greifswald, Neubrandenburg, Schwerin und Rostock und deren starke Geschichten aus dem Norden, auch aus der deutsch-polnischen Grenzregion. Der bisherige Podcast-Host Thomas Naedler ist nun Kulturredakteur im NDR Landesfunkhaus.
