Krankenhäuser in MV: Zwischen Sparzwang und guter Versorgung

Stand: 27.10.2022 17:36 Uhr

Der steigende Kostendruck gefährdet nach Angaben der Krankenhausgesellschaft die medizinische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. Der Verband der Krankenhausdirektoren MV hat zum Auftakt der 29. Rügener Krankenhaustage Sofortmaßnahmen gefordert. Landesgesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) wünscht sich mehr finanzielle Unterstützung vom Bund.

Die bereits auf dem Tisch liegenden Kostensteigerungen seien für die Krankenhäuser in MV nicht zu stemmen, sagte der Landesvorsitzende des Verbandes Falko Milski. Zudem sehe der Verband längerfristig Versorgungsprobleme in MV. Es herrsche immer noch Alarm Stufe Rot in den Kliniken. Bereits im September hatte es geheißen, die 37 Kliniken im Nordosten könnten die Kosten nicht mehr stemmen, staatliche Finanzhilfen seien nötig.

"Ob jedoch alle Kliniken in den nächsten Monaten durchhalten, ist aktuell unsicher, weil schon die bereits jetzt auf dem Tisch liegenden Kostensteigerungen nicht zu stemmen sind", warnte der VKD-Landesvorsitzende Falko Milski. "Wir erwarten vom nächsten Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler am kommenden Mittwoch deshalb Sofortmaßnahmen für die Krankenhäuser."

Weniger Patienten bei steigenden Kosten

Gesundheitsökonom Steffen Fleßa schätzt die Situation der Krankenhäuser im Gespräch bei NDR MV als ausgesprochen angespannt ein. Zum einen gebe es massive Kostensteigerungen bei der Energie, Logistik oder den Lebensmitteln. Auf der anderen Seite würden die Erlöse wegbrechen durch fehlendes Personal. Diese Schere betreffe alle Krankenhäuser - doch gerade die kleinen Häuser im ländlichen Raum hätten es besonders schwer, diese auszugleichen, so Fleßa.

Die Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), so genannte Funktionszentren zu bilden, begrüßt Fleßa: "Man muss sich ansehen, wo werden welche Gesundheitsleistungen erzeugt, also kann man Fälle an einer Klinik zusammen ziehen." Er plädiert dafür, die Standorte der Krankenhäuser beizubehalten, aber nicht jede Leistung - wie zum Beispiel Geburtshilfe - an jedem Standort anzubieten. Hier liege noch Einsparpotential.

Doppelte Bevölkerung durch Urlauber

Auf der Tagung fordern die Direktoren außerdem die Berücksichtigung der vielen Touristen im Land bei der Planung von Behandlungskapazitäten. "Was bei der Planung völlig vernachlässigt wird, ist, dass sich die Bevölkerung in den Urlaubsmonaten in vielen Regionen unseres Landes mehr als verdoppelt", teilte der Verband der Krankenhausdirektoren Mecklenburg-Vorpommern (VKD MV) mit.

Drese: "Wir müssen die Krankenhäuser anders denken"

Die Landesgesundheitsministerin sieht den Bund in der Mitverantwortung. Anders als in Privathaushalten könne ein Krankenhaus nicht einfach die Heizung runterdrehen oder Strom sparen, so Drese bei NDR MV Live. Sie erwarte von der Ministerpräsidentenkonferenz, den Passus im Schutzfonds, der besagt, dass "die Krankenhäuser besondere Unterstützung brauchen" dementsprechend "mit Leben und Finanzen gefüllt" wird.

Gleichzeitig forderte Drese die Krankenversorgung anders zu denken. Die medizinische Versorgung einer Region müsse "zusammen gedacht" werden, so Drese. Krankenhäuser sollen ihrer Ansicht nach stärker mit den umliegenden Ärzten in der jeweiligen Region zusammenarbeiten. "Das muss stationär, ambulant und auch digital besprochen werden", so Drese.

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NDR MV Live Moderatorin Franziska Amler mit Gesundheitsökonom Steffen Fleßa. © NDR
12 Min

NDR MV Live: Krankenhäuser in MV am Limit - wie können sie überleben?

Alarmstufe Rot bei den Krankenhäusern. Die Kosten explodieren. Deswegen fordern sie Sofortmaßnahmen vom Land. NDR MV live spricht darüber mit dem Greifwalder Gesundheitsökonom Prof. Fleßa. 12 Min

Große Fläche, alte Bevölkerung

Während sich in Ballungszentren, wie Hamburg oder Berlin, die nächste Klinik häufig eine S-Bahn-Station entfernt befinde, sei das in MV nicht der Fall. Schon jetzt habe das Land auf die Fläche bezogen die wenigsten Einrichtungen im Vergleich zu allen anderen Bundesländern in Deutschland. Hinzu komme, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung weiter steige und dadurch die Behandlungshäufigkeit zunehme. Mit dem öffentlichen Nahverkehr seien in den ländlichen Gebieten die Einrichtungen schlecht oder gar nicht zu erreichen. Es mache sich schon bemerkbar, dass zeitweise oder dauerhafte Schließungen von medizinischen Bereichen, wie Kreissälen und Kinderabteilungen, gravierende Nachteile in der stationären Gesundheitsversorgung haben, so Milski.

Drese: "Weniger wirtschaftliche Diskussion, mehr medizinische"

Insgesamt wünscht sich Drese "weniger wirtschaftliche Diskussion, mehr medizinische". Das sei in ihren Augen "in den vegangenen Jahren ein bisschen kurz gekommen". Eine Komission, in der auch die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassen und die stationären Einrichtungen vertreten sind, betrachte nun jeden einzelnen Krankenhausstandort. Die Anforderungen sind vielfältig: Es geht um Fragen der Erreichbarkeit und der Qualitätssicherung der Standorte, aber auch beispielsweise darum, was stationär oder auch ambulant behandelt werden könne, wo Spezialbehandlungen benötigt würden und wie jeder einzelne Standort am Ende ein wirtschaftliches Auskommen habe. Der Bund müsse nach Ansicht Dreses in diesen Fragen "viel stärker auf Flächenländer wie MV" schauen, "wenn es um die Frage von Strukturentscheidungen geht."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nordmagazin | 27.10.2022 | 17:00 Uhr

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