Flüchtlinge aus Belarus: Seehofer will mit Polen kooperieren
Trotz des Anstiegs der über Belarus einreisenden Geflüchteten will das Bundeskabinett keine Grenzkontrollen zum EU-Nachbarn Polen. Dies werde von niemandem in der Bundesregierung beabsichtigt, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch. Laut Behörden in MV ist die Lage im Land unter Kontrolle.
Man habe der Regierung in Warschau gemeinsame Grenzgänge der Bundespolizei mit der polnischen Polizei auf polnischem Gebiet angeboten, sagte Seehofer weiter. Dies habe den Sinn, mögliche Grenzgänger zu identifizieren und "Schleuser dingfest zu machen". Dabei werde jeder Schritt mit dem Land Brandenburg abgestimmt, das hauptsächlich betroffen sei. Mecklenburg-Vorpommern erwähnte Seehofer in seiner Erklärung nicht.
Deutlich mehr unerlaubte Einreisen
Die Zahl unerlaubter Einreisen von Menschen über die polnische Grenze nach Deutschland stieg im Oktober nach Angaben der Bundespolizei deutlich. Von Monatsbeginn bis einschließlich Dienstag hätten Beamte 3.262 Personen mit einem Bezug zur Belarus-Route registriert, teilte die Bundespolizei mit. Im August seien 713 Menschen an der deutsch-polnischen Grenze festgestellt worden, die unerlaubt nach Deutschland gekommen seien, davon 474 über Belarus. Im September sei die Zahl unerlaubter Einreisen über Polen auf 2.323 Personen gestiegen, davon 1.903 über Belarus.
MV-Innenministerium: Lage unter Kontrolle
Nach Ansicht von Thomas Lenz (CDU), Staatssekretär im Innenministerium in Schwerin, ist die Lage in MV derzeit insgesamt stabil. "Wir haben im Vergleich mit den vergangenen Jahren noch kein erhöhtes Flüchtlingsniveau", sagte Lenz bei NDR MV Live am Mittwoch. Zwar müsse man die Situation aufmerksam beobachten, dennoch habe man "überhaupt keine unkontrollierten Zustände." Man rechne mit einer Gesamtzahl von ungefähr 2.500 Asylbewerbern am Jahresende - diese Zahl sei vergleichbar mit 2019. "Mit der Situation von 2015 hat das alles überhaupt nichts zu tun."
Dennoch stellt sich Mecklenburg-Vorpommern auf steigende Geflüchtetenzahlen ein. Das Land will die Erstaufnahmekapazität von jetzt 900 um 200 weitere Plätze aufstocken, wie das Innenministerium am Dienstag mitteilte. Darüber hinaus werde vorsorglich eine Notunterkunft mit 120 Plätzen auf dem Gelände der Erstaufnahme Stern Buchholz im Süden Schwerins errichtet. "Hierdurch sollen geordnete Abläufe unter Einhaltung der geltenden Corona-Schutzmaßnahmen auch für den Fall gewährleistet werden, dass sich die Zahl der Asylsuchenden weiter erhöht", erläuterte eine Ministeriumssprecherin.
Im September 326 Flüchtlinge in Erstaufnahmen in MV aufgenommen
In Mecklenburg-Vorpommern sind im September laut Innenministerium 326 Geflüchtete in den Erstaufnahmen im Land angekommen. Im September vorigen Jahres waren es demnach 208. Ausländer, die an der deutsch-polnischen Grenze aufgegriffen werden, würden in der Regel zur Erstaufnahme nach Berlin gebracht, weil diese die nächstgelegene sei, erklärte die Ministeriumsprecherin in Schwerin. Nur einige verblieben in MV.
Pro Asyl mahnt zur Einhaltung der Menschenrechte
Die Hilfsorganisation Pro Asyl mahnte die EU unterdessen zur Einhaltung der Menschenrechte. "Diktatoren gewinnen dann, wenn Rechtsstaaten selbst die Flüchtlingskonvention brechen", sagte Pro-Asyl-Europachef Karl Kopp der "Rheinischen Post". An der EU-Außengrenze sei die Flüchtlingskonvention faktisch außer Kraft gesetzt. Warschau hat Tausende Soldaten an der EU-Außengrenze zu Belarus stationiert, einen Stacheldrahtzaun errichtet und einen Ausnahmezustand verhängt, der Journalisten und Hilfsorganisationen den Zugang zur Grenze verbietet. Das polnische Parlament stimmte zudem für eine Legalisierung sogenannter Pushbacks.
