Die Trasse in Richtung Westen der neugebauten Ostseeautobahn bei Tribsees (l) kurz vor der Verkehrsfreigabe, rechts rollt der Verkehr über die Behelfsbrücke. © dpa-Bildfunk Foto: Bernd Wüstneck

Die Küstenautobahn "A20" – Baustelle seit 30 Jahren

Stand: 03.11.2021 16:15 Uhr

Sie ist bundesweit in die Schlagzeilen geraten - mit dem sogenannten Grundbruch - dem Absacken eines Teilstückes bei Tribsees vor vier Jahren. Darum geht es in der neuen Podcastfolge von "Dorf Stadt Kreis". Es geht um die Geschichte der Küstenautobahn und darum, dass sie künftig eine Art Dauerbaustelle sein wird.

von David Pilgrim

Die A20 ist der längste zusammenhängende Autobahnneubau seit 1939. Aber die Pläne für eine Ost-West-Autobahn hier im Nordosten gab es noch früher. Schon 1937 ist sie in das sogenannte Grundnetz der Autobahnen unter dem Namen "Mecklenburger Nordlinie" aufgenommen worden. Wegen des zweiten Weltkrieges und dessen Folgen sind die Planungen und der Bau dann aber für viele Jahre auf Eis gelegt worden.

Top-Verkehrsprojekt der Deutschen Einheit

Im April 1991 hat die damalige Bundesregierung siebzehn sogenannte "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit", kurz VDE, beschlossen. Projekt Nummer zehn ist die A20 von Lübeck bis nach Stettin als sogenannter vierstreifiger Neubau. Die Bundespolitik hatte die Wichtigkeit der A20 als so hoch eingestuft, dass sogar ein Teil des Vorhabens per "Investitionsmaßnahmegesetz" und damit ohne Planfeststellungsverfahren genehmigt wurde.

Der erste Spatenstich

Darüber, wer für den ersten Spatenstich zuständig war, streiten sich heute die Geister: Im Dezember 1992 gab es einen ersten Spatenstich durch den damaligen Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) - begleitet übrigens von Protesten durch Umweltschützer. Dieser Spatenstich 1992 war aber wie so oft wirklich nur symbolischer Natur. Es ging dabei nämlich nur um eine Brücke über die noch in Planung befindliche A20.

Erst zwei Jahre später gab es dann einen nächsten Spatenstich und diesmal waren sogar Bagger dabei. Diesen Spatenstich machte damals der nächste Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) und zwar in der Nähe von Wismar, weil die Bauplaner zuerst die größeren Städte vom Verkehr entlasten wollten.

Das erste Teilstück Grevesmühlen - Wismar

Im Dezember 1997, also nach fünf Jahren Bauzeit, ist dann das erste Teilstück, 26 Kilometer lang, zwischen Grevesmühlen und dem Autobahnkreuz Wismar freigegeben worden. Bei der feierlichen Eröffnung war Günther Krause auch zugegen und ist von einem NDR Reporter damals auch nochmal gefragt worden, wer denn nun den ersten Spatenstich vollzogen hat – er oder Wissmann? Daraufhin antwortete Krause: "Da müssen wir uns nicht drüber streiten. Ich habe den ersten Spatenstich für eine Brücke gemacht, die Sie da hinten sehen, die über die Autobahn geht. Und Herr Wissmann hat den ersten Spatenstich für die Piste gemacht. Nun beantworten Sie die Frage, wer hat den ersten gemacht?! Ich vielleicht doch..."

Auch nach Eröffnung Dauerbaustelle

Ende 2005 eröffnete die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die letzten Teilstücke, also 14 Jahre nach dem Baubeginn. Aber im Grunde ist die A20 wirklich eine achte Dauerbaustelle, denn von den geplanten fast 550 Kilometern Gesamtlänge fehlen immer noch 200 Kilometer, nämlich in Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Kosten in Milliardenhöhe

Laut einem Bericht des Magazins Der Spiegel aus dem Jahr 2005 hat der Bau der 323 Kilometer langen Strecke zwischen der A1 bei Lübeck bis zur A11 an der polnischen Grenze knapp zwei Milliarden Euro gekostet. Laut Schätzungen kosten die noch fehlenden 200 Kilometer nochmal mehr als fünf Milliarden Euro. Der Naturschutzverband BUND rechnet sogar mit sieben Milliarden.

"Pannenautobahn" A20?

Brüllbeton, Blasenasphalt, das "Loch", diese Begriffe waren große Schlagzeilen. Aber der Reihe nach: Im Dezember 2004 wurde ein Abschnitt im Westen von Mecklenburg-Vorpommern freigegeben worden: 14 Kilometer lang von Schönberg bis an die schleswig-holsteinische Landesgrenze. Beim Bau der Deckschicht aus Beton war offenbar etwas schief gegangen, die Rollgeräusche auf dem geriffelten Straßenbelag waren deutlich lauter als auf Asphalt. So entstand der Begriff "Brüllbeton". Die Verantwortlichen entschieden damals, dass deshalb auch dieses Teilstück asphaltiert werden soll. Der Asphalt ist dann offenbar aber auf nassem Untergrund verbaut worden. So ist Feuchtigkeit unter der Asphaltschicht eingeschlossen worden. Die Folge: Der Asphalt schlug Blasen. Die Straßenmeistereien haben damals Löcher gebohrt, tausende Löcher, damit der Wasserdampf entweichen kann. Eine echte Lösung für dieses Problem ist aber immer noch nicht in Sicht.

Das berühmte "Loch"

September 2017 passiert etwas im deutschen Straßenbau noch nie Dagewesenes: Dass nämlich eine ganze Autobahn-Fahrbahn von jetzt auf gleich wortwörtlich versinkt. Im Vorfeld wurden zwar schon Setzungen festgestellt, allerdings im Rahmen des Üblichen. Solche Setzungen im Straßenbau werden normalerweise so beseitigt, indem verkürzt gesagt, Asphalt darauf geschüttet wird. Aber am 27. September 2017 schien sich der Prozess derart zu beschleunigen, dass die Verantwortlichen die Autobahn bei Tribsees zunächst in Richtung Westen sperren mussten, weil die Autobahn auf einer Länge von 100 Metern um einen halben Meter abgesackt war. Kurz nach dieser Sperrung ist die Fahrbahn dann um zweieinhalb Meter eingebrochen. Die Ursache ist bis heute noch immer nicht offiziell klar. Ein wissenschaftliches Gutachten dazu soll fertig sein, aber es ist noch nicht freigegeben.

Nadelöhr Behelfsbrücke

Nachdem die Stelle abgesackt ist und gesperrt werden musste, ist der gesamte Autobahnverkehr rund ein Jahr lang durch die kleinen Orte der Gemeinde Lindholz gerollt. Im Dezember 2018 gibt es an der abgesackten Stelle eine Behelfsbrücke, die die Ortschaften auf der Umleitung vom Auto- und Lkw-Dauerstress befreit hat. Rund vier Jahre nach dem spektakulären Zusammenbruch ist dann am 22. September 2021 die neugebaute Brücke in Fahrtrichtung Lübeck freigegeben worden. Auch der Verkehr in die Gegenrichtung läuft nun auf diesem neu gebauten Teil der Brücke. Die Baumaßnahmen für die komplett neue Brücke sollen Ende 2023 abgeschlossen sein. Die Gesamtkosten werden auf etwa 180 Millionen Euro geschätzt.

Spannende Geschichten rund um die spektakuläre Geschichte der A20, die gibt es in der neuen Podcastfolge von "Dorf Stadt Kreis" mit Moderator Thomas Naedler und NDR Reporter David Pilgrim aus dem Ostseestudio Rostock - "Die A20: Norddeutschlands berühmteste Dauerbaustelle".

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Dorf Stadt Kreis – starke Geschichten aus dem Norden | 04.11.2021 | 05:00 Uhr

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