Schwarzbuch: Viel Geld für "unnötiges Impfzentrum" in Hamburg

Stand: 19.10.2022 20:05 Uhr

Einmal im Jahr stellt der Bund der Steuerzahler ein Schwarzbuch vor - diesmal schon zum 50. Mal. Darin sind bundesweit beispielhaft 100 Fälle von angeblicher Geldverschwendung aufgelistet. Hamburg ist mit sechs Fällen in der Jubiläumsausgabe vertreten, zwei weitere werden online aufgeführt.

Der Steuerzahlerbund (BdSt) wirft dem Hamburger Senat in seinem aktuellen Schwarzbuch vor, mitunter Projekte anzuschieben, ohne vorher die Sinnhaftigkeit zu prüfen. Bei anderen Projekten vermutet der BdSt, dass es schlicht um Prestige gehe. "Wir fragen uns einmal mehr, ob die Verantwortlichen ihre Entscheidungen ähnlich getroffen hätten, wenn es dabei um ihr eigenes Geld gegangen wäre", sagte Petra Ackmann, Vorsitzende des BdSt in Hamburg. Wer dem Staat Steuern schuldig bleibe, werde hart bestraft. Wer das Geld verschwende, müsse hingegen viel zu oft keine Konsequenzen tragen.

Blick auf das 50. Schwarzbuch vom Bund der Steuerzahler Deutschland. © dpa
AUDIO: Steuerverschwendungsfälle in Hamburg (1 Min)

Kritik an "unnötigem Impfzentrum" für Stadtmitarbeiter

Ganz aktuell prangert der BdSt vor allem ein extra für die etwa 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt eingerichtetes Impfzentrum an. Hier sollten Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus durchgeführt werden. Die Kosten allein für die Infrastruktur betrugen demnach 1,2 Millionen Euro - unter anderem für medizinisches und Sicherheitspersonal, Schutz- und Hygienekonzepte, Reinigung und IT-Infrastruktur. So richtig stark nachgefragt wurde das Impfzentrum dann allerdings gar nicht: Statt 16.800 Impfungen wurden dort nur 8.300 verabreicht. Nach sechs Wochen war mit der Einrichtung schon wieder Schluss - und rund 1.000 Impfdosen mussten weggeworfen werden.

Behörde weist Vorwurf der Verschwendung zurück

Das zuständige Personalamt rechtfertigte die Ausgaben. Die Beschäftigten der Stadt hätten zum einen eine besondere Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie gehabt. Zum anderen hätte in vielen Einsatzfeldern ein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden -beispielsweise für Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, Lehrkräfte oder Kita-Beschäftigte. Für diese Gruppen sei es notwendig gewesen, "in kürzester Zeit ein niedrigschwelliges und ausreichend großes Impfangebot aufzubauen". "Die Einrichtung des temporären Impfzentrums im Normannenweg war vor diesem Hintergrund richtig und geboten und auch die aufgrund der Dringlichkeit angefallenen Kosten vertretbar", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Hohe Kosten für Osterfeuer angeprangert

Mehrere Menschen stehen am Hamburger Elbstrand an einem Osterfeuer. © picture alliance/dpa Foto: Jonas Walzberg
Früher waren es noch kleine Veranstaltungen, inzwischen kostet so ein Osterfeuer die Stadt bis zu 50.000 Euro, sagt der BdSt.

Darüber hinaus werden in dem Jubiläums-Schwarzbuch bereits bekannte und viel diskutierte Hamburger Fälle aufgelistet. Darunter beispielsweise die traditionsreichen Osterfeuer am Elbstrand. Aus ursprünglich kleinen Veranstaltungen seien längst Riesen-Events geworden, die laut des BdSt zu hohe Kosten verursachen. Tatsächlich hatte es über die Kosten lange Streit gegeben, am Ende fanden die Osterfeuer aber doch statt - wenn auch kleiner als zuvor.

Extra-Räume für die Bürgerschaft angemietet

Zu verschwenderisch ist der Senat nach Ansicht des BdSt auch, wenn es um die Bürgerschaft geht. Obwohl im Rathaus mehr als 600 Räume und Säle zur Verfügung stehen, wurde für sie wegen Platzmangels ein extra Gebäude angemietet. Insgesamt gibt es dort 1.734 Quadratmeter, die Kosten betragen dann allerdings auch 2,78 Millionen Euro für sechs Jahre. Gerade zu Corona-Zeiten falle es schwer zu glauben, dass das nötig sei, so Ackmann, denn immerhin: "Zahlreiche Mitarbeiter wurden ins Homeoffice geschickt und arbeiten dort zum Teil noch immer."

Die Bürgerschaftskanzlei hingegen verteidigte die Kosten: Senat und Bürgerschaft würden sich die Räume im Rathaus teilen, die Bürgerschaft nutze nur einen Teil des Gebäudes. Ihr stünden im Rathaus zwei Sitzungsräume für Ausschusssitzungen zur Verfügung. Für die bürgerschaftlichen Sitzungen seien die Räume oft zu klein, außerdem seien Umbauten und technische Ausstattungen erforderlich. Darum müssten regelmäßig externen Räumen angemietet werden.

Viel Geld für Polleranlagen und Fahrradhaus

Ein Passant fährt auf einem Fahrrad an einer Poller-Anlage im Hamburger Stadtpark vorbei. © dpa Foto: Marcus Brandt
35.000 Euro für Reparaturen und Wartung einer Anlage, die lange ungenutzt blieb - das kritisiert der Steuerzahlerbund.

Auch eine Polleranlage im Stadtpark und das Fahrradparkhaus an der U-Bahnstation Kellinghusenstraße werden bemängelt. Die Polleranlage ersetzte eine Schranke, war dann laut Schwarzbuch aber lange außer Betrieb und musste zudem für 35.000 Euro repariert und gewartet werden. Das Fahrradparkhaus steht trotz weiterer Investitionen von mehreren Tausend Euro noch immer überwiegend leer.

Förderaufträge und Zweckentfremdung von Geldern

Weitere Fälle im Schwarzbuch sind ein ursprünglich geplanter Neun-Millionen-Euro-Förderauftrag. Mit dem Geld sollte eine Firma Start-ups aus der Finanzbranche, sogenannte FinTechs, gezielt nach Hamburg holen. Pikant: Geführt wird das Unternehmen von einem Bekannten von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Der Förderauftrag wurde schließlich gestoppt. Außerdem erhielt der HSV Geld für eine Stadion-Sanierung, dass der Verein allerdings anderweitig ausgab. Und beim Bau des Baakenparks in der HafenCity hatte die HafenCity GmbH eine Fahrrinne für Barkassenverkehr ausgebaut, ohne zu klären, ob dafür ein Bedarf besteht - und dafür eine Million Euro Mehrkosten aufgerufen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | NDR 90,3 Aktuell | 19.10.2022 | 18:00 Uhr

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