Kommentar: Der Elbtower entzweit die Gemüter
Die Hamburger Stadtentwicklungsbehörde hat überraschend den Bau des Elbtowers genehmigt, ohne es vorher anzukündigen. Das sei hinter dem Rücken der Bürgerschaft geschehen, werfen nun einige SPD-Abgeordnete der Behörde vor. Der 245 Meter hohe Wolkenkratzer, der bis 2025 an den Elbbrücken entstehen soll, entzweit die Gemüter. Reinhard Postelt kommentiert.
Der Elbtower spricht unsere Gefühle an - und nicht den Verstand. Das Gefühl hatte schon Olaf Scholz gepackt, als er Deutschlands dritthöchstes Haus im Kaisersaal des Rathauses vorgestellt hat. Ich konnte das damals beobachten. Es war der 8. Februar 2018, der Bürgermeister war schon auf dem Absprung nach Berlin, da sah ich Andacht in seinem Blick auf das Holzmodell des Architekten David Chipperfield. So kannte ich den kühlen Vernunftsmenschen nicht. Und Scholz redete und redete über den tollen Turm, der seitdem bei Gegnern nur noch "Scholztower" heißt.
Schärfste Gegner in der SPD
Scholz' Begeisterung für den Wolkenkratzer ist es, die den Turm immer wieder ins Wanken bringt. Sie spornt nämlich seine Gegner an, das private Projekt madig zu machen. Und die schärfsten Gegner sind in der SPD. Diese Woche waren sie schwer empört - die alten Kontrahenten, die mit Scholz noch eine Rechnung offen haben: Mathias Petersen und Markus Schreiber. Sie lehnen den rund 245 Meter hohen Bau ab: zu hoch, zu dominant. Und sie befürchten eine Finanzklemme des Investors René Benko.
Giftpfeile wieder aus dem Köcher
Die Stadtentwicklungsbehörde gab ihnen jeden Grund, die Giftpfeile wieder aus dem Köcher zu holen. Die Behörde hatte den Elbtower am 8. März genehmigt, ohne die Bürgerschaft zu informieren. Die hatte aber auf Betreiben von Petersen und Schreiber dem Senat etwas abgerungen: Der Wolkenkratzer dürfe erst gebaut werden, wenn schon vorher 30 Prozent seiner Bürofläche vermietet seien und die Finanzierung stehe. Das ist aber noch nicht der Fall.
Voreilige Baugenehmigung: Peinlich, aber nicht illegal
Die voreilige Baugenehmigung war wohl ein Büroversehen der Stadtentwicklungsbehörde. Für die SPD-Senatorin Dorothee Stapelfeldt ist das peinlich, aber es war nicht illegal. Denn die Bedingung der Bürgerschaft ist nicht an die Baugenehmigung, sondern an den Grundstückskauf geknüpft. Der soll im September folgen. Damit gibt Stapelfeldt dem Investor Benko mehr Zeit, Mieter und Geld aufzutreiben. Auch das empört die Gegner.
Soll der Elbtower gebaut werden?
Soviel zur Gefühlslage. Nun zur Vernunft: Braucht Hamburg den Elbtower? Nicht unbedingt. Zerstört er die Silhouette der Stadt? Eher nicht, er liegt außerhalb der City. Wird er leer stehen? Nein, da sind sich Immobilienentwickler sicher. Moderne, nachhaltig gebaute Büros sind trotz Homeoffice gesucht. Bringt Benko bis September genug Mieter und Geld auf? Kann niemand sagen. Soll der Elbtower dann gebaut werden? Das überlasse ich ganz Ihrer Vernunft - oder Ihrem Gefühl!
