Gestrandet in Hamburg: Die Sehnsucht der Seeleute
Viele Seeleute in Hamburg sind in einer verzweifelten Lage. Einige dürfen zwar von Bord, aber derzeit wegen Corona nicht zurück in ihre Heimatländer. Andere dürfen überhaupt nicht ihr Schiff verlassen, weil sie sonst in Quarantäne müssten.
In der Seemannsmission Duckdalben herrscht deshalb dieser Tage Tristesse zwischen Tresen und Billiardtischen. Ein paar Seeleute sind von einem nahen Tanker gekommen - mit Sondergenehmigung und Einkaufsauftrag: Schokolade, Andenken und Telefonkarten für die Kollegen, die an Bord ausharren müssen.
Pakete von der Seemannsmission
Das Team um Anke Wibel hat in den Duckdalben wie jedes Jahr viel vorbereitet: Kaffee, Plätzchen und Geschenke. Weil aber viele Seeleute nicht kommen dürfen, will sie sich nun selbst mit einer herzlichen Ladung zu den Schiffen begeben: "Wir haben die Hamburgerinnen und Hamburger aufgefordert, kleine Pakete zu packen. Zum Beispiel mit Keksen, Weihnachtsmann und warmer Mütze drin." Die Pakete bringt sie dann mit ihrem Team an die Gangways der Schiffe, "damit es doch noch eine Weihnachtsüberraschung gibt."
Gestrandete Südseematrosen in Horn
Mehr als 50 Bootsleute aus Mikronesien hängen derweil seit Wochen in der Jugendherberge Horn fest. Hier hilft man ihnen. Eigentlich haben sie längst Urlaub und würden gern nach Hause fliegen, doch das geht wegen der Pandemie nicht. Langeweile, Kälte und der ungewohnte graue Himmel verstärken die Trauer der gestrandeten Südseematrosen. "Mein Land lässt momentan niemanden rein, und Flugverbindungen dahin gibt es ja auch nicht", sagt Kirias, Seemann aus Kiribati. "Natürlich vermisse ich meine Heimat, ich war einfach zu lange schon fort."
So bleiben Fußball am Computer, Brettspiele und immer wieder die Hoffnung auf Rückkehr. Einziger Lichtblick: Videoanrufe der Familie direkt aus ihrer Heimat. "Ich bin seit 18 Monaten auf See, ohne meine Familie zu sehen", erzählt Toto aus Kiribati. Kollege Kaumai sagt: "Mein Sohn ist ein Jahr alt, er hatte gerade Geburtstag, ich würde ihn so gerne mal wieder umarmen und küssen."
"Sie machen sich auch Sorgen um ihren Job"
Seemannspastor Matthias Ristau kümmert sich um die Seeleute, bringt zum Beispiel warme Kleidung oder hilft bei Papieren. Er kennt ihre Probleme: "Sie machen sich auch Sorgen um ihren Job", erzählt Ristau. "Manche fragen sich: Geht's denn von hier aus gleich wieder aufs Schiff statt nach Hause? Das wäre dann für viele besser, als gar nicht mehr arbeiten zu können."
Weltweit rund 400.000 Seeleute gestrandet
Weltweit sind etwa 400.000 Seeleute gestrandet. Auch Hamburger Reedereien versuchen, den Crews zu helfen. Doch das ist schwer. "Da gibt’s verschiedene Einreise-Restriktionen bei Fluggesellschaften und Häfen, die teilweise unterschiedlich sind", erklärt Frank Leonhardt von der Reederei Leonhardt & Blumberg. "Das macht zusammengenommen den Austausch von Seeleuten sehr schwierig."
Der Verband Deutscher Reeder fordert aktuell ein Ende der Reiseeinschränkungen. Seeleute müssten endlich als "systemrelevant“ eingestuft werden.
