Finanzsenator Dressel stoppt umstrittene Auftragsvergabe
Nach Vorwürfen gegen Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) hat seine Behörde einen Fördervertrag für den Finanzplatz Hamburg gestoppt. Es geht um insgesamt neun Millionen Euro, mit denen Start-ups in die Stadt gelockt werden sollten.
Der Vertrag mit der Firma Next Media Accelerator (NMA) wird laut Dressel nicht zustande kommen, das sagte er am Dienstagabend im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft. Im Raum stand der Vorwurf, der Finanzsenator habe einen SPD-Parteifreund begünstigt. Das hat er vehement zurückgewiesen. Bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber sei Dressel nicht direkt beteiligt gewesen.
Ursprünglich sollte NMA den millionenschweren Auftrag zum Aufbau eines Fonds bekommen. Kritikerinnen und Kritiker, unter anderem aus den Reihen von CDU und Linksfraktion, hatten Dressel daraufhin "roten Filz" vorgeworfen. Denn ein Parteikollege Dressels ist Mitbegründer der Firma NMA. Diese Vorwürfe der Begünstigung weist der Finanzsenator weiterhin zurück.
Keine rechtlichen Probleme
Rechtlich gesehen gab es demnach bei der Direktvergabe für den Aufbau eines sogenannten Fintech Accelerators keine Probleme. Die Debatte rund um möglichen "roten Filz" habe das Projekt aber insgesamt beschädigt. Die Entscheidung für den Stopp wurde gemeinsam mit den Partnern getroffen, dem Finanzplatz Hamburg e.V. und der Handelskammer.
Weiterhin viele kritische Stimmen
Aber auch der Auftragsstopp sorgt für ein unterschiedliches Echo. Es gab keinen nachvollziehbaren Grund, warum der Millionen-Auftrag ohne Ausschreibung direkt an einen Hamburger SPD-Genossen ohne Fintech-Fachexpertise vergeben wurde, meint CDU-Fraktionschef Dennis Thering - und sieht in dem Rückzieher Dressels ein Schuldeingeständnis. Für David Stoop von der Linksfraktion bleibt ein Imageschaden für die Stadt. Und AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann fordert eine lückenlose Aufklärung, damit der Ruch der Vetternwirtschaft ausgeräumt werden kann. Laut Anna von Treuenfels von der FDP zeigt der Fall eine SPD-Haltung, die Stadt und das Steuergeld als ihr Eigentum zu betrachten.
"Chance auf Start-up-Förderung vertan"
Anders sieht es die rot-grüne Koalition: Für Grünen-Politiker Dennis Paustian-Döscher ist eine große Chance für Start-up-Förderung verloren gegangen. Und SPD-Haushaltsexperte Matthias Petersen erklärt, im Haushaltsausschuss habe Dressel glaubwürdig dargestellt, dass die Vorwürfe haltlos sind. Diese Form der Auseinandersetzung sei ein Tiefpunkt in 25 Jahren in der Bürgerschaft.
Kaum Mitbewerber
Der Aufbau eines Fintech Accelerators ist ein Bestandteil des Masterplans Finanzwirtschaft. Die Gespräche dazu laufen seit 2020. Nachdem die geplante Vergabe im Sommer EU-weit veröffentlicht wurde - und auch nach der kürzlichen Berichterstattung - sei der Briefkasten der Finanzbehörde nicht mit Schreiben von Marktteilnehmern übergelaufen, hatte Dressel am Dienstag gesagt.
Nun mit Investitions- und Förderbank
Jetzt will die Finanzbehörde über die Investitions- und Förderbank zumindest einen Teil des Fintech-Projekts realisieren. FinTechs sind Firmen, die völlig neuartige Finanzprodukte und Dienstleistungen rund ums Geld entwickeln. Und Hamburg möchte davon ein größeres Kuchenstück abhaben, also Startups in die Stadt locken.
