Ein Sänger mit Sonnenbrille singt an einem Mikrofon. © picture alliance/dpa/KEYSTONE Foto: Alexandra Wey

Xavier Naidoos Entschuldigung: Eine glaubwürdige Kehrtwende?

Stand: 05.05.2022 09:34 Uhr

Sänger Xavier Naidoo hat in einer Videobotschaft auf Youtube zugegeben, sich in Verschwörungserzählungen verrannt zu haben. Ein Dokumentarfilm des ZDF zeichnet den Fall nach.

In ihrer Dokumentation "Xavier Naidoo - Comeback eines Verschwörungs-Stars?" gehen die Autoren Salwa Houmsi, Milan Panek, Nicolas Wildschutz der Geschichte um das Distanzierungs-Video Naidoos nach, womit er im April Deutschland überrascht hatte.

"Xavier Naidoo - Comeback eines Verschwörungs-Stars?" in der ZDF Mediathek

Der Film aus dem ZDF-Dokuformat "Die Spur" zeigt, wie sich der Popstar radikalisiert hat - und wieso es mit einer Distanzierung nicht getan ist. Salwa Houmsi und Milan Panek sind seit Monaten auf Naidoos Spur. Sie zeigen seinen Werdegang vom Popstar zur Gallionsfigur der rechten Verschwörer-Szene, analysieren anhand seiner Songs, seiner Telegram-Posts die Radikalisierung und sprechen mit Insidern der Musikszene. Sie wollen zeigen, dass im Hintergrund schon lange an Naidoos Comeback gearbeitet werde. Der Film ist bereits in der ZDF Mediathek - und bis zum bis 28. April 2024 verfügbar.

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Ein Mann  mit schwarzem Anzug, Sonnenbrille und Kappe auf einer Bühne. © IMAGO / Future Image Foto: C. Hardt

"Xavier Naidoo - Comeback eines Verschwörungs-Stars?" im ZDF

Der Dokumentafilm von Salwa Houmsi, Milan Panek, Nicolas Wildschutz zeigt im Doku-Format "Die Spur", warum es mit einer Distanzierung des Popstars nicht getan ist extern

Video von Naidoo: Sinneswandel - oder vage Botschaft?

"Meine erste Reaktion war: Sieh an, sieh an! Diese Dinge sind auch noch möglich", sagt der Autor Max Czollek zu dem überraschenden Video von Xavier Naidoo. Anlass für Naidoos Sinneswandel sei der Krieg in der Ukraine. Doch wie glaubwürdig ist diese Kehrtwende? Von einer Läuterung Naidoos will der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrich, der an der Universität Mainz zum Rechtsrock forscht, hingegen nicht sprechen: "Es bleibt doch alles sehr vage. Anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen und zu sagen: Ich hab Mist gebaut."

Video von Xavier Naidoo mit unkonkreter Botschaft auf Youtube

Bei YouTube und Instagram wurde das Video binnen weniger Stunden zehntausende Male aufgerufen, es verbreitet sich rasant im Netz. Und es wird hinterfragt: Wie plausibel ist diese Entschuldigung? Warum ist er so unkonkret? Sind einbrechende Verkaufszahlen seiner Alben der Grund für dieses Statement?

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Ein Mann  mit schwarzem Anzug, Sonnenbrille und Kappe auf einer Bühne. © IMAGO / Future Image Foto: C. Hardt

"Naidoo ist noch tief in Verschwörungsideologien verstrickt"

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Hat Xavier Naidoo wirklich eine überzeugende Kehrtwende vollzogen?

Der Verschwörungsexperte Josef Holnburger erinnert auf Twitter daran, dass der Sänger selbst rechtsterroristische Kanäle auf Telegram verbreitet und antisemitische Schriften dort hochgeladen habe. Kann man also mit einem dreiminütigem Video, so Holnburger, "massig Antisemitismus, Homophobie und Verschwörungsmythen wieder glatt bügeln?". Max Czolleks Haltung ist klar: "Es ist mir egal ob es stimmt oder nicht. Xavier Naidoo ist mir in diesem Zusammenhang völlig egal."

Seinen Anhängern und Fans aber ist das Statement von Naidoo überhaupt nicht egal, sagt der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrich. Er beobachtet den ganzen Tag, dass "das einen positiven Nebeneffekt hat." Aber eben keine innere, überzeugende Kehrtwende ist, so die Einschätzung des Musikwissenschaftlers: "Er gibt sich auch in diesem Video als Wahrheitssuchender."

Naidoo distanziert sich "ohne Wenn und Aber"

"Ich melde mich heute bei euch, weil ich zu etwas Stellung beziehen möchte", mit diesen Worten beginnt das Video, das Sänger Xavier Naidoo am Dienstag bei Youtube veröffentlicht hatte. "Ich habe mich Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen geöffnet, von denen ich mich ohne Wenn und Aber distanziere und lossage", sagt der 50-Jährige in dem etwas mehr als dreiminütigen Clip mit dem Titel "#OneLove".

Xavier Naidoo weist Rassismus-Vorwürfe zurück

Er sei von Verschwörungserzählungen "geblendet" gewesen, habe diese nicht genug hinterfragt und sich zum Teil "instrumentalisieren" lassen. "Das habe ich leider jetzt erst erkannt. Ich habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue", so der aus Mannheim stammende Musiker weiter. Xavier Naidoo trat in den vergangenen Jahren mit sogenannten Reichsbürgern auf, verbreitete Theorien der QAnon-Bewegung und machte umstrittene Äußerungen zu der Corona-Pandemie. Textzeilen brachten ihm Rassismus-Vorwürfe ein, die der Sänger selbst zurückwies.

Ukraine-Krieg habe seinen Sinneswandel bewirkt

Gegen Kritik, er stünde rechtsextremen Verschwörungserzählungen nahe, wehrte er sich in der Vergangenheit. Im Dezember 2021 urteilte das Verfassungsgericht in Karlsruhe, dass eine Vortragsrednerin ihn als Antisemiten bezeichnen durfte. Xavier Naidoo begründete seinen Sinneswandel nun mit dem Krieg in der Ukraine. Seine Frau kommt aus der Ukraine. "Die Gewalt, die Menschenverachtung, die Tatsache eines Krieges, der gar nicht weit von uns entfernt ist, haben mich schockiert und tief erschüttert", so Naidoo. Er habe aus dem Land Familie und Freunde herausholen müssen, weil dort "Angst und Schrecken" herrschten. Das Leid habe ihn tief bewegt: "Die Welt scheint wie auf den Kopf gestellt und ich habe mich gefragt, wie es so weit kommen konnte".

Er habe viel mit Betroffenen gesprochen - und sich kritischen Fragen zu Äußerungen von sich stellen müssen, wofür er sehr dankbar sei. "Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe."

Ihm sei bewusst geworden, dass er seine Familie, Freunde und Fans mit "verstörenden Äußerungen irritiert und provoziert habe, für die ich mich entschuldigen möchte", sagt Naidoo in dem Video weiter. Wegen umstrittener Aussagen des Sängers hatte sich der NDR 2016 entschieden, die Nominierung Naidoos für den Eurovision Songcontest in Stockholm zurückzuziehen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 16.04.2022 | 16:20 Uhr

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