"Renaissance": Neues Beyoncé-Album feiert queere Community
Mehr als 200 Millionen verkaufte Alben: Beyoncé ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen des Planeten. Nach sechs Jahren ist jetzt ihr neues Album "Renaissance" erschienen. Ein Wort soll aber bereits geändert werden.
In der ursprünglichen Version von "Heated" auf dem neuen Album verwendet Beyoncé das Wort "spaz". Umgangssprachlich bedeutet es: die Kontrolle verlieren oder sich seltsam verhalten. Es kann aber auch abwertend für Menschen mit Behinderung benutzt werden. Der Begriff sei nicht absichtlich in verletzender Weise verwendet worden, teilte eine Sprecherin mit. Er soll nun ersetzt werden.
Das Album ist vergangene Woche erschienen. Endlich ist es soweit. Beyonce Time. Ich öffne die Streaming-App und da ist es. Act one - "Renaissance". 16 neue Tracks von Queen B. Fast alle über 3 Minuten 30 lang. Also, Kopfhörer rein und los geht es. Bereits der zweite Track "Cozy" bestätigt das, was Beyoncés erste Single "Break My Soul" vor ein paar Wochen angekündigt hat: Die Queen läutet - mal wieder - eine neue Ära ihrer Musikästhetik und eine neue Ära in der Popmusik ein. Die Wiederkehr der Dance Music.
Erneut beweist Beyoncé ihr Gefühl für den Zeitgeist. Der Sound, den DJs in die angesagten Clubs und Radios weltweit bringen, der Sound, der die Leute heute zum Tanzen bewegt, ist fluide. Er spiegelt die sich immer weiter vermischende und gegenseitig referenzierende Musiklandschaft wieder. Und: Er soll Spaß machen. Den Leuten eine gute Zeit geben, fernab des ganzen Mist von draußen.
Beyoncés neues Album "Renaissance" top produziert
So auch "Renaissance". Auf ihrer Website verkündete Beyoncé schon vor ein paar Wochen, dass ihr die Albumproduktion durch die Pandemie geholfen habe. Dass sie sich dabei frei fühlen konnte, fernab von Perfektionismus und Verurteilung. Sie hofft, dass es den Hörenden genauso gehen werde. Und hat dafür einige der besten Produzent*innen und Songschreiber auf den Plan gerufen.
Da wäre zum Beispiel die schwarze und queere DJ Honey Dijon, die unter anderem "Cozy" mitproduziert hat. Auch mit dabei Hiphop-Produzent und Grammy Gewinner The-Dream, der kalifornische Dubstep-DJ Skrillex. Afrobeats-Star Tems. Und nicht zuletzt Nile Rodgers - unter anderem verantwortlich für mehrere monumentale Dance-Tracks und den Daft-Punk-Hit der letzten Jahre: Get Lucky.
Wink zur Bounce Music
Ein "Renaissance"-DJ-Set über sechs Tracks zieht einen also hinein in den neuen Beyoncé-Dance-Kosmos. Aber wir hören auch noch mehr Neues. Beim Song "Church Girl" zum Beispiel, eine Hommage an die Bounce Music. Der aus New Orleans stammende Bounce ist tief verzweigt mit der queeren Szene dort. Er zeichnet sich durch den sogenannten Drag Rap aus. Vulgäre, anfeuernde Texte. Call-and-Response-Elemente und repetitive Melodien. Eine der wichtigsten Bounce-Künstler*innen, Big Freedia ist übrigens das jetzt schon ikonische Sample auf dem Song "Break My Soul".
Der Wink zur Bounce Music passt ins Bild. Hat die Sängerin mit ihrem Album "Beyoncé" 2014 den Feminismus zelebriert, so feiert "Renaissance" nun die queere Community. Auf ihrer Website schreibt Beyonce, dass sie das Album ihrem Onkel Johnny widme. Er habe ihr diese Art von Musik gezeigt und viel queer Energy in sich getragen. Dazu sind Dance Music und die Clubkultur der 70er-Jahre fest verwachsen mit der queeren Emanzipationsbewegung. Interpretinnen wie Grace Jones, Madonna oder Donna Summer, deren Sound aus Giorgio Moroders Studio in München über den Atlantik bis in die Ballroom-Culture des New Yorker Untergrund fand. Sie gab vielen Menschen der LGBTIQ+-Community damals einen sicheren Ort zum Tanzen und zum sie-selbst-sein.
Hauch von Queer-Washing bei "Renaissance"?
Auf "Renaissance" macht Beyonce vieles richtig. Die Songs sind top produziert, die Samples stark. Und Queen Bs Vocals sind immer noch einzigartig. Ihre Stimme trägt alles. Aber das ist vielleicht auch ein bisschen das Problem. Dance Music lebt davon, dass die Stimme ein Instrument wie alle anderen ist. Ein Teil des Ganzen, der Dynamik eines Songs. Bei Beyoncé aber, sticht sie so heraus, dass es sich eben wie Beyoncé auf Dance-Beats anhört und selten wie aus einem Guss.
Und dann ist da auch noch dieser plötzliche Wink an die queere Community. Okay, Beyoncé hat immer wieder subtil klar gemacht, hinter wem sie steht. Und ja, einige queere Menschen haben an der Platte mitgearbeitet. Aber Beyoncé war nie so aktiv queere Fürsprecherin wie beispielsweise Lady Gaga, Madonna oder Donna Summer. Wird Queerness also nur gefeiert, weil sie gerade in ist? Profiliert sich Beyoncé selbst durch die Kunst queerer Ikonen? Weht ein Hauch von queer-Washing durch "Renaissance"? In jedem Fall war das erst der erste Akt, wie Beyonce auf ihrer Website mitteilt. Noch zwei weitere Projekte sollen folgen. Wann, ist noch unklar. Aber bis dahin sehen wir uns wohl erstmal auf dem Dancefloor.
Renaissance
- Genre:
- R&B
- Label:
- Sony Music
- Veröffentlichungsdatum:
- 29.07.2022
Schlagwörter zu diesem Artikel
Rock und Pop
