Proteste im Iran: Musik verbreitet Ziele der Bewegung
Die Opposition im Iran ist ausgeschaltet, die freie Presse verboten - also verbreiten die Protestierenden im Iran ihre Inhalte jetzt mit Protestliedern. Eines davon ist der Song "Dobareh", den iranische Musikstars gerade aufgenommen haben.
Im A&M Recording Studios in Los Angeles gingen schon Musikgrößen wie Cat Stevens oder Janet Jackson ein und aus. Auch der berühmte Song "We are the world" ist hier entstanden. In dem Aufnahmestudio haben sich jetzt, 37 Jahre später, bekannte iranische Exil-Sängerinnen wie die Sopranistin Darya Dadvar, Popikone Googoosh mit Leila Forouhar und weiteren Kolleginnen getroffen. Mit dem Song "Dobareh", auf Deutsch "wieder", senden sie jetzt eine ganz besondere Botschaft in die Heimat und die Welt.
Im Refrain des Liedes heißt es: "Mein Iran / Folterkammer der Unschuldigen / Mehr als 80 Millionen Geiseln / Die tränenreiche Nacht wird den Sturm erreichen / Der Iran wird wieder zum Iran."
Protest im Iran: Musik spielt eine andere Rolle als früher
Seit nunmehr sieben Wochen gehen die Menschen im Iran auf die Straße, angeführt von Frauen. Sie fordern ihre Freiheit, ein Ende des Mullah-Regimes. Die Musik spielt diesmal eine andere Rolle als bei früheren Protesten, beobachtet der Konflikt- und Protestforscher Tareq Sydiq von der Uni Marburg: "Wenn ich keine zentrale Führung habe, weil die landesweite Opposition ausgeschaltet ist, weil es keine freie Presse im Land gibt - dann übernimmt Musik eine diskursive Funktion. Sie verbreitet die politischen Ziele und Inhalte."
Musik im Iran: Für die Mullahs unislamisch
Gerade die Musik selbst steht in keinem guten Verhältnis zur Islamischen Republik, betont der Konfliktforscher, denn der iranische Staat ist sehr skeptisch gegenüber dieser Kunstform. Nach Auslegung der Mullahs ist sie unislamisch.
"Selbst wenn die Musik nicht politisch ist, selbst wenn sie gar nicht kritisch ist, ist sie automatisch in einer bestimmten Form eine Widerstandspraxis", so Sydiq. "Das heißt, es geht nicht nur darum, was in der Musik gesagt wird, oder wie der Staat versucht, unliebsame Meinungen zu unterdrücken. Die bloße Existenz von Musik hat ein Konfliktpotenzial im iranischen Staat."
Rapmusik: Ein Dorn im Auge des Regimes
Besonders die Rap-Musiker, die sich in Text und Klang viel radikaler zeigen, sind dem Regime ein Dorn im Auge - wie der iranische Rapper Toomaj Salehi. Mit seiner Musik entlarvt der Künstler das brutale Vorgehen des Systems. Dafür wurde er vor über einer Woche verhaftet. Viele befürchten, er wird gefoltert - eine gängige Praxis gegen Protestierende.
Allerdings, so Sydiq, versuche der Staat dies nicht immer nur zu bekämpfen, sondern auch zu kooptieren, also den Künstler auf eine Pro-Regime-Seite zu lenken. Jedoch: "Was man in den letzten Jahren sehen kann, ist, dass diese Fähigkeit, Inhalte in gewünschte Bahnen zu lenken, immer schwieriger wird. Dem Staat entgleitet immer mehr die Kontrolle. Das sieht man ganz stark an den Protesten, die jetzt durchaus revolutionäre Forderungen stellen."
Protestsong "Dobareh": "Der Iran wird wieder zum Iran"
Klar ist: Für eine islamische Republik, die den Anspruch hat, ihre Gesellschaft zu prägen und in sie hineinzuwirken, ist dieser zunehmende Kontrollverlust ein gewaltiges Problem. Klar ist auch, dass die Menschen auch nach sieben Wochen in ihrem Kampf um Freiheit nicht aufgeben. Die Hoffnung, dass - wie es in dem Song heißt - "der Iran wieder zum Iran" wird, ist unendlich groß.