Mia Diekow © picture alliance / dpa Foto: Britta Pedersen

Mia Diekow über Long-Covid: "Das ist eine große Belastung"

Stand: 12.04.2022 18:10 Uhr

Die Sängerin und Synchronsprecherin Mia Diekow hat sich im März 2020 mit COVID-19 angesteckt und sich seitdem nicht mehr richtig erholt. Im Interview spricht sie über die Nachwirkungen ihrer Erkrankung.

Fra Diekow, wie geht es Ihnen heute?

Mia Diekow: Heute ist ein mittelmäßiger Tag. Ich habe nicht gut geschlafen, insofern weniger Energie als sowieso schon. Deswegen bin ich froh, dass das Interview so kurz ist.

Wie viel hat ihr Leben heute noch mit Covid und den Nachwirkungen zu tun?

Diekow: Eine ganze Menge, sowohl persönlich in meiner eigenen Betroffenheit und meinem täglichen Kampf damit, als auch in Bezug auf meinen politischen Aktivismus. Ich engagiere mich bei einer bundesweiten Patienteninitiative namens Long COVID Deutschland, und wir kämpfen nach Kräften dafür, dass sich die Situation für Patientinnen und Patienten in Deutschlands mit Long-Covid und insbesondere mit dem Fokus auf Patienten, die nach Long-Covid ME/CFS entwickeln, also die schlimmste Form von Long-Covid. ME/CFS gibt es auch nach anderem Viren, es ist eine im Prinzip schon immer dagewesene Erkrankung, die aber historisch marginalisiert und nicht erforscht wurde. Das ist ein großer Skandal, der mir, je länger ich damit zu tun habe, immer bewusster wird. Für diese Patienten möchte ich mich auch über Long-Covid hinaus einsetzen.

Insofern bestimmt das sehr stark mein Leben und hat alles umgekrempelt. Ich kann meinen eigentlichen Job als Synchronsprecherin nur noch zu etwa zehn bis 15 Prozent ausüben, bin sehr oft ans Bett gefesselt und muss partiell gepflegt werden. Das ist mit Anfang, Mitte 30 eine sehr einschneidende Erfahrung.

Weitere Informationen
Eine Frau liegt im Bett und greift sich an den Kopf. Sie sieht erschöpft aus. © Colourbox Foto: -

Long-Covid: Corona-Langzeitfolgen werden unterschätzt

Nach einer Covid-19-Erkrankung dauert es oft Monate, bis sich Genesene wieder fit fühlen. Die Symptome sind vielfältig. mehr

Sie wollten gerade ein neues Album veröffentlichen, als Corona Sie erwischt hat. Inwiefern hat das nachhaltig Ihre Tätigkeit als Sängerin und Sprecherin beeinträchtigt? Ist das heute noch so?

Diekow: Ja. Das wird sich auch ohne Forschungsdurchbruch oder weitere Forschung, die wir ganz dringend brauchen, nicht verändern, weil sehr wahrscheinlich davon auszugehen ist, dass mein Zustand autoimmun verursacht ist. Wie man von anderen Autoimmunerkrankungen weiß, ist das leider nichts, was mal eben wieder verschwindet. Vor allem, wenn es sich schon - wie bei mir - seit zwei Jahren chronifiziert hat. Im Moment weiß ich gar nicht, wie ich dieses Album veröffentlichen kann, da wäre ich auf sehr viel Hilfe von außen angewiesen. Vielleicht klappt es irgendwie. Ich versuche manchmal, da weiterzukommen, aber dann ist auch dieses Thema Covid wieder so viel wichtiger in meinem Empfinden.

Was passiert bei einer Autoimmunerkrankung, etwa wenn Sie im Studio sind und Sie singen oder sprechen möchten?

Diekow: Das Problem ist, dass dieser Zustand, in dem man ist, sehr stark schwankt. Wir sind als ME/CFS-Patienten nach Covid oder nach anderen Erkrankungen grundsätzlich sehr schwach. Der Akku ist nie voll geladen. Wenn wir dann versuchen, irgendetwas zu machen, wenn wir über unsere Belastungsgrenze gehen, dann verschlechtert sich unser Zustand. Deswegen kann ich, wenn überhaupt, nur noch sehr wenige Stunden pro Woche arbeiten. Aktuell sind das vielleicht vier bis sechs Stunden pro Woche. Meine Situation ist auch überhaupt nicht vergleichbar, weil ich total privilegiert bin. Die Kunden versuchen, alles möglich zu machen, damit ich überhaupt noch weiter arbeiten kann. Wenn ich die Stimme von einer berühmten Figur bin, dann tauscht man mich nicht so schnell aus wie jemanden, der in einem anderen Job arbeitet, zum Beispiel als Friseurin. So jemand ist - so schlimm es klingt - einfacher zu ersetzen. Für mich ist es körperlich eine große Belastung, einfach nur zu stehen. Meine körperlichen Einschränkungen sind sehr stark. In schlechten Phasen ist schon der Gang zum Klo eine echte Herausforderung.

Weitere Informationen
Sängerin Mia Diekow sitzt auf einer roten Treppe. © NDR Foto: Claudia Timmann

Mia Diekow: "Ich bin ziemlich mutig"

Die Hamburgerin im Interview über theatralische Gesten, echte Ohrwürmer und ihren James-Bond-Tanz. mehr

Sie sprechen heute sehr detailliert über Ihre Erkrankung. Zunächst haben Sie gezögert, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Warum?

Diekow: Das hat ganz viele Gründe. Am Anfang wusste ich gar nicht, was es überhaupt ist. Ich musste erst selber herausfinden, was ich da habe. Der Weg zur Diagnose war nicht leicht. Dann ist jede Art von Stress für mich kontraproduktiv. Sich damit an die Öffentlichkeit zu wagen, gefährdet meinen Gesundheitszustand ständig. Das ist eigentlich kontraproduktiv, aber ich kann einfach nicht mehr schweigen, weil ich entsetzt darüber bin, wie unsere politischen Vertreter mit dem Thema Long-Covid umgehen. Ich will Aufmerksamkeit für das Thema schaffen und möchte auch Aufklärung betreiben, weil ich sehe, wie sträflich das behandelt wird.

Für viele, die im Kulturbereich arbeiten, aber auch in anderen Jobs, ist es total schwierig, das mit ihren Arbeitgebern zu kommunizieren. Das musste ich schon sehr früh, weil es einfach nicht anders ging. Aber das kann total berufsschädigend sein, viele werden auch gekündigt und viele fallen irgendwann aus dem Krankheitsgeld. Das ganze Thema ist schon existenzbedrohend. Krankheiten, die besser sichtbar sind, wie ein gebrochenes Bein oder andere Dinge, die werden nicht so stark angezweifelt. Das ist wirklich eine große Belastung.

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz, das verabschiedet worden ist, liegt die Verantwortung für Schutzmaßnahmen jetzt in den Händen der Landesparlamente und der Landesregierungen. Auch bei den Bürgerinnen und Bürgern hat man das Gefühl, dass viele die Pandemie nicht mehr so schlimm sehen. Wie beobachten Sie diese aktuelle Situation im Kontext zu den Problemen, die Sie haben?

Diekow: Ich kann jedem nur raten, der noch keine Infektion hatte und sich generell vorsichtig verhalten möchte, wo immer nötig weiterhin Maske zu tragen, vorsichtig zu bleiben, Risikogruppen zu schützen und sich solidarisch zu verhalten. Mit meinem Wissen von heute ist das alles relativ gruselig für mich. Ich bin trotzdem glücklicherweise nicht diejenige, die das entscheiden muss. Mein Appell an jedes Individuum wäre, sich selbst zu schützen, und mein Appell an die Bundesregierung ist: Wer lockert, der muss auch in die Verantwortung gehen für die Konsequenzen, die daraus entstehen. Unter anderem sehen wir dann in Folge auch einen Anstieg der Long-Covid-Fälle. Da ist die Politik im Nachhinein auf jeden Fall in der Pflicht.

Das Interview führte Mischa Kreiskott.

 

Rückblick
Mia Diekow auf der Bühne zum deutschen Vorentscheid "Unser Song für Malmö". © NDR Foto: Rolf Klatt

Eurovision Song Contest 2013: Mia Diekow - Lieblingslied

Sie liebt gefühlvolle Texte und die deutsche Sprache. Da verwundert es kaum, dass Mia Diekow 2013 mit einem deutschen Song beim Vorentscheid "Unser Song für Malmö" angetreten ist. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal Gespräch | 12.04.2022 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Coronavirus

Rock und Pop

Computer-Illustration eines Coronavirus © imago images/MiS

Corona: Informationen rund um das Virus

Wie schütze ich mich vor einer Corona-Infektion, wie ist der Krankheitsverlauf und wie oft sollte man sich impfen lassen? mehr

This Band is Tocotronic, Cover
Podcast von ARD Kultur, rbb, NDR Kultur © ARD

"This Band is Tocotronic" in der ARD Audiothek

Der Podcast von rbb und NDR erzählt die Geschichte der Band. extern

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Ein großes Kreuz hängt im katholischen Dom Osnabrück. © picture alliance/dpa | Friso Gentsch Foto: Friso Gentsch

Karfreitag: Ringen um die Deutung des Todes am Kreuz

Der Karfreitag ist ein Feiertag, der auch vielen Christinnen und Christen heute fremd geworden ist. Warum ist das so? mehr