Mia Diekow über Long-Covid: "Das ist eine große Belastung"
Die Sängerin und Synchronsprecherin Mia Diekow hat sich im März 2020 mit COVID-19 angesteckt und sich seitdem nicht mehr richtig erholt. Im Interview spricht sie über die Nachwirkungen ihrer Erkrankung.
Fra Diekow, wie geht es Ihnen heute?
Mia Diekow: Heute ist ein mittelmäßiger Tag. Ich habe nicht gut geschlafen, insofern weniger Energie als sowieso schon. Deswegen bin ich froh, dass das Interview so kurz ist.
Wie viel hat ihr Leben heute noch mit Covid und den Nachwirkungen zu tun?
Diekow: Eine ganze Menge, sowohl persönlich in meiner eigenen Betroffenheit und meinem täglichen Kampf damit, als auch in Bezug auf meinen politischen Aktivismus. Ich engagiere mich bei einer bundesweiten Patienteninitiative namens Long COVID Deutschland, und wir kämpfen nach Kräften dafür, dass sich die Situation für Patientinnen und Patienten in Deutschlands mit Long-Covid und insbesondere mit dem Fokus auf Patienten, die nach Long-Covid ME/CFS entwickeln, also die schlimmste Form von Long-Covid. ME/CFS gibt es auch nach anderem Viren, es ist eine im Prinzip schon immer dagewesene Erkrankung, die aber historisch marginalisiert und nicht erforscht wurde. Das ist ein großer Skandal, der mir, je länger ich damit zu tun habe, immer bewusster wird. Für diese Patienten möchte ich mich auch über Long-Covid hinaus einsetzen.
Insofern bestimmt das sehr stark mein Leben und hat alles umgekrempelt. Ich kann meinen eigentlichen Job als Synchronsprecherin nur noch zu etwa zehn bis 15 Prozent ausüben, bin sehr oft ans Bett gefesselt und muss partiell gepflegt werden. Das ist mit Anfang, Mitte 30 eine sehr einschneidende Erfahrung.
Sie wollten gerade ein neues Album veröffentlichen, als Corona Sie erwischt hat. Inwiefern hat das nachhaltig Ihre Tätigkeit als Sängerin und Sprecherin beeinträchtigt? Ist das heute noch so?
Diekow: Ja. Das wird sich auch ohne Forschungsdurchbruch oder weitere Forschung, die wir ganz dringend brauchen, nicht verändern, weil sehr wahrscheinlich davon auszugehen ist, dass mein Zustand autoimmun verursacht ist. Wie man von anderen Autoimmunerkrankungen weiß, ist das leider nichts, was mal eben wieder verschwindet. Vor allem, wenn es sich schon - wie bei mir - seit zwei Jahren chronifiziert hat. Im Moment weiß ich gar nicht, wie ich dieses Album veröffentlichen kann, da wäre ich auf sehr viel Hilfe von außen angewiesen. Vielleicht klappt es irgendwie. Ich versuche manchmal, da weiterzukommen, aber dann ist auch dieses Thema Covid wieder so viel wichtiger in meinem Empfinden.
Was passiert bei einer Autoimmunerkrankung, etwa wenn Sie im Studio sind und Sie singen oder sprechen möchten?
Diekow: Das Problem ist, dass dieser Zustand, in dem man ist, sehr stark schwankt. Wir sind als ME/CFS-Patienten nach Covid oder nach anderen Erkrankungen grundsätzlich sehr schwach. Der Akku ist nie voll geladen. Wenn wir dann versuchen, irgendetwas zu machen, wenn wir über unsere Belastungsgrenze gehen, dann verschlechtert sich unser Zustand. Deswegen kann ich, wenn überhaupt, nur noch sehr wenige Stunden pro Woche arbeiten. Aktuell sind das vielleicht vier bis sechs Stunden pro Woche. Meine Situation ist auch überhaupt nicht vergleichbar, weil ich total privilegiert bin. Die Kunden versuchen, alles möglich zu machen, damit ich überhaupt noch weiter arbeiten kann. Wenn ich die Stimme von einer berühmten Figur bin, dann tauscht man mich nicht so schnell aus wie jemanden, der in einem anderen Job arbeitet, zum Beispiel als Friseurin. So jemand ist - so schlimm es klingt - einfacher zu ersetzen. Für mich ist es körperlich eine große Belastung, einfach nur zu stehen. Meine körperlichen Einschränkungen sind sehr stark. In schlechten Phasen ist schon der Gang zum Klo eine echte Herausforderung.
Sie sprechen heute sehr detailliert über Ihre Erkrankung. Zunächst haben Sie gezögert, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Warum?
Diekow: Das hat ganz viele Gründe. Am Anfang wusste ich gar nicht, was es überhaupt ist. Ich musste erst selber herausfinden, was ich da habe. Der Weg zur Diagnose war nicht leicht. Dann ist jede Art von Stress für mich kontraproduktiv. Sich damit an die Öffentlichkeit zu wagen, gefährdet meinen Gesundheitszustand ständig. Das ist eigentlich kontraproduktiv, aber ich kann einfach nicht mehr schweigen, weil ich entsetzt darüber bin, wie unsere politischen Vertreter mit dem Thema Long-Covid umgehen. Ich will Aufmerksamkeit für das Thema schaffen und möchte auch Aufklärung betreiben, weil ich sehe, wie sträflich das behandelt wird.
Für viele, die im Kulturbereich arbeiten, aber auch in anderen Jobs, ist es total schwierig, das mit ihren Arbeitgebern zu kommunizieren. Das musste ich schon sehr früh, weil es einfach nicht anders ging. Aber das kann total berufsschädigend sein, viele werden auch gekündigt und viele fallen irgendwann aus dem Krankheitsgeld. Das ganze Thema ist schon existenzbedrohend. Krankheiten, die besser sichtbar sind, wie ein gebrochenes Bein oder andere Dinge, die werden nicht so stark angezweifelt. Das ist wirklich eine große Belastung.
Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz, das verabschiedet worden ist, liegt die Verantwortung für Schutzmaßnahmen jetzt in den Händen der Landesparlamente und der Landesregierungen. Auch bei den Bürgerinnen und Bürgern hat man das Gefühl, dass viele die Pandemie nicht mehr so schlimm sehen. Wie beobachten Sie diese aktuelle Situation im Kontext zu den Problemen, die Sie haben?
Diekow: Ich kann jedem nur raten, der noch keine Infektion hatte und sich generell vorsichtig verhalten möchte, wo immer nötig weiterhin Maske zu tragen, vorsichtig zu bleiben, Risikogruppen zu schützen und sich solidarisch zu verhalten. Mit meinem Wissen von heute ist das alles relativ gruselig für mich. Ich bin trotzdem glücklicherweise nicht diejenige, die das entscheiden muss. Mein Appell an jedes Individuum wäre, sich selbst zu schützen, und mein Appell an die Bundesregierung ist: Wer lockert, der muss auch in die Verantwortung gehen für die Konsequenzen, die daraus entstehen. Unter anderem sehen wir dann in Folge auch einen Anstieg der Long-Covid-Fälle. Da ist die Politik im Nachhinein auf jeden Fall in der Pflicht.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.
