Der Solo-Bratscher Amihai Grosz steht vor dem Orchester in der Berliner Philharmonie © Berliner Philharmoniker Foto: Stephan Rabold
Der Solo-Bratscher Amihai Grosz steht vor dem Orchester in der Berliner Philharmonie © Berliner Philharmoniker Foto: Stephan Rabold
Der Solo-Bratscher Amihai Grosz steht vor dem Orchester in der Berliner Philharmonie © Berliner Philharmoniker Foto: Stephan Rabold
AUDIO: Berliner Philharmoniker: Berührendes Benefizkonzert für Israel (3 Min)

"Gemeinsam für Menschlichkeit": Konzert der Berliner Philharmoniker für Israel

Stand: 21.12.2023 11:27 Uhr

Musik, um zu trösten und zu helfen: Mit einem Konzert haben die Berliner Philharmoniker zur Freilassung aller aus Israel nach Gaza entführten Geiseln und zum Schutz der palästinensischen und israelischen Zivilbevölkerung aufgerufen. 

von Maria Ossowski

Martha Argerich, Thomas Hampson, Christian Tetzlaff, Steven Isserlis, das alles sind große Namen, Ikonen, Legenden, Weltstars, Kultfiguren der Klassik, Koryphäen. Diese Begriffe passen zwar auf die Künstlerinnen und Künstler des Benefizkonzertes "Gemeinsam für die Menschlichkeit", beschreiben aber nicht die berührende Atmosphäre in der Philharmonie.

Familien von Geiseln kamen zu Wort

Der Solobratscher Amihai Grosz hatte die Veranstaltung in zehn Tagen mit einem Team der Berliner Philharmoniker geplant. Seinen Neffen Amit hatte die Hamas als Geisel nach Gaza verschleppt, dort musste er seinen 16. Geburtstag erleben und wurde zum Glück freigelassen. Das Berliner Konzert hat der Teenager Amit im Livestream mit seiner Familie in Tel Aviv verfolgt. Doch 136 Geiseln sind noch in Gaza gefangen, niemand weiß, wie es ihnen geht.

Der Onkel von Efrat Machikawa, ein alter Herr, der weltweit in vielen Ländern die Landwirtschaft revolutioniert hat, leidet auch noch in den Tunneln. Seine Nichte engagiert sich im Forum der Geiselfamilien und fragte in den Saal: "Haben sie Dir zu essen gegeben, Onkel Guddy? Hattest Du die Möglichkeit, die Sonne in den letzten 75 Tagen zu sehen? Bekommst Du irgendwelche Medizin? Wissen sie um Deine Blutdruckprobleme? Kannst Du irgendwas ohne Deine Hörgeräte hören? Foltern sie Dich? Wissen sie, wie besonders Du bist?"

Weitere Informationen
Ein Mann mit dunklem Anzug, hellgrauen langen Haaren und Bart sitzt auf einem Stuhl und spielt Cello. © picture alliance/dpa Foto: Axel Heimken

Berührendes Solidaritätskonzert für Israel in Hamburg

Musik und Poesie - unter anderem vorgetragen von Iris Berben - erinnerten am Dienstag an die Terroropfer und schürten ein wenig Hoffnung. mehr

Viele berühmte Künstler haben sich bei Amihai Grosz und dem Pianisten Iddo Bar-Shai gemeldet, das Konzert hätte statt der zwei auch acht Stunden dauern können. So ist der Oudspieler Taiseer Elias aus Israel eingeflogen, um dabei zu sein. Die israelische Sängerin Noa und die Palästinenserin Mira Awad haben gemeinsam gesungen: Es muss doch einen anderen Weg geben. "There Must be another Way", singt das Publikum mit.

Für zwei israelisch-palästinensische Frauenorganisationen betrat Meera Eilabouni die Bühne. "Mütter, israelische und palästinensische, arabische und jüdische engagieren sich, um Frieden zu schaffen, bis der Konflikt endgültig vorbei ist. Denn es gibt keine Macht auf der Welt, die eine Mutter stoppen kann, wenn sie eine Zukunft für ihre Kinder schaffen möchte." Die beiden Organisationen "Woman Wage Peace" und "Women of the sun" sind nominiert für den Friedensnobelpreis.

Die Einnahmen gehen als Spenden an die Familien der Geiseln

Bei diesem Konzert verbinden sich die Kulturen des alten Europas und ihre jüdischen Wurzeln mit der Katastrophe am 7. Oktober und ihren Folgen. Amihai Grosz spielte Max Bruchs Kol Nidrei, Kirill Petrenko dirigierte, die Philharmoniker musizierten in großer Besetzung. Niemand bekam eine Gage, alle Einnahmen im restlos ausverkauften Saal mit 2.200 Plätzen sind Spenden für die Familien der Geiseln und für die beiden Frauenorganisationen.

Die Schauspielerin Martina Gedeck zitierte Brecht und trifft mit dessen Gedicht "An die Nachgeborenen" den Ton des Nachmittags:

"Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
 
Ihr aber, wenn es soweit sein wird
Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht." "An die Nachgeborenen" von Bertolt Brecht

Spät erst konnte dieses Konzert stattfinden, die Philharmoniker hatten im Oktober ihre Asientournee geplant, aber es zeigt die Verbundenheit der Künstlerinnen und Künstler mit den Schicksalen der Geiseln und es bewies, wie sehr die Berliner diese Initiativen für die Freilassung der Geiseln und die Zivilbevölkerung in Israel und in Gaza unterstützen.

Weitere Informationen
Amelie Deuflhard, Intendantin der Kulturfabrik Kampnagel, aufgenommen am Rande einer Pressekonferenz. © picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt Foto: Daniel Reinhardt

Nahost-Konflikt: "Ich muss mich nicht auf die Seite einer Partei schlagen"

Wie steht es um die Haltung zum Antisemitismus im Kulturbetrieb? Ein Gespräch mit der Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard. mehr

Teilnehmende bei der Kundgebung am Jungfernstieg. © NDR Foto: Finn Kessler

Terror in Israel: Kultureinrichtungen im Norden solidarisch

Theater und Museen im Norden positionieren sich deutlich gegen Terror und treten für Demokratie, Dialog und Frieden ein. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Vormittag | 21.12.2023 | 11:20 Uhr

This Band is Tocotronic, Cover
Podcast von ARD Kultur, rbb, NDR Kultur © ARD

"This Band is Tocotronic" in der ARD Audiothek

Der Podcast von rbb und NDR erzählt die Geschichte der Band. extern

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Szenenbild aus Mozarts "La Clemenza di Tito" © Hans Jörg Michel Foto: Hans Jörg Michel

Live aus der Staatsoper Hamburg: Mozarts "La Clemenza di Tito"

NDR Kultur überträgt die Premiere der Oper heute ab 19 Uhr. Mit Adam Fischer steht ein echter Mozart-Experte am Pult. mehr