"All Ein" von Rocko Schamoni: Emotionaler Ballast - luftig-leicht verpackt
Der Hamburger Rocko Schamoni ist ein echter Allrounder: Autor, Inhaber des Golden Pudel Clubs, bildender Künstler, Schauspieler - und am liebsten Musiker. Jetzt erscheint sein neues Album "All Ein".
"Mit anderen Musik zu machen ist ein erotischer Akt, weil man sich vermischt. Man spreadet seine Fluide in den Raum und sie vermischen sich mit anderen. Wir bestäuben uns gegenseitig. Es ist amourös", sagt Rocko Schamoni. Weil seit Pandemiebeginn das Versprühen und Vermengen von Fluiden nicht mehr ganz so angesagt ist, hat Schamoni sein neues Album erstmals komplett selbst eingespielt. "All Ein" - der programmatische Titel.
"Ich bin eigentlich ein Hirtenhund"
Damit es kein komplett monoerotischer Akt bleibt, hat er sich Verstärkung von seinen großen Helden aus der Musikgeschichte geholt. Atmosphärische Instrumentalstücke erinnern an Filmmusikgrößen wie Ennio Morricone und Nino Rota, discoide Synthie-Klänge an den Musikproduzenten Giorgio Moroder. Deutlich sind auch die Referenzen an Schamonis HeldINNEN. Der Song "Romy & Rocko" ist ein - mehr oder weniger - erotisches Zwiegespräch mit Romy Schneider. Rocko Schamoni ist ein großer Verehrer der Schauspielerin und hat Wortschnipsel aus ihren Filmen gesammelt.
Vor der Soulsängerin Ann Peebles verneigt er sich mit einem bekannten musikalischen Sample. Mit "I can’t stand the rain" zelebriert Schamoni die "Inseln des Lichts", für ihn das Leben: "Wir leben 70 oder 80 Jahre oder sowas in diesem unglaublichen Zeitmeer, das Milliarden von Jahren vor uns existiert hat und Milliarden von Jahren nach uns. Und dann kommt da so eine bizarre, kleine Insel von 80 Jahren, wo wir auftauchen und dann wieder verpuffen. Das ist eine Insel des Lichts."
Rocko Schamonis neues Album über Tod, Einsamkeit und Depression
Auch die schattigen Seiten des Daseins sind Rocko Schamoni vertraut und bekommen ihre musikalische Würdigung. Sein ständiger Begleiter: die Depression ("Ich und mein Schatten"), sein ärgster Feind: das Altern ("Das bin nicht ich") und eine seiner größten Ängste: das Verlassenwerden ("Wenn Ihr geht"). "Der Song ist tatsächlich mein persönlichster Song, um das mal so platt zu sagen", erklärt Schamoni. "Der geht genau an mein persönliches Problem: Ich kann es nicht ertragen, wenn die Leute gehen. Da geht es gar nicht nur um Einzelne oder wenn die oder der Geliebte geht. Ich ertrage es nicht, der Letzte zu sein. Und ich ertrage es nicht, wenn sich Konstrukte und Gruppierungen auflösen. Ich versuche immer zusammenzuhalten. Ich bin eigentlich ein Hirtenhund."
Bei Schamoni zwinkert immer mindestens ein Auge, traurige Zeilen werden von einer heiteren Melodie begleitet oder durch einen Witz konterkariert. "All Ein" vereint Schamonis geballten emotionalen Ballast: Ein Album über Tod, Alter, Einsamkeit, Narzissmus und Depressionen. Derartig schweres Gepäck so luftig-leicht zu verpacken, ist eine Kunst - Rocko Schamoni darin ein Meister.
"Die große Rocko Schamoni Schau" in Bremen, Hannover und Hamburg
Rocko Schamoni geht mit seinem neuen Album "All Ein" auch auf Tour. "Die große Rocko Schamoni Schau" ist am Freitag in der Kulturschusterei in Barmstedt gestartet, führt ihn am 18. September nach Bremen in den Schlachthof, am 22.9. in den Pavillon in Hannover und am 1. Oktober ins Hamburger Schauspielhaus.
All Ein
- Label:
- Misitunes
- Veröffentlichungsdatum:
- 26. August 2022
- Preis:
- 16,99 Euro €