Eine Frau läuft mir einem scheinbar brennenden Kleid über schneebedeckte Berge. © Museum für Textile Kunst Hannover Presse Foto: Jantje Salander/Irene Karchevskyy

Wenn Feuerkleider virtuell züngeln: Digitale Mode in Hannover

Stand: 07.03.2024 17:27 Uhr

Im Museum für Textile Kunst in Hannover können Gäste bis zum 14. Dezember virtuelle Kleider aus Feuer anprobieren. Die scheinbare Spielerei hat große Vorteile. Welche das sind, zeigt die Sonderausstellung "Digitale Mode - Kleider aus Feuer und Eis".

von Andrea Schwyzer

Was für Kreationen! Riesige kobaltblaue Rüschen wippen federleicht in mehreren Schichten übereinander, bedecken Hals und Schultern. Das Kleid dahinter besteht aus Hunderten langen, filigranen Fäden, feuerrot. Satte Farben, fliegende Stoffe und: gläserne Models. Was da auf der Leinwand im Museum für Textile Kunst in Hannover passiert, scheint magisch.

Digitale Mode: "Das ist die Zukunft"

Ein Model aus Glas trägt ein blaues Kleid - alles digital. © Ljuba Roichman Foto: Ljuba Roichman
Die digitale Mode ermöglicht Entwürfe, die sonst gar nicht machbar wären.

"Für mich ist digitale Mode eine selbstverständliche Sache. Das ist die Zukunft", sagt Irene Karchevskyy. Sie hat die Ausstellung "Digitale Mode" mitkonzipiert. In einem Video sind Arbeiten ukrainischer Modedesignerinnen und Modemacher zu sehen. "Man kann aus Glas, aus Wasser, aus Feuer Kleider machen, aber fast jedes digitale Kleid ist aus realem Stoff", verrät sie. Es tanzen also auch Seide, Leder und Tüll über den Laufsteg.

Modekollektionen werden weltweit digital gemacht

Wie gebannt schauen alle Anwesenden auf den Bildschirm, auch Museumsgründerin Erika Knoop. Als Modedesignerin kennt sie das Problem der Verschwendung in ihrer Branche: Meterweise Stoff werde für eine Kollektion verbraucht - und zwar nicht allein in der Produktion, sondern schon davor. Digitale Mode hat die 76-Jährige vor wenigen Jahren entdeckt - heute weiß sie um die Vorzüge: "Jetzt kann man verrückte Entwürfe machen und hinterher schauen, ob die Schnitte funktionieren. Das ist ganz toll. Das ist ein großes Potenzial, viele Arbeitsgänge einzusparen." Weltweit würden Kollektionen heute wirklich digital gemacht, erklärt sie.

Virtuelle Kleidung spart Ressourcen

Digitale Kollektionen namhafter Modelabels sind in der Ausstellung zu sehen. Außerdem ein Online-Shop mit extravaganten Kleidungsstücken. Tatsächlich kann man digitale Mode kaufen, und das hat für Trendsetterinnen durchaus Vorteile, sagt Erika Knoop: "Dadurch werden unheimliche Ressourcen gespart. Die müssen jetzt nicht mehr so einen Billigfummel schnell kaufen, den sie morgen nicht mehr anziehen, um auf dem Bildschirm irgendwie verrückt oder schön auszusehen."

Auch das Bildschirmkleid will anprobiert werden

Eine Frau auf einem Handydisplay trägt eine künstlich leuchtende Jacke. © NDR Foto: Andrea Schwyzer
Die Farben der Jacke auf der App der Autorin Andrea Schwyzer fließen permanent, als würden Magmapunkte über den Körper gleiten.

Doch wie bei realen Textilien will auch das Bildschirmkleid anprobiert werden. Die Kabine versteckt sich hinter schimmernden Raumtrennern, die Erika Knoop aus realen Haute-Couture-Stoffen zusammengenäht hat - ein toller Effekt und Gegensatz. Mit einer App auf dem Handy können Besucherinnen und Besucher sich einen digitalen Kleiderschrank runterladen und dazu noch einen Hut oder Sternenstaub für das Gesicht. Mit der "DressX"-App geht das kostenlos, verrät Irene Karchevskyy.

Passend gerechnet für jede Körperform

Nicht jedes Teil passt zu jeder Person - aber alles sitzt: Body Positivity gibt es umsonst dazu, erzählt Karchevskyy: "Digitale Kleidung passt auf jede Körperform und das ist eine gute Möglichkeit, dass sich jeder wohlfühlen kann." Natürlich weiß die Modedesignerin auch um die Herausforderungen des relativ jungen Phänomens und präsentiert ihre Recherchen dazu auf den beiden Stockwerken. Die Schau soll auch zum sensiblen Umgang mit digitalen Produkten anregen, macht Manipulation und verschobene Wahrnehmungen zum Thema. Medienkompetenz ist gefragt.

Spaß am Experimentieren

Klar, auch Kleider, die nur am Computer existieren, verbrauchen viel Energie, Stichwort: CO2-Emissionen. Demgegenüber stehen dafür unendliche kreative Entfaltungsmöglichkeiten. "Das ist der Spaß von dem ich gesprochen habe", sagt Knoop. "Damit zu experimentieren - was könnte mir stehen, was möchte ich eigentlich -, das ist witzig!"

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Wenn Feuerkleider virtuell züngeln: Digitale Mode in Hannover

Im Museum für Textile Kunst können Gäste ab heute virtuelle Kleider aus Feuer anprobieren. Die scheinbare Spielerei hat einen Nutzen.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Museum für Textile Kunst
Borchersstraße 23
30559 Hannover
Öffnungszeiten:
Dienstag 11 bis 18 Uhr
Mittwoch 11 bis 18 Uhr
Donnerstag 11 bis 18 Uhr
Sonntag 11 bis 16 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

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