Horst Janssen, Gila - Die Kastrierung des Zeus 1978, Bleistift, Farbstift, Aquarell © VG Bild Kunst Bonn 2023

Pornografie oder Kunst: Wie erotisch ist die Kunst Horst Janssens?

Stand: 14.10.2023 06:00 Uhr

Am Sonnabend ist die Ausstellung: "Love is a Battlefield" in Oldenburg eröffnet worden. Kunstinteressierte haben die Möglichkeit, die Arbeiten Horst Janssens zu kommentieren - und so unmittelbar auf die Kunst zu reagieren.

von Helgard Füchsel

Kunst im Museum, die kann verärgern, glücklich machen oder kalt lassen. Gefühle und Gedanken dazu behalten die Museumsgäste vielleicht für sich oder tauschen sie mit Bekannten aus. Bei der neuen Ausstellung im Horst-Janssen-Museum in Oldenburg ist das anders. Dort stehen Kommentare von Kunstinteressierten öffentlich - gleich neben den Bildern.

Kunstinteressierte können im Internet die Bilder Janssens kommentieren

Eine Frau liegt spärlich bekleidet auf einer Matratze. Sie ist mager, geradezu ausgezehrt und leckt einem Affen das Genital. Auf der Kopie des Aquarells sind Sprechblasen mit Kommentaren abgedruckt. "Genussvolle Erwartung" steht in einer. "Ich empfinde die Darstellung als abstoßend" in einer anderen. Seit einem Jahr können Kunstinteressierte im Internet Bilder von Horst Janssen kommentieren. Mit erstaunlichen Ergebnissen, sagt die Museumsdirektorin Jutta Moster-Hoos: "Das Überraschende und vor allem Schöne ist, dass sich die Menschen gar nicht unbedingt einig sind, was sie wahrnehmen. Ich sage jetzt mal ganz extrem: Wo der eine eine lustvolle Begegnung sieht, sieht der andere eine Vergewaltigung im selben Blatt, in der selben Zeichnung. Und das lohnt sich doch schon, dem näher auf den Grund zu gehen."

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Jutta Moster-Hoos im Portrai © Gerlinde Dormininghaus Foto: Gerlinde Dormininghaus

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Janssens Werke sind oft detailreich und uneindeutig. Es gibt viel zu interpretieren. Die Schau ordnet Janssens Bilder außerdem in einen historischen Zusammenhang ein. Einige seiner Vorbilder aus der antiken Mythologie und der Bibel werden gezeigt. Zudem war der Zeichner vom Zeitgeist beeinflusst, betont die Kuratorin Sabine Siebel: "In der Zeit, wo Janssen erotische, aus seiner Sicht auch pornografische Bilder zeichnet, hat was stattgefunden. Und zwar hat es eine Liberalisierungsbewegung im Sexuellen gegeben, und die Medien sind voll gewesen von Bildern sexualisierter Frauen. Da hat es eine Entgrenzung gegeben. Das ist wichtig zur Kenntnis zu nehmen."

Debatten um "unsittliche Kunst"

Horst Janssen, 1992. © picture-alliance/dpa Foto: Uwe Zucchi
Die Arbeiten Horst Janssens wurden über die Zeit immer drastischer - und blieben doch stets uneindeutig.

Nach den 1950er-Jahren gab es aufgeheizte Debatten um sogenannte unsittliche Kunst. Janssens Werke werden besonders in den 70ern immer drastischer. Er zeichnet sadomasochistische Szenen - Frauen mit Klemmen an den Brustwarzen und kopulierende Gerippe - das alles mit feinen und präzisen Strichen und mit Aquarellfarben koloriert oder mit klaren Linien abstrahiert. Pornografie oder Kunst? Die Vorstellung davon ist im Wandel, erklärt die Kuratorin: "Das heißt, es wurde eigentlich immer mehr möglich, und das ist gerade interessant vor dem heutigen Standpunkt der Debatten, dass man eigentlich wieder infrage stellt, ob eigentlich alles darstellbar sein darf. Da hat man wieder so eine Umkehrung. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt hier in der Ausstellung."

Arbeiten von Horst Janssen hängen gegenüber von Zeitschriften und Buchtiteln der 60er- und 70er-Jahre - die Bilderwelt von der er damals umgeben war -, eine lustvoll blickende Marilyn Monroe oder Buchtitel über weibliche Sexualität. Museumsgäste können während der Laufzeit der Ausstellung Kommentare zu den Werken auf Zetteln an eine Wand heften und mit Klebepunkten abstimmen, wie erotisch sie die Kunst von Horst Janssen finden. Ein Experiment, sagt die Direktorin:

Kommentare der Gäste werden dokumentiert und verarbeitet

"Wir werden jetzt mal Erfahrungen sammeln und ich finde es jetzt schon hochspannend", so Moster-Hoos. "Ich habe da große Freude, und natürlich kann man die Leute ganz anders beteiligen und sie gucken auch anders auf die Werke, weil es so ein unverstellter Blick ist. Das ist schön so ein unmittelbares Reagieren auf die Kunst dann auch zu erfahren, wenn es einfach hier bleibt als Äußerung im Haus als Kommentar. Es ist schön ich freue mich da drauf." Die Kommentare der Museumsgäste werden dokumentiert und später verarbeitet, sagt die Direktorin. Wie genau - das werde sich noch zeigen.

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Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Horst-Janssen-Museum Oldenburg
Am Stadtmuseum 4-8
26121 Oldenburg
Telefon:
0441 235-2885
Besonderheit:
Geschlossen an folgenden Tagen: 1. Mai, 31. Oktober, 24., 25. und 31. Dezember.
Hinweis:
Der Eintritt ist frei - aufgrund der Einschränkungen durch die Baustelle des Stadtmuseums. Geöffnet sind Ebene 1 mit der Dauerausstellung und Ebene 2 mit einer Sonderausstellung. Ebene 3 ist zurzeit geschlossen.
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 14.10.2023 | 08:40 Uhr

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