Jawlensky, Alexej. “Mystischer Kopf: Galka”, 1917 N. 21. (Galka Scheyer, eigentl. Emmy Esther Scheyer). Öl und Bleistift auf Karton, 39,3 × 30,5 cm. T © picture alliance / akg-images | akg-images
Jawlensky, Alexej. “Mystischer Kopf: Galka”, 1917 N. 21. (Galka Scheyer, eigentl. Emmy Esther Scheyer). Öl und Bleistift auf Karton, 39,3 × 30,5 cm. T © picture alliance / akg-images | akg-images
Jawlensky, Alexej. “Mystischer Kopf: Galka”, 1917 N. 21. (Galka Scheyer, eigentl. Emmy Esther Scheyer). Öl und Bleistift auf Karton, 39,3 × 30,5 cm. T © picture alliance / akg-images | akg-images
AUDIO: Ausstellung in Braunschweig: Die frühe Kunstagentin Galka Scheyer (4 Min)

Pionierin in der Kunstwelt: Galka Scheyer und "Die Blaue Vier"

Stand: 24.02.2024 13:28 Uhr

Sie betreute Klee, Jawlensky, Feininger und Kandinsky. Berühmtheiten wie Greta Garbo oder Marlene Dietrich gingen bei ihr ein und aus: Galka Scheyer gilt als eine der ersten Kunstagentinnen. Eine Ausstellung in Braunschweig würdigt ihre Arbeit.

von Janek Wiechers

Kunstagenten - ein Berufsbild, das heutzutage in der Kunstwelt eine Selbstverständlichkeit ist. Als Mittler zwischen Künstlern und Museen, Galerien und Sammlern, sind sie ein wichtiges Bindeglied, wenn es darum geht, Verkäufe anzubahnen und abzuwickeln, Ausstellungen auf den Weg zu bringen oder Auftragswerke zu initiieren. Vor hundert Jahren aber waren Kunstagenten noch eher selten. Dass eine Frau diese Tätigkeit ausübte, war erst recht ungewöhnlich. Als Pionierin ihres Fachs gilt die Braunschweigerin Galka Scheyer. Sie setzte sich Anfang des 20. Jahrhunderts leidenschaftlich dafür ein, die künstlerische Moderne besonders in den USA bekannt zu machen. Trotz ihrer Leistungen aber ist sie - zumindest in Europa - einem breiteren Publikum weitestgehend unbekannt. Ändern könnte das die Ausstellung "Galka Scheyer und die Blaue Vier", die jetzt im Städtischen Museum in Scheyers Heimatstadt Braunschweig zu sehen ist.

Einschneidendes Erlebnis: Scheyer trifft Künstler Alexej Jawlensky

1889: In Braunschweig kommt in einer großbürgerlichen jüdischen Familie Emilie Esther Scheyer zur Welt. Während ihre beiden Brüder mit in die elterliche Konservenfabrik einsteigen, hat Emilie anderes im Sinn. Sie ist der Kunst zugetan, erhält zunächst in Braunschweig privaten Kunstunterricht und verlässt im Alter von 17 Jahren das industriell geprägte Braunschweig, um in Frankreich, Belgien, England und in der Schweiz Malerei, Bildhauerei und Sprachen zu studieren. Später lebt sie in München und kommt in Kontakt mit Künstlerzirkeln, die "modern" arbeiten und deren neoimpressionistische Malweise Emilie zutiefst beeindrucken.

1916 hat Scheyer ein einschneidendes Erlebnis, das die Grundlage für ihre künftige Tätigkeit legt, die wir heute wohl als "Kunstpromoterin" bezeichnen würden. Sie lernt in der Schweiz den Künstler Alexej Jawlensky kennen: "Es gibt da so einen Initialmoment", erzählt Peter Joch, Direktor des Städtischen Museums Braunschweig. "Da hat Galka Scheyer ein Gemälde von Jawlensky gesehen - 'Der Buckel'. Sie hat sinngemäß gesagt: 'Der Künstler ist so avantgardistisch, der ist so aktuell von seiner Ästhetik her, dass ich mich fortan nicht mehr künstlerisch betätige, sondern nur noch als Vermittlerin aktiv bin.'"

"Die Blaue Vier": Alexej Jawlensky, Paul Klee, Wassily Kandisky und Lyonel Feininger

Ab 1917 dient sich Scheyer Jawlensky als eine Art Privatsekretärin an. Er nennt die junge Kunstbegeisterte liebevoll "Galka", russisch für Dohle. Den Spitznamen trägt Scheyer fortan auch offiziell, lässt ihn sich sogar im Pass eintragen. Galka sorgt dafür, dass der Bekanntheitsgrad Jawlenskys deutlich zunimmt, indem sie eine große Ausstellungstournee durch Deutschland für ihn organisiert.

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"Sie hat es geschafft, seine Werke in ganz bekannten Galerien - bei Hans Goltz oder Fritz Gurlitt - unterzubringen", erzählt Bianca Strauß, Kunsthistorikerin und Kuratorin am Städtischen Museum Braunschweig. "Sie ist einige Jahre getourt, bis 1922. Dies war dann später die Grundlage für ihre Tätigkeit als Agentin der 'Blauen Vier'."

"Die Blaue Vier", das sind neben Alexej Jawlensky die drei Bauhaus-Künstler Paul Klee, Wassily Kandisky und Lyonel Feininger, denen Scheyer 1922 in Weimar begegnet. Sie kann die vier Künstler davon überzeugen, ihre Kunst in den USA auszustellen und zu verkaufen. 1924 zieht sie in die USA, zunächst nach New York, später nach Los Angeles, und baut sich dort dank ihrer engagierten Art ein großes Netzwerk auf.

Scheyer setzt sich selbstbewusst in der Kunstwelt durch

"Sie war sehr selbstbewusst und ist für die damalige Zeit als Frau sehr ungewöhnlich aufgetreten, aber sie hat dann die Leute von sich überzeugt - und die Begeisterung für die Kunst an die Leute gebracht", so Strauß. "Sie selbst wurde ja als Kunstagentin bezeichnet - eine Funktion, die es zu der Zeit auch noch gar nicht so gab."

Scheyer etabliert den Namen "Die Blaue Vier" in der Kunstwelt als eine Art Marke - samt dazugehörigem Logo. Zeigt sie zunächst die Arbeiten der von ihr promoteten Künstler noch in namhaften Museen, präsentiert sie sie ab Mitte der 1930er-Jahre auch in einem eigens dafür gebauten Showroom in den Hügeln Hollywoods. Das Haus entwirft ein Freund - der renommierte Architekt Richard Neutra.

"Sie hat dort die Ausstellungen in intimer, privater Atmosphäre präsentiert und hat die ganzen Leute aus Hollywood zu Partys eingeladen", berichtet Strauß. "Das war ein sehr innovatives Konzept, das auch insofern gut funktioniert hat, weil sie dadurch die Leute für die Kunst auf einer ganz anderen Ebene begeistern konnte." Berühmtheiten wie die Schauspielerinnen Greta Garbo, Marlene Dietrich und der Regisseur Fritz Lang gehen bei Scheyer ein und aus und kaufen bei ihr Werke der europäischen Avantgarde für ihre Privatsammlungen.

Im Schatten der Männer: In Europa kaum bekannt

Während die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kommen, die elterliche Firma in Braunschweig enteignet, Familienmitglieder in KZs inhaftiert werden und später ebenfalls in die USA emigrieren, wird auch die Situation für die in Europa gebliebenen Künstlerfreunde der "Blauen Vier" zusehends schwieriger. Klee, Jawlensky und Kandinsky sterben kurz hintereinander. Scheyer selbst erliegt 1945 einem unheilbaren Krebsleiden.

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Trotz ihrer Erfolge: Galka Scheyer ist zumindest in Europa kaum bekannt. Allenfalls Experten ist sie ein Begriff. Ihr früher Tod mit nur 56 Jahren dürfte dazu beigetragen haben, mutmaßt die Kunsthistorikerin Strauß. Und möglicherweise auch, dass sie als Frau lange Zeit im Schatten der Männer stand, die sie selbst mit berühmt gemacht hat: "Kandinsky und Klee hat jeder schonmal gehört. Da geht dann vielleicht erst jetzt das Augenmerk auch auf Galka Scheyer", sagt Strauß.

Die Ausstellung in ihrer Geburtsstadt Braunschweig zeigt ausführlich, wer Scheyer war, was sie antrieb und was sie erreicht hat für die Kunstwelt. Sie zeigt zudem Werke von Klee, Jawlensky, Feininger und Kandinsky. Und als große Besonderheit: Erstmals sind auch etliche Bilder zu sehen, die Scheyer selbst geschaffen hat. Sie zeigen, welch veritable Künstlerin auch sie war.

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Pionierin in der Kunstwelt: Galka Scheyer und "Die Blaue Vier"

Sie betreute Klee, Jawlensky, Feininger und Kandinsky: Galka Scheyer gilt als eine der ersten Kunstagentinnen. Eine Ausstellung in Braunschweig würdigt ihre Arbeit.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Städtisches Museum Braunschweig
Steintorwall 14
38100 Braunschweig
Telefon:
0531 4704521
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 26.02.2024 | 06:40 Uhr

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