"Großer Schreitender Mann" kehrt nach Schwerin zurück
"Großer Schreitender Mann" ist eine Bronzefigur von Wieland Förster, einem der bedeutendsten ostdeutschen Bildhauer. Die Plastik schrieb in der DDR kulturpolitische Geschichte.
1970 wurde in Schwerin ein neuer großer Friedhof eröffnet und für die Fläche vor der Feierhalle konnte der gebürtige Dresdner Wieland Förster für ein Kunstwerk gewonnen werden. Werke von ihm stehen heute unter anderem in Berlin, Dresden, Potsdam, Güstrow, Schleswig und Hamburg. Als aber der damalige 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Bernhard Quandt, den Friedhof offiziell besuchte und sich die Plastik "Großer Schreitender Mann" ansah, gefiel sie ihm nicht.
"Es gibt mehrere Anekdoten, die aber im Kern alle übereinstimmen: Bernhard Quandt soll die anwesenden Bauarbeiter befragt haben, wie sie denn die Plastik finden. Darauf hätten diese wohl lakonisch geantwortet: Das ist unser Gorilla. Diese Stimme der Arbeiterklasse hat ihm wohl den Rückhalt gegeben, sodass er anordnete, diese Plastik unmittelbar danach zu entfernen", erzählt Jakob Schwichtenberg. Er betreut in Schwerin die stadtgeschichtliche Sammlung. Der Historiker blickt zurück auf den Sommer 1970, als die Plastik gerade mal sechs Wochen auf dem Friedhof stand: "Wieland Förster hat selber dazu wenig Stellung nehmen können. Man hat ihn eigentlich gar nicht gefragt. Es waren Jo Jastram, der Bildhauer Stefan Thomas aus Schwerin und andere Künstler, die sich eingesetzt haben für den Erhalt dieser Plastik, was zumindest in den ersten Jahren dazu führte, dass die Plastik im Staatlichen Museum im Depot verschwand."
Figur in Güstrow - Ohrfeige für die damaligen Verantwortlichen
Wenige Jahre später allerdings hatte sich der damalige Direktor des Staatlichen Museums Schwerin, Fritz Schwarzer, entschlossen, die Bronzeplastik aus dem Depot zu holen und sie zu einer Ausstellung nach Rumänien zu schicken. Dort erhielt das Werk von Wieland Förster eine Goldmedaille, erzählt Schwichtenberg: "Diese Auszeichnung war sicherlich auch ausschlaggebend, dass man die Plastik nach der Ausstellung nicht wieder zurück ins Depot verbanden konnte, sondern nach Güstrow auf den sich entwickelnden Ausstellungsort Gertrudenkirchhof gebracht hat. Das war fast wie eine Ohrfeige an die damaligen Verantwortlichen, die diese Plastik entfernen ließen."
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Schweriner Waldfriedhofs vor zwei Jahren fragten die Schweriner erstmals in Güstrow wieder an, ob sie nicht die Plastik wieder zurückbekommen könnten. Die Geschäftsführerin der Güstrower Ernst-Barlach-Stiftung, Magdalena Schulz Ohm, sagt dazu: "Es war zunächst einmal eine große Überraschung festzustellen, dass da der Wunsch besteht, diese Arbeit nach Schwerin zurückzuholen. Das Ganze hat eine Weile gedauert, bis wir die Umstände prüfen konnten, bis uns die Vorgeschichte so klar war, dass wir gesagt haben: Wir unterstützen dieses Vorhaben auf jeden Fall. Es ist der richtige Weg, es ist eine schöne Geste Wieland Förster gegenüber. Der Sockel (in Güstrow, Anm. d. Red.) bleibt nicht leer. Wir werden eine neue Arbeit bekommen, ebenfalls von Wieland Förster: eine Bronze, einen stehenden weiblichen Akt von den Staatlichen Schlössern und Gärten Schwerin. Darauf freuen wir uns schon sehr."
Wieland Förster: "Ich wollte meinen eigenen Stil"
Der Bildhauer Wieland Förster lebt heute in der Nähe von Oranienburg. Aufgrund einer schweren Erkrankung gab es nur ein kurzes Telefonat mit dem NDR: Darin betont der 92-Jährige, dass es sehr vernünftig sei, dass seine Plastik wieder nach Schwerin zurückkehre. Weiter sagt er: "Ich wollte in jedem Fall keine Gesundheits- und Sportplastik machen, denn die wäre damals auf den Friedhof gekommen. Ich hatte es satt, Aktmodelle von der Armee zu modellieren, sondern ich wollte meinen eigenen Stil - nämlich den zivilen Menschen in der Gesellschaft."
Inzwischen wurde Försters "Großer Schreitender Mann" von Güstrow zurück nach Schwerin gebracht. Claudia Köhler arbeitet bei den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern und begleitete den Abbau und den Transport. Der Zustand der Plastik sei sehr gut, meint die Metallrestauratorin, die sich aber noch zwei, drei Tage dem Kunstwerk widmen wird: "Ich sehe jetzt schon, dass dort ein paar ganz wenige Stellen sind, die eine aktive Korrosion darstellen. Bei Bronze-Korrosion ist es so, dass es sich dann auch in das Material reinfrisst. Diese losen Korrosionsprodukte müssen dringend entfernt werden. Dann müsste auch ein Schutzüberzug auf die Skulptur aufgebracht werden, damit sie uns im Außenbereich noch länger in diesem Erhaltungszustand zur Verfügung steht."
Die Bronze "Großer Schreitender Mann“ soll noch in diesem Jahr wieder in Schwerin aufgestellt werden: Genau dort, wo sie bereits vor 52 Jahren einmal für wenige Wochen stand - auf dem Waldfriedhof in Schwerin.