Jutta Moster Hoos im Porträt © picture alliance/Mohssen Assanimoghaddam/dpa Foto: Mohssen Assanimoghaddam

Umdenken: Jutta Moster-Hoos über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Stand: 23.07.2022 13:07 Uhr

Jutta Moster-Hoos ist die Direktorin des Horst-Janssen-Museums in Oldenburg. Damit ist sie noch immer eine von wenigen Frauen an der Spitze eines Museums oder einer Kultureinrichtung.

von Anina Pommerenke

Man könnte sagen: Der Job im Horst-Janssen-Museum sei Jutta Moster-Hoos förmlich vor die Füße gefallen. Denn als die heutige Direktorin des Hauses nach Oldenburg kam, war ihr klar: "Ich will unbedingt irgendwann zurück nach Frankfurt." Ihr Mann, den es 1998 wegen einer Facharztstelle in den Norden verschlagen hatte, musste ihr das damals sogar versprechen. Doch dann war plötzlich das Horst-Janssen-Museum im Bau: "Und da dachte ich mir: Oldenburg ist eine tolle Stadt, das ist toll, wenn wir beide hier mit interessanten Aufgaben landen - da hatten wir dann Glück." Im Jahr 2000 trat sie die Stelle der wissenschaftlichen Leiterin im Horst-Janssen-Museum an. Nach zehn Jahren wurde sie die Direktorin des Hauses mit Personal- und Budgethoheit.

Seit 2000 Leiterin des Horst-Janssen-Museums in Oldenburg

Damit ist Jutta Moster-Hoos gewissermaßen eine Rarität - denn schaut man sich landauf landab an, wer an der Spitze von Museen und Kultureinrichtungen steht, so sind die Frauen doch deutlich in der Unterzahl. Für Moster-Hoos eine interessante Beobachtung: Denn wenn sie an die Uni oder an das Volontariat zurückdenkt, waren die Frauen dort deutlich in der Überzahl: "Natürlich tummeln sich in den Museen viele Frauen - aber es kommen eben wenige in den Leitungs- und Führungspositionen an", so auch ihr persönlicher Eindruck.

Woran genau das liegt, da kann auch Moster-Hoos nur spekulieren. Einerseits laufe ihrer Meinung nach immer noch der Prozess des Umdenkens, dass man Frauen in Führungspositionen wolle und dabei Vorteile erkenne, andererseits weiß sie auch aus ihrem eigenen Umfeld, dass viele erfolgreiche Frauen auf Familie verzichtet haben. "Es ist auch in meinem Fall kein 40-Stunden Job. Es gibt Abendveranstaltungen, Sonntagsführungen, Gremien, Beiräte, Ausschüsse." Da sei es eben schwer, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen.

Viele Frauen wollen beides: Karriere und Familie

Aus der Kunstwelt weiß Moster-Hoos von noch viel drastischeren Beispielen zu berichten: "Eine Frau zu pushen? Das war damals ein Risikofaktor." Galeristen hätten die Sorge gehabt, dass der Output nicht mehr so groß wäre, wenn die Frauen dann erstmal Kinder bekämen. Moster-Hoos glaubt, dass viele große Künstlerinnen ihrer Generation deswegen damals auf Familie verzichtet haben. "Heute ist das anders, da wollen die Frauen beides."

Immerhin bewege sich etwas - auch in der Museumsbranche. In Oldenburg am Edith-Russ-Haus teile sich ein Ehepaar die Leitung, kann Moster-Hoos aus ihrem persönlichen Umfeld berichten. "Es gibt Modelle und wir müssen viel mehr darüber nachdenken." Denn was sie bei ihren eigenen Söhnen und ihren Studierenden beobachte, sei ein Umdenken. Da habe der Beruf gar nicht mehr so viel Platz. "Da verschiebt sich gerade etwas. Die möchten ihre Zeit lieber mit tollen Inhalten füllen, als auf die Macht oder Leitung aus zu sein."

Jutta Moster-Hoos: Von der Kunstgeschichtsstudentin zur Leiterin

Moster-Hoos hat in ihrer beruflichen Laufbahn schon viele Stationen vorzuweisen: Sie studierte "ganz klassisch" Kunstgeschichte in Heidelberg, damals noch als Magister-Studiengang, und machte zwei Auslandssemester in Wien. Im Anschluss absolvierte sie ihr Volontariat in Krefeld - im früheren Kaiser-Wilhelm-Museum (heute Kunstmuseen Krefeld). Es folgten Tätigkeiten in einer Frankfurter Galerie und ihre Promotion. Eine Zeit lang war Moster-Hoost auch als Art Consultant tätig und betreute "Kunst am Bau"-Projekte: "Das waren noch fette Zeiten, da habe ich mit viel Geld jongliert", erinnert sie sich zurück. Aber letzten Endes ließ die Arbeit im Museum sie nicht los: "Es war das, was ich am liebsten machen wollte."

Und die Tätigkeit bleibt spannend: "In den letzten Jahren wurde vieles über Bord geworfen, was ich als Doktorandin noch für selbstverständlich gehalten habe." Deutungshoheit etwa - gerade interessiere sich die Kunst- und Museumswelt dafür, was außerhalb Europas eigentlich so los sei. "Unsere Sicht ist eigentlich nur sehr eindimensional." Wenn sie beispielsweise etwas in eine Vitrine stelle, müsse sie hinterfragen, wie andere Kulturen damit umgehen würden. Was für uns ein Ausstellungsobjekt ist, sei in anderen Kulturen vielleicht ein Ritual- oder Fetischgegenstand, führt Moster-Hoos aus. Auch Demokratisierung sei ein wichtiges Thema. Am Horst-Janssen-Museum gebe es gar keine Führungen mehr, bei der eine Person monologisiere und auf Menschen einrede: "Man versucht, in ein Gespräch zu kommen, man lässt auch anderes gelten. Das ist spannend, denn ich bin anders angetreten."

Horst-Janssen-Museum in Oldenburg im Umbau

Die kommenden Jahre werden sicherlich spannend bleiben für ihr Haus und die Stadt Oldenburg. Denn am Horst-Janssen-Museum steht ein Umbau an - es soll eine neue, gemeinsame Eingangssituation mit dem Stadtmuseum geben. Die ist in Richtung "Dritter Ort" geplant: "Ein neuer Ort zwischen Zuhause und Beruf, wie bei Starbucks, wo man sich wohl fühlt, Kaffee trinken und endlos sitzen kann." So sollen die Menschen auch niedrigschwellig Zugang zum Haus finden - auch wenn sie vielleicht erstmal gar nicht in die Ausstellung gehen wollen. Gleichzeitig sieht Moster-Hoos sich mit der Aufgabe konfrontiert, Menschen in ihren Filterblasen zu erreichen. Ihre Sorge: "Wenn Menschen mit dem Begriff Museum wirklich nichts Gutes verbinden, dann werden wir sie nicht erreichen - egal, wie lecker der Kaffee ist oder loungig die Eingangssituation."

Während der Schließzeit könnte es eventuell eine Art Horst-Janssen-Filiale in der Stadt geben, sodass die Menschen auch ganz niedrigschwellig den Künstler kennen lernen können, schildert Moster-Hoos ihre aktuellen Überlegungen. "Ich bin da immer ganz hin- und hergerissen. Wenn ich in ein Museum gehe, genieße ich es schon, wenn es auch eine großartige, ehrwürdige Architektur ist. Bei anderen löst das eher negative Gefühle aus." Man müsse sich einfach überlegen, wie man mit den Leuten auch auf andere Art und Weise ins Gespräch kommt. Immerhin verzeichne ihr Haus 50 Prozent Erstbesucher, die eher nicht aus Oldenburg und Umgebung kommen - vor allem in den Sommermonaten. Ansonsten kämen die Menschen eher aus der Region. Moster-Hoos ist überzeugt: Die Museen zeigen schon tolle Sachen, man müsse sie nur besser vermitteln! "Ich bin gespannt, ob das ein Traum bleibt mit dem Museum für alle. Oder ob wir die Leute doch noch aus ihren Filterblasen locken können."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 23.07.2022 | 08:15 Uhr

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