Stolperstein-Erfinder Gunter Demnig wird 75
Gunter Demnigs Stolpersteine gelten als weltweit größte dezentrale Gedenkstätte. Die kleinen Messingplatten im Boden erinnern an Menschen, die während der Nazi-Diktatur verfolgt und getötet wurden. Heute wird der Künstler 75 Jahre alt.
Seit Anfang der 1990er-Jahre lässt Gunter Demnig quadratische Messing-Platten in den Boden ein. Vor Häusern, in denen Verfolgte des Naziregimes bis zu ihrer Vertreibung gelebt haben. Was 1992 in Köln begann, entwickelte sich vor allem in Hamburg rasant und wurde in viele Länder Europas getragen.
Mehr als 100.000 Steine wird Gunter Demnig bis zum nächsten Frühjahr eingelassen haben. Erst vor kurzem hat er zwei neue Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf vor einem Haus in der Bogenstraße 26 einfügen lassen. "Wir wussten, dass Hermann und Jettchen Asser in Theresienstadt waren", sagt Wolfgang Ram. "Aber wir wussten lange nicht, wo sie gewohnt haben. Das mussten wir erst alles rausfinden." Wolfgang Ram war Kinderkardiologe in Kiel. Sein Großonkel Hermann Asser und dessen Frau Jettchen haben in dem Mehrfamilienhaus in der Bogenstraße in Hamburg-Eppendorf gelebt.
Familienangehörige aus aller Welt kommen zur Einweihung der Steine
"Das Eindrucksvollste ist immer wieder die Begegnung mit Angehörigen", sagt Peter Hess, der den Künstler Gunter Demnig bei allen Aktionen in Hamburg begleitet. "Sie kommen aus aller Welt, aus New York, aus Israel - und kommen nach Hamburg, um hier Steine einzuweihen."
Rund 7.000 Stolpersteine liegen in Hamburg. Demnig legt Hand an jeden Stein. Er hockt in Blaumann und mit Knieschützern am Boden, hämmert und meißelt, sägt Bodenplatten zurecht. "Ich hab schon Familientreffen erlebt, wo Menschen aus drei Kontinenten und fünf Ländern zusammenkamen", sagt Demnig. "Familien, die vom Winde verweht sind."
Um die Stolpersteine ist ein internationales Netzwerk entstanden
"Der Demnig hat gar nicht geahnt, was er alles in Gang setzt", sagt Joachim Grossmann. Von ehrenamtlichen Rechercheuren wie ihm bekommt Demnig Namen und Adressen, hinter denen die bitteren Familiengeschichten von Flucht, Vertreibung oder Vernichtung stehen. Der pensionierte Gymnasiallehrer für Geschichte ergänzt die Daten auf den Stolpersteinen um ausführliche Biografien und stellt diese ins Netz. "Es ist ein internationales Netz von Beziehungen entstanden", sagt Grossmann. "Zu Personen, zu Institutionen, zu Archiven - international entstehen Freundschaften." Auf die Stolpersteine-Homepage greifen jedes Jahr 800.000 Menschen zu. "Aus Russland, Ukraine, USA, Israel, Shanghai - und sogar aus Nigeria", staunt Grossmann.
Generationenübergreifende Bedeutung der Stolpersteine
Der Künstler Gunter Demnig nennt das, was er vor 30 Jahren initiiert hat - bezogen auf Joseph Beuys - eine "Soziale Skulptur". Sie zieht generationenübergreifend weite Kreise. "Ich sehe hier oft junge Menschen, die stehen bleiben und sich bücken, gucken und lesen", sagt Gabriela Fenyes, langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Hamburg. "Das ist schon allein ein Verdienst des Gunter Demnig."
Die generationenübergreifende Bedeutung der Stolpersteine betont auch Joachim Grossmann. Er erinnert sich an Familienangehörige bei der Einweihung des Steines der Jüdin Senta Dome. "Die Enkelin war hier, ist zu dem Stein gegangen, hat ihn poliert und hat Tränen vergossen."