Besucher betrachtet Nofretete-Büste © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Paul Zinken Foto: Paul Zinken
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AUDIO: Raubkunst aus Ägypten in europäischen Museen (7 Min)

"Büste der Nofretete": Raubkunst oder nicht?

Stand: 17.01.2023 18:07 Uhr

Vor mehr als 110 Jahren (6. Dezember 1912) wurde die Büste der Nofretete in Ägypten entdeckt. Heute ist sie im Neuen Museum in Berlin zu sehen. Wie sie dahin gekommen ist und ob sie dort rechtmäßig ist - darüber gibt es einen erbitterten Streit.

von Tilo Spanhel

"Der unangefochtene Star des neuen Museums": so steht es auf der Internetseite der Staatlichen Museen Berlins. Die Büste der Nofretete, perfekt ausgeleuchtet, thront auf einem steinernen Sockel, gut geschützt hinter Sicherheitsglas. Ihr Wert liegt schätzungsweise bei 390 Millionen US-Dollar. Kaum zu glauben, dass sie mit Dreck beschmiert und falsch deklariert ihren Weg aus Ägypten gefunden haben soll. Monica Hanna, Professorin am Archäologischen Institut der ägyptischen Universität Assuan hat sich ausführlich mit dem Fall der Nofretete beschäftigt, und ist überzeugt, dass ihr Entdecker, Ludwig Borchardt, sie unrechtmäßig aus dem Land gebracht hat. Das dem Ägyptologen von Anfang an klar gewesen sei, was er da ausgegraben hatte. Dort, wo die Büste heute steht, widerspricht man dieser Darstellung vehement.

Die Deutsche Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die für das Objekt zuständig ist, teilt auf Anfrage des ARD-Studios Kairo schriftlich mit: "Nach der Entdeckung wurde sie bei der damals bei archäologischen Grabungen üblichen Fundteilung der deutschen Seite zugesprochen. Die Büste wurde anschließend legal außer Landes gebracht."

Soll die Nofretete zurückgegeben werden, oder nicht?

Der Fund der Nofretete ist mittlerweile 110 Jahre her. Fast genauso lange wehrt mittlerweile auch die Debatte darum, ob sie zurückgegeben, also restituiert werden sollte. Nicht nur die Nofretete, auch viele andere bedeutende Kunstgegenstände aus dem Alten Ägypten stehen in Europas Museen. Um diese Debatte besser zu verstehen, ist es wichtig, die historischen Umstände der archäologischen Grabungen zu kennen. Ägypten war lange Zeit ein Spielball verschiedener Großmächte. Das Osmanische Reich, Frankreich und schließlich Großbritannien eroberten das Land am Nil. Als Ägypten 1922 formell seine Unabhängigkeit erlangte, waren viele der bedeutendsten archäologischen Fundstücke schon in Europa.

Als Ludwig Borchardt die Büste der Nofretete am 6. Dezember 1912 in einer Jahrtausende alten Ruine fand, war Ägypten noch ein Protektoriat Großbritanniens. Die damals geltende Regelung, auf die sich auch die Deutsche Stiftung Preußischer Kulturbesitz beruft, ist das sogenannte "principe la moitie exacte". Es besagt, dass das Ausgrabungsteam und der ägyptische Staat Anspruch auf jeweils die Hälfte der Funde geltend machen konnten. Ein wichtiges Detail: Zu diesem Zeitpunkt war der ägyptische Antikendienst, der für die Regulierung aller Ausgrabungen zuständig war, unter französischer, nicht ägyptischer Leitung.

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Sind die Objekte legal nach Europa gekommen?

"Ich bin der Meinung, dass diese Objekte einfach unter Bedingungen an der Fremdherrschaft beziehungsweise der Invasion angeeignet wurde und deshalb gar nicht legal nach Europa kommen konnten.", sagt Professor Jürgen Zimmerer. Der Historiker lehrt Afrikawissenschaften an der Universität Hamburg. Er ist der Meinung, dass Regelungen, die unter der Bedingung einer Besatzung entstanden sind, heute keine Gültigkeit mehr haben können. Diesem Argument allerdings würden viele europäische Museen widersprechen, meint Zimmerer. Wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin beharren auch der Louvre in Paris und das British Museum in London darauf, dass Objekte etwa aus Ägypten legal bei ihnen stehen.

Doch ob legal oder nicht legal, das sei am Ende nicht die Frage, meint Professor Jürgen Zimmerer. "Wir haben gerade in der Debatte über NS Raubkunst erkannt, dass man sich im Nachhinein nicht auf verbrecherische, ausbeuterische Gesetze berufen möchte, wenn man eigentlich den Umstand selbst als verbrecherisch erkannt hat." Die ägyptische Wissenschaftlerin Monica Hanna ist der Überzeugung, dass Ägypter selbst über ihre Geschichte und Kultur bestimmen sollten. Und das verlange eben die Rückgabe mancher Stücke.

Ägypten: Verhandlungen über Rückgabe von Kunstgegenständen

Von offizieller Seite Ägyptens heißt es, man sei seit längerem über die Rückgabe von Kunstgegenständen in Verhandlungen, unter anderem mit Deutschland. Das erklärte der Leiter der Abteilung für restituierte Gegenstände im ägyptischen Tourismusministerium, Shaaban Abdel-Gawad, in mehreren Interviews. Zu Gast bei einem saudischen Fernsehsender sagte er: "Alle Stücke, die illegal aus Ägypten rausgeschmuggelt wurden, werden früher oder später restituiert."

Der ehemalige Leiter der ägyptischen Altertumsverwaltung, Zahi Hawass, hat im Sommer eine Petition gestartet, um den Stein von Rosetta aus dem British Museum zurück nach Ägypten zu holen. Mehr als 110.000 Menschen haben diese Petition mittlerweile unterschrieben. In einem Interview betonte Hawass, dass er, sobald die Petition eine Million Unterschriften bekomme, eine weitere starten wolle, um auch die Büste der Nofretete aus Berlin zurück an den Nil zu holen. Zurzeit liegt der deutschen Bundesregierung allerdings keine offizielle Anfrage aus Ägypten vor, die renommierte Büste zurückzugeben. Das teilte das Auswärtige Amt in Berlin auf Anfrage mit. Die Büste der Nofretete wird also noch eine Weile auf ihrem Sockel in Berlin bleiben.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 17.01.2023 | 16:00 Uhr

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