Stand: 27.06.2019 12:44 Uhr

Wie andere Staaten ihre Denkmäler schützen

Die Erhaltung von nationalen Kulturgütern ist nicht nur in Deutschland ein Thema. Die Frage, wie viele öffentliche Gelder für den Erhalt von Denkmälern ausgegeben werden sollten, sorgt auch in anderen Ländern für Diskussionen. ARD-Korrespondenten geben einen Überblick über die Situation in Frankreich, Russland, Ägypten, Italien und den USA.

Frankreich: Rubbellose gegen den Verfall

Baugerüste an der Pariser Kathedrale Notre-Dame. © picture alliance / NurPhoto
Das Medien-Echo war riesig, als die Pariser Kathedrale Notre-Dame im April in Brand geriet. Doch in Frankreich leiden vor allem die kleinen Kirchen.

In Zeiten klammer Staatskassen ist es keine leichte Aufgabe, alte Bauwerke zu bewahren, ohne dafür Steuern oder Abgaben zu erhöhen. Mit dem "Loto du patrimoine", dem "Lotto für den Denkmalschutz" will der Staat seit 2018 Bürgerinnen und Bürger animieren, Geld für Baudenkmäler locker zu machen. In diesem Jahr soll die Renovierung von 103 historischen Bauwerken über den Verkauf der Rubbellose bezuschusst werden. Darunter sind Kirchen, Schlösser auf dem Land oder alte Festungen. Insgesamt hofft die französische Lottogesellschaft auf 25 bis 30 Millionen Euro für den Denkmalschutz.

Ein Tropfen auf den heißen Stein, sagen Kritiker. Während sich kleine eher unbekannte Bauten mit Pfennigbeträgen zufriedengeben sollen, würden große Bauwerke, wie das Pariser Grand Palais, für mehr als 400 Millionen Euro renoviert. Ähnliche Kritik gab es auch an den Spenden für die abgebrannte Kathedrale Notre-Dame. Denn während kleine Kirchen im Land zerfallen, wurden Spenden von fast einer Milliarde Euro für die Pariser Kathedrale angekündigt. Knapp drei Monate nach dem Brand aber zeigt sich, dass bisher weniger als zehn Prozent der Summe, also nur rund 80 Millionen Euro tatsächlich eingegangen sind.

Sabine Wachs, Hörfunk-Korrespondentin im ARD-Studio Paris

Russland: Amphitheater statt Einkaufszentrum

Menschen sitzen auf Holzbänken in einem Amphitheater. © dpa
Das Moskauer Amphitheater umschließt ein Stück der historischen Stadtmauer. Für die Moskauer ist es ein beliebter Treffpunkt.

In Russland gibt es verschiedene Arten von Denkmälern. Mit Blick auf den Denkmalschutz ist aber vor allem die Kategorie entscheidend: Sind sie bedeutend für die gesamte russische Förderation, für die Region oder lediglich für die Kommune? Die Antwort auf diese Frage bestimmt, welche Gelder für den Erhalt des Denkmals fließen. Nicht ohne Grund organisieren sich in einigen russischen Städten Wissenschaftler und Bürger, um gegen Verstöße vorzugehen.

Aber manchmal geht es auch ohne Mahnungen. Als in der Moskauer Innenstadt vor einigen Jahren ein weiteres Einkaufszentrum entstehen sollte, stießen die Bauarbeiter auf einen Teil der Stadtmauer des alten Zentrums Bely Gorod, der weißen Stadt. Anstelle eines Einkaufszentrums wurde dann eine Art Amphitheater um dieses Stück Mauer herumgebaut. Mittlerweile ist es ein beliebter Treffpunkt für Moskauer Jugendliche. Dass die Geschichte der Stadt auf diese Weise in das neue Moskau eingebunden wurde, finden sie super.

Martha Wilczynski, Hörfunk-Korrespondentin im ARD-Studio Moskau

Ägypten: Denkmalschutz in den Kinderschuhen

Die Sphinx und die Pyramiden von Gizeh. © BR/Bewegte Zeiten GmbH/Nadja Mü
Um die historischen Stätten aus der Zeit der ägyptischen Hochkultur kümmert sich der Staat, doch sonst wird wenig Wert auf die Bewahrung von Kulturgütern gelegt.

Gut 5.000 Jahre alt ist die Geschichte der ägyptischen Hochkultur. Der Denkmalschutz des Landes ist dagegen gerade einmal volljährig. Obwohl Altertümer wie Pyramiden und Tempelanlagen schon deutlich länger eine gewisse staatliche Fürsorge erfuhren, hat Ägypten Denkmalschutz erst im Jahr 2001 eingeführt. Bis dahin herrschte architektonischer Wildwuchs. In arabisch-sozialistischer Manier wurde geplant und gebaut: praktisch, quadratisch, hässlich. Am liebsten so, dass Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert nicht mehr zu sehen waren oder der Abrissbirne zum Opfer fielen.

In der Innenstadt von Kairo sind einige im Hausmann-Stil errichtete Gebäude aus der Kolonialzeit verfallen. Erst als vor fünf Jahren Ibrahim Mahlab, ein Bauingenieur und Architektur-Liebhaber, Regierungschef Ägyptens wurde, änderte sich etwas. Er sorgte dafür, dass bis heute gut die Hälfte der französisch anmutenden Gebäude saniert wurden - zumindest von außen. Doch die Amtszeit von Mahlab dauerte nur ein Jahr. Wahrscheinlich stehen auch deshalb in ganz Ägypten nur 680 Gebäude unter Denkmalschutz.

Björn Blaschke, Leiter ARD-Hörfunkstudio Kairo

Italien: Denkmalschutz als Teil der Verfassung

Eine Straße im Archäologischen Park Pompeji mit Blick auf den Vesuv © picture alliance/Lena Klimkeit/dpa
Denkmalschutz steht in Italien sogar in der Verfassung. Dennoch hat der Staat nicht immer genügend Geld, um historischen Stätten zu erhalten.

In Italien ist Denkmalschutz von höchster Bedeutung. Schließlich hat der "Schutz des historischen und künstlerischen Erbes" in Rom sogar Verfassungsrang. In Artikel 9 wird der Staat dazu verpflichtet, sich um seine Denkmäler zu kümmern. Jede Regierung der vergangenen Jahre hatte ein eigenes Ministerium für Kulturgüter. Auch das europäische Zentrum für die Berufe der Denkmalspflege liegt in Italien.

Das Land ist stolz auf seine Geschichte und seinen Reichtum an Denkmälern. Immer wieder wird in Rom darauf verwiesen, dass es in keinem anderen Land der Welt mehr Stätten gibt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, als in Italien. Aber wer an dieser schillernden Oberfläche kratzt, der merkt schnell, dass die Wirklichkeit nicht so glänzend ist. Gemessen an der Wirtschaftskraft liegt Italien bei den öffentlichen Ausgaben für Kultur, zu denen die Erhaltung der Denkmäler gehört, europaweit an vorletzter Stelle.

Als Teile der Ausgrabungsstätte Pompeji vor einigen Jahren einstürzten, wunderte dies Kenner der italienischen Kulturszene nicht. Nicht selten sind es private Sponsoren oder Firmen und deren Stiftungen, die dafür sorgen, dass das nötige Geld für Restaurierungen dann doch zusammenkommt. Unter Marketing-Gesichtspunkten eine kluge Investition, denn das Pflege von Denkmälern wichtig ist, würde jeder Italiener unterschreiben.

Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunkstudio Rom

USA: Jackie Kennedy trieb Denkmalschutz voran

New Yorks Bürgermeister Fiorello H. La Guardia begrüßt US-Präsident Franklin D. Roosevelt. © picture alliance / AP Images
Die Penn Station entstand durch den Bau der ersten Untertunnelung des Hudson Rivers. 1934 besucht US-Präsident Franklin D. Roosevelt den Bahnhof.

In den USA rückte der Denkmalschutz erst in den 1960er-Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit. Damals waren historische Stätten - wie die Bahnhofshalle der Penn Station in New York - bereits zerstört. Als First Lady verschrieb sich Jackie Kennedy dem Thema Denkmalschutz. Sie sagte: "Wenn wir uns nicht um unsere Vergangenheit kümmern, können wir nicht viel Hoffnung in die Zukunft haben."

Der Historic Preservation Act von 1966 erlaubt der US-Regierung, Orte unter Schutz zu stellen, die von historischer, architektonischer oder kultureller Bedeutung sind. Zusätzlich verabschiedeten auch die einzelnen Bundesstaaten Gesetze zum Denkmalschutz. Mittel für den Erhalt und die Pflege historischer Stätten kommen häufig auch von privaten Initiativen oder Stiftungen.

Besitzer von denkmalgeschützten Häusern sind dazu angehalten, bestimmte Regeln zu beachten. Umbauten oder Renovierungen müssen häufig behördlich genehmigt werden. Häuser sollen dann etwa ihre ursprüngliche Farbe oder einen bestimmten Stil von Fenstern und Türen erhalten. Nicht immer gibt es in den USA Einigkeit darüber, welche Stätten als schützenswert gelten. Kritiker bemängeln, dass der Denkmalschutz missbraucht werde, um neue Bauprojekte zu verhindern.

Sebastian Schreiber, Juniorkorrespondent im ARD-Studio Washington.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kultur | 27.06.2019 | 06:40 Uhr

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