Ein Mann mit grauen Haaren und blauem Anzug hat ein Mikrofon vor dem Mund © picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand/dpa Foto: Karl-Josef Hildenbrand
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Ein Mann mit grauen Haaren und blauem Anzug hat ein Mikrofon vor dem Mund © picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand/dpa Foto: Karl-Josef Hildenbrand
AUDIO: Münchner Lach- und Schießgesellschaft vor dem Aus? (4 Min)

Zukunft der Münchner Lach- und Schießgesellschaft ungewiss

Stand: 15.02.2023 10:17 Uhr

Live-Kabarett hat es derzeit schwer. Das Hamburger Polittbüro schloss im vergangenen Jahr nach 19 Jahren. Nun steht die Münchner Lach- und Schießgesellschaft vor einer Zerreißprobe.

von Christoph Leibold

Interne Machtkämpfe sowie das Ringen um ein Angebot, das auch finanziell funktioniert: Diese Probleme stellen die traditionsreiche Institution, die 1956 von Kabarettist Dieter Hildebrandt (1927- 2013) mitgegründet wurde, derzeit vor große Herausforderungen. In einer Pressemitteilung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft vom 13. Februar heißt es, die Mehrheit der Gesellschafter habe sich entschlossen, "den Spielbetrieb bis auf Weiteres einzustellen".

Gesellschafter Jonas und Hanitzsch zerstritten

"Die Lach- und Schießgesellschaft ist eine Institution in München. Der Stadt würde etwas fehlen, wenn es sie nicht mehr geben würde", erklärt Anton Biebl, besorgter Kulturreferent der Stadt. Dass das Ende der legendären Kabarettbühne in der Haimhauser Straße im Münchner Stadtteil Schwabing ein herber Verlust wäre, würden auch diejenigen so sehen, die die Lach- und Schießgesellschaft überhaupt erst in die gegenwärtig missliche Lage gebracht haben. Dazu gehören vor allem die zerstrittenen Gesellschafter Bruno Jonas und Stefan Hanitzsch.

Eine weitere Rolle spielt Leila Montana Nöth. Jonas hatte Hanitzsch mit Hilfe von Nöths Stimme Ende vergangenen Jahres als Geschäftsführer abgesetzt. Als Gesellschafter ist der Sohn des Karikaturisten Dieter Hanitzsch aber weiterhin im Amt. Dass sich die Streitparteien noch einmal zusammenraufen werden, darf allerdings bezweifelt werden. Hinter den Kulissen sprechen die Anwälte.

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Differenzen über künstlerische Ausrichtung

Offenkundig gab es Differenzen in Bezug auf die künstlerische Ausrichtung und Streit darüber, wie die kleine Kabarettbühne angesichts einer Publikumskapazität von um die 100 Personen profitabel zu führen sein könnte. Der Umsatz allerdings sei beim "Laden", wie die "Lach & Schieß" in der Kabarettszene liebevoll genannt wird, nie das Entscheidende gewesen, gibt Till Hofmann zu bedenken. Er war bis Herbst 2021 selbst einer der Gesellschafter und Hanitzschs Vorgänger als Geschäftsführer.

"Die 'Lach & Schieß' mit 100 Plätzen ist zwar eine relativ kleine Bühne, aber trotzdem eine gewichtige. Allein die Tatsache, dass nicht jeder Künstler über 100 Leute zieht und qualitativ trotzdem sehr gut ist, macht den Laden für die Szene unverzichtbar. Ganz viele können gar nicht in München auftreten, wenn es diesen Raum nicht gibt", erklärt Hofmann.

Mit Hofmann verlassen Kabarettisten den "Laden"

Ein Mann mit grauen Haaren und blauem Anzug hat ein Mikrofon vor dem Mund © picture alliance/dpa Foto: Peter Kneffel
Bruno Jonas, derzeit Gesellschafter der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, hat sich mit zahlreichen Mitstreitern überworfen.

Hofmann führte die Lach- und Schießgesellschaft im Verbund, unter anderem mit dem Münchner Lustspielhaus. Das schaffte Synergien, zum Beispiel bei Pressearbeit und im technischen Bereich, und sorgte so für finanzielle Entlastung. Aber schon mit Hofmann überwarf sich Bruno Jonas. Mit Hofmanns Ausstieg fielen dann nicht nur die Synergieeffekte weg. Viele Kabarettisten hielten ihm die Treue. Severin Groebner zum Beispiel brachte über Jahre und bis 2021 sämtliche neue Kabarettprogramme in der Lach- und Schießgesellschaft heraus.

Groebners jüngste Premiere jedoch im vergangenen Monat fand im Lustspielhaus statt. "So ein Haus ist für einen Künstler nicht nur deshalb künstlerisches Zuhause, weil die Scheinwerfer so hängen, wie sie hängen, sondern vor allem wegen der Menschen, die da arbeiten. Wenn man sich nicht zu Hause fühlt, dann hilft auch die ganze Geschichte des schönen Ladens nicht", findet Groebner.

Vorwurf: Bruno Jonas kein Teamplayer

Eine Äußerung, die durchaus zu anderen Stimmen aus der Kabarettszene passt, in der Bruno Jonas keinen ungeteilt guten Ruf genießt. Neben seinem Ego habe wenig Platz, erzählen manche hinter vorgehaltener Hand. Gut möglich, dass Jonas' Zerwürfnisse erst mit Hofmann, dann mit Hanitzsch auch damit zu tun haben. Über Quereinsteiger Hanitzsch wiederum heißt es, ihm fehle als Kabarett-Programmmacher die Erfahrung. Ob seine Pläne, die Lach- und Schieß mit Podcasts und Streaming-Angeboten finanziell auf Kurs zu bringen, fruchten könnten, lässt sich schwer beurteilen.

Einstellung des Spielbetriebs als taktisches Manöver?

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Bis jetzt war von Hanitzsch' Plänen noch nichts zu hören oder zu sehen. Offenbar, weil sich Jonas und Hanitzsch in einem Machtkampf gegenseitig blockieren. Dass Jonas den Spielbetrieb bis auf weiteres eingestellt und angekündigt hat, er lasse prüfen, ob ein Insolvenzantrag gestellt werden müsse, könnte auch taktisches Manöver sein, um Hanitzsch zu drängen, seinen Posten als Gesellschafter zu räumen.

Der aber will hartnäckig weiter für die Zukunft der Münchner Lach- und Schießgesellschaft kämpfen. "Ich glaube an das Konzept, für das ich angetreten bin. Außerdem ist es dieser Laden auch Wert, erhalten zu werden, und zwar hier in der Haimhauserstraße, nicht irgendwo anders oder nicht als nur Markenname, der dann vielleicht zum Spekulationsobjekt verkommt", so die Haltung von Hanitzsch.

Münchner Kulturreferat greift ein

Der Krach hat nun auch das Münchner Kulturreferat auf den Plan gerufen, das die Lach- und Schießgesellschaft anders als andere Kabarettbühnen der Stadt seit Kurzem finanziell fördert. Der Grund ist natürlich die historische Ausnahmestellung des ruhmreichen Hauses. Kulturreferent Anton Biebl will sich denn auch als Vermittler zwischen den Konfliktparteien einbringen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 15.02.2023 | 11:40 Uhr

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