"Schlachtensee"-Lesung mit Helene Hegemann: Temporeich und huschig
"Schlachtensee" heißt das neue Buch von Helene Hegemann. Die 30-Jährige ist als gestandene Schriftstellerin ins Literaturhaus Hannover gekommen. Es war eine von lediglich fünf Lesungen zum aktuellen Buch.
"Schlachtensee" sind 15 Geschichten, Episoden, Stories. Wir können jetzt über die Personen in diesen 15 Geschichten sprechen - wie sie auf der Suche sind, manche verzweifelt, wie wenig liebevoll sie mit sich umgehen, wir können über die Drogen sprechen, die sie nehmen. Über das Düstere. Doch Helene Hegemann ist da anderer Meinung: "Ich empfinde es ja gar nicht als so düster. Ich empfinde es eher als Plädoyer für das Helle, in den nicht so wirklich erwartbarsten Momenten."
Wir können darüber sprechen, dass Helene Hegemann für ihr Buch einen Anti-Titel gesucht hat - einen "Titel vermeiden wollte", wie sie sagt - und dann auf Schlachtensee kam. Ein "gigantisches Wort", wie sie findet: "Ich finde das verbindet die Elemente, die da vorrangig zum Tragen kommen, innerhalb des Buches. Nämlich irgendwie dieses Brutale und das Idyllische in einem guten dialektischen Verhältnis."
Helene Hegemann liest temporeich und "huschig"
Oder wir sprechen darüber, dass Helene Hegemann auch eine Romantikerin ist. Oder dass ihr Buch handschriftlich entstanden ist, wie sie erzählt: "Es ist immer extrem gut, wenn ein bisschen körperlicher, zeitmäßiger Aufwand zwischen dem Gedanken und der Niederschrift liegen. Das ist, glaube ich, auch auf andere Phänomene im menschlichen Leben total übertragbar."
Am liebsten wollen wir sie aber hören, wie sie ihre eigenen Geschichten liest. Temporeich und irgendwie schnoddrig tut sie das. Keine überhebliche Schnoddrigkeit, eher eine emanzipatorische, eine gefestigte Schnoddrigkeit. Moderator Joachim Dicks findet für ihre Art zu Lesen das Wort huschig. Das gefällt Helene Hegemann. Damit kann sie viel anfangen: "Wahrscheinlich muss man das tatsächlich auch so lesen. Man muss hinweggehen über die vermeintlichen Extreme, die da plötzlich immer so aufploppen und die gleichberechtigt mit allem anderen verstehen, weil es sonst zu bewertend wird. Dann habe ich selber die Erfahrungen gemacht: Dafür sind die Texte nicht so gut geeignet, leider Gottes." Ihre Texte seien nicht so gut geeignet, anders gelesen zu werden als huschig.
Zum Finale ein paar Peinlichkeiten
Helene Hegemann spricht an diesem Abend auch mehrmals davon, dass ihr etwas peinlich sei oder unangenehm. Passt das zu dieser emanzipierten Schnoddrigkeit? Wer sitzt da vor uns? Antwortversuche kommen von den Gästen: "Helene Hegemann versucht, meiner Meinung nach, interessante Wege zu gehen, keine Stereotype zu bedienen." Zum Finale beendet dann Hegemann ihre Lesepassage mit diesem Satz: "… so, und jetzt lasse ich die entscheidende Stelle weg, weil es mir wirklich zu peinlich ist. Dankeschön." Ihr braucht an diesem Abend nichts peinlich zu sein.
Die Lesung mit Helene Hegemann hören Sie am 16. Oktober bei NDR Kultur im Sonntagsstudio, ab 20 Uhr.