Auschwitz-Überlebende Trude Simonsohn: "Kein Talent zum Hassen"
Am Internationalen Holocaust-Gedenktag wird der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 gedacht. 78 Jahre später erscheinen noch immer Bücher, die das Grauen von damals wieder lebendig werden lassen.
2015 ist das Buch der Holocaust-Überlebenden Trude Simonsohn erschienen. "Fragt uns, wir sind die letzten" war das Motto ihres Lebens.
"Der erste Impuls war, dass ich sehr froh war, dass Menschen wissen wollen. Und junge Menschen wollen wissen. Und im Laufe der Zeit, als ich das schon länger gemacht hab, ist es für mich klar geworden, dass es für mich eine conditio sine qua non ist… gegenüber den Toten", sagt Trude Simonsohn.
Vorträgen über die Verbrechen der Nazis an den Juden
In den 1970er-Jahren des 20. Jahrhunderts begann sie vor Schulklassen, in Vereinen und anderen Institutionen über die Verbrechen der Nazis an den Juden zu sprechen. Geboren wurde sie am 25. März 1921 in Olmütz und verlebte dort eine glückliche Kindheit. Es ist das Kraftreservoir, aus dem sie ihr Leben lang schöpfte. Der aggressive Antisemitismus kam vergleichsweise spät in der Tschechoslowakei an, mit Wucht erst mit dem Einmarsch der Deutschen im März 1939. Und im Sommer 1942 starb der "Schlächter von Prag", Reinhard Heydrich, bei einem Attentat.
Verhaftung und Tod der Eltern
"In dieser sogenannten Heydrich-Affäre wurde ich auf einem Gut in Böhmen verhaftet, ohne dass man mir sagte, wessen ich eigentlich angeklagt war. Und eine Woche später ist meine Mutter nach Theresienstadt deportiert worden. Mein Vater ist am 1. September 1939 verhaftet worden, nach Buchenwald gekommen, später nach Dachau, und als ich im Gefängnis war, habe ich die Todesnachricht von meinem Vater bekommen", erzählt Trude Simonsohn. Trude, die aus einer nicht-religiösen, jüdischen und zionistischen Familie stammte, engagierte sich in der zionistischen Jugendbewegung Hachschara. Als sie verboten wurde, drohte großes Unheil.
Zeit in Auswitz: "Ohnmacht der Seele"
"Ich muss sagen, dass ich keine Vorstellung hatte, was eigentlich KZ ist. Ich wusste, es ist was Schlimmes, aber wenn man jung ist und auch Mut hat, haben wir gesagt, wir werden selbstverständlich illegal weiterarbeiten, was mir nachher zum Verhängnis wurde", so Simonsohn. Zwei Momente in ihrem Leben beschrieb Trude Simonsohn bis zu ihrem Lebensende als über alle Maßen schrecklich: Als sie, mutterseelenallein im Gefängnis, die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhielt und die wenigen Monate in Auschwitz. In ihren Lebenserinnerungen fehlen diese Zeiten. Sie nennt es eine "Ohnmacht der Seele". "Und dann habe ich mir das so erklärt: Wenn man ganz große körperliche Schmerzen hat, hat man ein Glück, wenn man ohnmächtig wird. Und ich denke, dass auch eine Seele ohnmächtig werden kann, dass sie nichts mehr weiß."
Ein Leben in der Schweiz, in Hamburg und in Frankfurt am Main
"Aber wenn sie das Wenige, das sie noch erinnerte, erzählte, dann war sie vollkommen verstört, deshalb war es immer gut, wenn jemand dabei war. Und andererseits hat es ihr unendlich Freude gemacht, weil sie hat sich sehr für all die Leute, denen sie begegnet ist, interessiert", sagt die Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Abendroth, mit der sie zusammen ihre Lebenserinnerungen geschrieben hat, Titel: "Noch ein Glück". Darin beschreibt sie voller Wärme und Vitalität, ja sogar Humor, ihr Leben, das, ja, auch sehr glücklich war. Sie fand nach der Befreiung ihren Mann wieder, den Juristen und Sozialpädagogen Berthold Simonsohn, den sie im Ghetto Theresienstadt kennen gelernt hatte. Gemeinsam bauten sie sich ein Leben auf, fanden nach Stationen in der Schweiz und in Hamburg, wo ein Sohn geboren wurde, eine Heimat in Frankfurt am Main.
Trude Simonsohn: "Kein Talent zum Hassen"
Heute nennt man die innere Kraft, die den Menschen aufrecht hält, "Resilienz". Trude Simonsohn sagt von sich, sie habe "kein Talent zum Hassen". Vielfach geehrt, stellte sie ihr gesamtes Leben in den Dienst der Verständigung zwischen den Religionen und den Generationen. Mit über 100 Jahren ist sie im Januar 2022 gestorben. "Trude war ein Mensch, der die Menschen geliebt hat, und das Glück strahlte ihr aus den Augen bis zum Schluss, aber ich habe auch sehr verzweifelte Momente von ihr miterlebt", so Elisabeth Abendroth.