Akira Toriyama, in einer Aufnahme von 1982 © picture alliance/dpa/Kyodo News/AP

Japans berühmtester Manga-Zeichner Akira Toriyama gestorben

Stand: 08.03.2024 16:55 Uhr

Akira Toriyama ist mit "Dragon Ball" weltberühmt geworden. Nun ist er im Alter von 68 Jahren gestorben. Jo Kaps, Experte für japanische Comics und Chef beim Hamburger Verlag altraverse, erzählt im Interview, was Toriyamas Geschichten so besonders macht.

Herr Kaps, wer war Akira Toriyama?

Jo Kaps: Akira Toriyama war vor allem bekannt für seine Serie "Dragon Ball", die dazu beigetragen hat, dass die japanische Comic-Kultur ihren Weg in alle anderen Länder der Welt geschafft hat. Wenn man alles zusammenzählt, ist die Serie eines der meistverkauften Bücher der Welt überhaupt. Allein in Japan sind inzwischen über 170 Millionen Exemplare verkauft worden, in Deutschland weit über zehn Millionen. Dass Mangas überhaupt auf die europäischen oder amerikanischen Märkte gekommen sind, wäre ohne "Dragon Ball" nie denkbar gewesen ist.

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Was ist das für ein Kosmos, den Akira Toriyama da hinterlassen hat?

Kaps: "Dragon Ball" ist ein modernes Märchen, aber mit sehr viel mehr Tempo, Action und verrückter als die klassischen Märchen - wobei so unverrückt die alten Märchen ja gar nicht sind. Wir haben eine Welt, in der sich ein kleiner Junge mit einigen Gefährten auf die Reise macht, um die sieben magischen Drachenkugeln zu suchen, mit deren Hilfe man den Drachen Shenlong heraufbeschwören kann - und der erfüllt alle Wünsche, die man sich nur vorstellen kann. Witzigerweise wird Shenlong bereits sehr am Anfang der Serie zusammengerufen - "Dragon Ball" hat es am Ende auf 42 Taschenbücher gebracht. Man merkt aber auch, dass es auf Dauer eigentlich um etwas anderes geht, nämlich ein buntes Arsenal von Figuren, ihre Beziehungen zueinander und die Entwicklung von Charakteren. In "Dragon Ball", wie in vielen anderen Mangas, passierten dadurch Dinge, die man aus Comics nicht kannte: dass Charaktere sich entwickeln, dass sie Familien gründen, dass sie sogar sterben können. All diese Dinge haben dazu beigetragen, warum dieser Kosmos für junge Leser so viel faszinierender war als das, was man früher in Comics erzählt hat.

Was wir in Europa von japanischer Kultur kennen, reicht meistens nur in Spezialkreise herein. Warum ist ausgerechnet diese Kunstform zu so einer internationalen geworden?

Kaps: Ich glaube, das hat sehr viel damit zu tun, dass sich kulturelle Veränderungen immer sehr viel leichter durchsetzen können, wenn sie jugendliches Publikum ansprechen. Wenn wir mal an die Geschichte der Popmusik denken: Es gab auch mal Zeiten, wo Paul McCartney ein echter Elternschreck war und junge Leute trotzdem diese Musik der Beatles großartig fanden. Mangas hatten einen ähnlichen Hintergrund: dass die jungen Leser - ohne ein festes Arsenal von Vorstellungen, was Kultur darf, soll oder muss - sich viel unbefangener solchen Themen öffnen und dadurch diese für Kinder und Jugendliche konzipierten Geschichten eine ganz andere Form von Türöffner für japanischer Kultur sein konnten als manch andere Formen.

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Gerade in dieser Szene gibt es so etwas wie Fan-Fiction, also Kunstprodukte, die von den Konsumenten selbst geschaffen werden. Könnte es sein, dass der Kosmos "Dragon Ball" auch ohne Akira Toriyama weiterlebt?

Kaps: Dafür hat er tatsächlich selbst noch gesorgt: Akira Toriyama hat vor einigen Jahren erlaubt, dass ein junger Autor, der seinen Stil lange studiert hat, seine Geschichte in einer weiteren Reihe fortführen durfte. Er hat an der Konzeption dieser Nachfolgeserie mitgearbeitet und auch die Türen dafür geöffnet, dass seine Figuren sich bis in die Unendlichkeit weiterentwickeln dürfen. Er hat zudem an vielen anderen Projekten mitgearbeitet, die noch auf uns zukommen. Es gab mal eine Kurzgeschichte von ihm, "Sandland", gerade ist auch eine Animationsserie für Disney entstanden, an der er auch noch beteiligt war. Seine Idee von Figuren, seine Art, diese Figuren zu gestalten, das hat sehr gute Chancen, fortzubestehen. Bis in die heutige Zeit hinein ist "Dragon Ball" in Deutschland immer noch eine der erfolgreichsten zehn Serien, die auf dem Markt sind, und wird gekauft, gekauft, gekauft, obwohl sie nun schon vor fast 30 Jahren Premiere gefeiert hat.

Sie haben Akira Toriyama mal getroffen - was ist er für ein Typ gewesen?

Kaps: In meinen früheren Zeiten war ich Redakteur bei Carlsen und habe an der Serie gearbeitet. So haben wir uns mal in Tokio auf einer Convention getroffen, und es war faszinierend, dass dieser Mensch, der so viel verändert hat in dieser kleinen Bubble des Manga-Universums, selber ein extrem zurückhaltender, bescheidener, ruhiger Mensch war, mit sehr schlichten und einfachen Interessen. Er hat nie 'raushängen lassen, dass er für viele in dieser Szene ein Superstar war, sondern eher das Gegenteil. Man hätte ihn vermutlich, wenn man ihm auf der Straße begegnet wäre, nicht erkannt - so unscheinbar und scheu war er.

Das Interview führte Mischa Kreiskott.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal Gespräch | 08.03.2024 | 17:30 Uhr

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