Anna Depenbusch © NDR Foto: Marco Peter

Interview mit Anna Depenbusch: Was macht einen guten Songtext aus?

Stand: 02.11.2022 16:30 Uhr

Die Liedermacherin Anna Depenbusch erzählt im Interview, was für sie wichtig ist, wenn sie einen guten Song schreiben möchte. Außerdem verrät sie, welche Themen sie derzeit beschäftigen.

Was macht für Dich einen guten Songtext aus?

Anna Depenbusch: Ich performe die Songs auch selber - das heißt, sie müssen zu mir passen. Ich könnte nicht alles singen. Ich habe auch das Gefühl, dass Songtexte immer auf eine gewisse Zeit fallen, es muss auch etwas mit Zeitgeist zu tun haben - vielleicht aber auch nicht. Für mich macht einen guten Text aus, dass er authentisch, überraschend und handwerklich gut gemacht ist.

Wie gehst Du es an, wenn Du einen Song schreiben willst? Hast Du erst mal eine grobe Idee im Kopf? Gehst Du durch die Straßen und suchst Dir Themen?

Depenbusch: Ja, das kann schon passieren. Es ist immer so ein Wechselspiel: aus dem Bauch heraus und dann mit dem Kopf das alles noch einmal überprüfen. Es gibt meistens so ein Gefühl, wo ich denke: Darüber würde ich gern mal schreiben, das brennt mir auf der Seele oder das wird mir Spaß bringen. Dann fange ich an, mir darüber Gedanken zu machen und dann muss ich wirklich ran an die Arbeit. Ich habe ein Musikzimmer, wo ich meine Alben aufnehme, und da geht die Arbeit los. Aber die erste Idee ist emotional.

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Kommt erst die Musik oder erst der Text? Oder beides parallel?

Depenbusch: Im besten Falle beides parallel, weil sich das so eigenartig miteinander bedingt. Ein Wort kann ganz anders wirken mit einem anderen Akkord darunter. Das macht den Reiz aus, dass man merkt, dass das eine eigentlich nicht ohne das andere geht. Aber ich könnte mir auch vorstellen, dass andere Singer-Songwriter das anders machen. Die denken auch viel eher in Gedichten, sodass man ihre Texte von der Musik entkoppeln könnte. Der Meinung bin ich bei mir nicht, das gehört zusammen. Ich schreibe die Lieder am Klavier und probiere es direkt aus. Es sind keine Texte, die ich dann vertone.

Man hat ja beim Text einmal den Inhalt, den man transportieren will, und dann die Form, in die das Ganze gegossen wird. Wenn ich als Laie einen Song schreiben wollte, würde ich eine Zeile schreiben und schauen, was sich darauf reimt. Macht man das so?

Depenbusch: Das ist schon mal gar nicht so schlecht. Es gibt handwerkliche Tricks, wie etwa ein Reimlexikon. Das würden wir aufschlagen und uns die letzte Silbe angucken. So könnte man es machen. Es ist interessant, weil man manchmal die Form auch brechen muss, damit es überraschend bleibt, damit es nicht so klischeehaft ist. Diesen schmalen Grat für sich zu finden, ist das, was es ausmacht.

Du hast gesagt, dass der Zeitgeist immer eine Rolle spielt. Musik hat vor 20 Jahren anders geklungen als heute. Aber wie ist es mit dem Text? Ist ein Text von vor 20 Jahren automatisch auch ein ganz anderer als ein heutiger?

Depenbusch: Ja, bestimmt. Bei Liedermachern, die politische Themen besungen haben, hatte das natürlich einen ganz anderen Zeitbezug, als wenn man über die Liebe singt, die immer irgendwo gleich bleibt - diese Sehnsucht oder Verlustängste. Es gibt wirklich ein paar Themen, die sich vielleicht gar nicht so sehr verändern, aber da muss man von Fall zu Fall gucken: Wie klingt ein Song? Wo kommt der Autor oder die Autorin her? Was hat die sonst so gesungen?

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Texten Frauen anders als Männer? Wird vielleicht von weiblichen Texterinnen ein anderer Ansatzpunkt erwartet? Dass es zum Beispiel emotionaler sein muss? Oder ist das Quatsch?

Depenbusch: Ich glaube, das ist eher Quatsch. Die Herausforderung ist immer, authentisch zu sein. Als Frau hast du eine andere Perspektive als als Mann. Das muss mit reinfließen. Man guckt: Was sind jetzt die Themen, die Frauen bewegen? Was die Probleme? Und dann wird es wahrscheinlich eine andere Perspektive sein.

Welche Themen beschäftigen dich gerade? Woran arbeitest Du gerade?

Depenbusch: Ich habe gerade ein Faible für naturwissenschaftliche Themen, das begeistert mich einfach. Ich habe auch den Eindruck, dass je tiefer ich da eintauche, umso größer wird der Horizont und dieser ganze Kosmos, der sich auftut. Ich merke, dass es mir auch Spaß bringt, über solche Themen im Nachhinein zu sprechen. Ich habe für das letzte Album das Lied "Eisvogelfrau" geschrieben, was einer Mathematikerin gewidmet ist, und mir macht es total Spaß, dann auch darüber zu sprechen. Die Leute fragen dann, wie ich auf diese Mathematikerin komme, und das finde ich toll. Es könnte auch sein, dass ich das im Blick behalte und überlege, worüber ich bei der Promotion-Phase des nächsten Albums Lust hätte, zu sprechen. Das reizt mich.

Das Gespräch führte Jan Wiedemann.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 02.11.2022 | 16:30 Uhr

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