Der Lehrer Bob Blume © picture alliance/dpa Foto: Philipp von Ditfurth
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AUDIO: Bob Blume: Wie umgehen mit Antisemitismus an Schulen? (6 Min)

Bob Blume: Wie umgehen mit Antisemitismus an Schulen?

Stand: 03.11.2023 09:02 Uhr

Bei Kindern kommen Nachrichten aus dem Nahost-Konflikt oft ungefiltert an und es kommt verstärkt zu antisemitistischen Vorfällen an Schulen. Wie kann darauf reagiert werden? Lehrer und Blogger Bob Blume weiß, wie digitale Bildung funktionieren kann.

Seit vier Wochen müssen wir dem Krieg in Nahost zwischen Israel und der Terrorgruppe Hamas schon zuschauen. Viele Kinder und Jugendliche sind vor Ort schwer betroffen von Gewalt, Tod und katastrophalen Zuständen. Und auch bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland kommen die Nachrichten davon an - oft ungefiltert oder ideologisch gefärbt. Wie können Eltern, Lehrer und Lehrerinnen oder andere Bezugspersonen damit umgehen? Bob Blume ist selbst Lehrer an einem Gymnasium in Süddeutschland, außerdem Autor, Blogger und Podcaster und beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um digitale Bildung

Wie gehen Sie an Ihrer Schule mit dem Thema um? Sprechen Sie sich da ab im Kollegium oder macht das jeder Lehrer, jede Lehrerin individuell und nach Situation?

Bob Blume: Ich würde sagen, in dem Fall beides. Wir haben einen Messenger-Kanal, in dem wir die neuesten Themen austauschen und darauf hinweisen, wenn es zum Beispiel wieder gutes Informationsmaterial gibt. Es ist aber nicht so, dass wir innerhalb dieser Kürze der Zeit jetzt ein Curriculum aufgebaut haben. Ich selbst habe das Thema angesprochen. Allerdings habe ich danach mit einer Nahost-Expertin gesprochen, die gesagt hat: Material reinwerfen und das Thema einfach so aufgreifen ist vielleicht gar nicht die richtige Strategie.

Sie sagen, Sie haben einen Messenger-Kanal, das heißt, Sie informieren Ihre Schüler und Schülerinnen auch über Social Media? Wie kann ich mir das vorstellen?

Blume: Nein, das ist ein Messenger-Kanal, der zur internen Kommunikation von den Lehrkräften dient. Allerdings geht natürlich auch etwas nach draußen. Wir haben schon auch einen Kanal, der dann bei Eltern und Schülern bewusster ankommt. Aber der ist jetzt damit nicht gemeint.

Manche Schulen berichten davon, dass es in den letzten Wochen verstärkt antisemitische Vorfälle gegeben hat oder dass jüdische Eltern sogar Sorge haben, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Wie kann eine Schule darauf sinnvoll reagieren?

Blume: Ich glaube, das ist genau der Punkt. Schulen sind einfach Kulminationspunkte für die verschiedensten Ansichten, die es gibt. Das hat ja mit einer sehr langen Sozialisation zu tun. Und eben auch, Sie haben es angesprochen, mit Falschmeldungen oder verzerrten Nachrichten aus dem Internet. Ganz wichtig ist für die Schulen, dass man eben nicht den Fehler begeht und versucht, in die eine oder die andere Art zu missionieren, sondern sich überlegt, wie man Raum geben kann für Austausch und Meinungsäußerungen, aber auch die Türen offen lässt für eine bestehende Beziehung. Denn ich glaube, das Schlechteste, was passieren kann, ist, wenn sich Schülerinnen und Schüler auf beiden Seiten so in die Ecke gedrängt fühlen würden, dass sie das Gefühl haben, sie können nicht mehr in die Schule gehen.

Wie kann denn so etwas aussehen an der Schule?

Blume: Das kann entweder so aussehen, dass man wirklich eine Stunde einrichtet - im besten Fall natürlich über Kolleginnen und Kollegen, die in dem Fall ein spezielles Wissen haben, ein Themenwissen oder auch ein Wissen, wo es um Umgang geht, also Vertrauenslehrer. Oder sogar, wenn es eine Art von Sprechstunde gibt. Das habe ich auch schon mitbekommen, dass es eben spezielle Stunden gibt, wo man sich in kleineren Gruppen austauschen kann. Denn oftmals ist das Problem ja, dass man sich in einer Klasse von 30 Schülerinnen und Schülern, wie sie heutzutage nicht selten sind, auch nicht frei fühlt, über alles zu sprechen, was einen wirklich beschäftigt.

Wir haben es gerade schon kurz gestreift: Die meisten Jugendlichen bekommen ihre Nachrichtenvielfalt und auch ihr Weltbild über soziale Medien. Da sind die Berichte oft nicht sachlich, auch nicht neutral. Wie kann man da einen kritischen Umgang beibringen?

Blume: Das ist ein ganz zentraler Punkt. Denn das ist ja nicht erst seit dem Nahost-Konflikt beziehungsweise nach dem Terror der Hamas das Problem, sondern auch schon vor einem Jahr im Ukraine-Krieg. Und auch schon davor wissen wir, dass die Nachrichtenkanäle vielleicht nach eigenem Wunsch und vielleicht auch nach Unterhaltungswert ausgewählt werden. Das heißt, das ist etwas, wo wir in Schulen darüber nachdenken müssen, wie das Ganze funktionieren kann - über eine sehr langfristige Strategie, die auch nicht sagt, Medienbildung ist quasi abgehakt, indem man mal ein Stündchen im Deutschunterricht drüber spricht. Das betrifft quasi alle Fächer.

Gibt es denn positive Beispiele für Medien, die sich genau auf die Zielgruppe einstellen und diese auch mit sachlichen und einordnenden Informationen erreichen?

Blume: Ehrlich gesagt finde ich die positivsten Beispiele immer dort, wo sich auch etablierte Medien in die sozialen Netzwerke einschreiben, wo sie zulassen, dass man auf eine gewisse andere Art kommuniziert, um auch eine jüngere Zielgruppe zu erreichen. Die Tagesschau macht das zum Beispiel sehr gut, aber es gibt zahlreiche andere, die das auch machen. Von denjenigen, die Einzelkanäle haben, würde ich jetzt keinen herausheben. Da gibt es bestimmt auch gute Beispiele, aber da muss man immer vorsichtig sein. Denn da ist ja keine komplette Redaktion dahinter, sondern das sind oftmals Einzelpersonen, die das eben nach Gutdünken machen. Und das machen sie dann manchmal gut und manchmal schlecht. Aber gerade bei einem solchen Thema sollte man sehr vorsichtig sein.

Das Gespräch führte Franziska von Busse.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 03.11.2023 | 08:15 Uhr

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Rechtsextremismus

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