Kolumne: "Vertrauen im Verzicht"
Gletscherabbrüche, Dürrenotstand in Italien, Unwetter in Australien: Jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften. Die Folgen des Klimawandels sind katastrophal. Hilft als Ausweg nur radikaler Verzicht?
"Wir ziehen mit unserem täglichen Leben eine Spur der Verwüstung durch die Erde …" Den Satz von Wirtschaftsminister Robert Habeck hab ich immer noch im Ohr. Unser ressourcenintensiver Lebensstil verstärkt den Klimawandel, die Folgen sind längst spürbar. Wir wissen: Der Klimawandel fordert einen Wandel in unserer Gesellschaft, er fordert Verzicht. Und das ist schwierig. Allein über möglichen Verzicht zu sprechen, macht schon schlechte Laune.
Was daran liegen mag, dass es nicht um eine Fastenzeit à la "Sieben Wochen ohne" geht, eine überschaubare Zeit des heilsamen Weglassens und Ausprobierens. Dieser Verzicht wäre für immer. Da wird auch mir etwas mulmig.
Wird die Verzichtsdebatte zu negativ geführt?
Trotzdem ist mir die aktuelle Verzichtsdebatte - die auch durch den Krieg in der Ukraine wieder an Fahrt aufgenommen hat - zu einseitig. Sie konzentriert sich allein aufs Abschiednehmen von liebgewonnenen Gewohnheiten. Dabei kommt zu kurz, was wir durch unseren Verzicht langfristig gewinnen könnten, zum Beispiel in Sachen Gesundheit, Gemeinschaft, Tierwohl, Zeit und Sinn - und, dass das Leben dadurch möglicherweise nicht ärmer, sondern einfach anders und sogar reicher wird.
"In äußerer Beschränkung innere Freiheit entdecken"
Die Fastentraditionen der großen Weltreligionen lehren uns: Es geht beim Verzicht immer um Körper und Geist. In einer äußeren Beschränkung lässt sich innere Freiheit entdecken. Ich habe beim Fasten die Erfahrung gemacht, dass ich selbstverständlich Geglaubtes wieder viel stärker wahrnehmen und schätzen konnte. Oder nicht mal vermisst habe.
"Altes Loslassen und auf neue Wege vertrauen"

Was ich mir wünsche, in der Klimadebatte und darüber hinaus, ist so etwas wie Entdeckergeist. Dass wir unsere Sinne und unseren Kopf offen halten für das, was da an Gutem auf uns wartet. Dass wir Altes loslassen und den neuen Wegen vertrauen. So wie der Stammvater Abraham, dem Gott im Alten Testament eine große Verheißung macht. "Geh hinaus in ein Land, das ich dir zeigen werde", sagt er zu ihm. Bestimmt haben Abraham, seine Frau Sara und die ganze Familie zuerst gezögert, aber sie machen sich auf den Weg, lassen ihre vertraute Umgebung und die eigene Bequemlichkeit zurück. Sie brechen auf. So ein Vertrauen wünsche ich mir.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.
