Eine Rötelmaus nagt an einem Apfel. © Dirk Schieder Foto: Dirk Schieder

Das Kirchenlexikon - Arm wie eine Kirchenmaus

Stand: 12.10.2022 09:30 Uhr

In einer Kirche finden sich bestenfalls Oblaten und Messwein. Vermutlich erklärt sich so die Redewendung von der "armen Kirchenmaus". Ein Negativ-Image haben Mäuse heute allerdings nicht mehr.

von Pastor Oliver Vorwald

Mäuschen sein? Das ginge wohl am besten auf einem stattlichen Bauernhof mit Scheune, Rauchfang und Speisekammer. Dort gibt es reichlich Korn, Schinken, Kuchen. In einer Kirche sieht das völlig anders aus. Hier finden sich bestenfalls ein paar Oblaten und etwas Messwein. Vermutlich erklärt sich so die Redewendung von der "armen Kirchenmaus". Dieser bildhafte Vergleich ist übrigens auch in Frankreich, Schottland und Russland geläufig, was für sein hohes Alter spricht. Im Roman "Der Spieler" von Fjodor Dostojewski spricht der Held: "Alles, was ich besitze, ist ihm verpfändet; ich bin arm wie eine Kirchenmaus!"

In der Literatur bringt die Maus Unheil

Die Kirchenmaus steht für Armut, ihre weltliche Verwandte spielt in der Literatur meist eine andere Rolle, gilt sie als Botin des Todes. Das Alte Testament zählt den kleinen Nager zu den unreinen Tieren, sein Erscheinen bedeutet Krieg und Krankheit. Im Märchen "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" nagt die Maus an einem Apfelbaum. Im Auftrag des Satans verhindert sie, dass die Zweige goldene Früchte tragen. Auf dieser Linie liegt auch die alte Legende vom Lübecker Rosenbaum. Dort nistet eine Maus im Wurzelwerk, zerstört den Stock und bringt großes Unglück über die stolze Hansestadt.

Negativ-Image der Maus gilt heute nicht mehr

Das negative Image von einst hat die Maus heute nicht. Sie ist der Star in Zeichentrickfilmen, im Kinderfernsehen und in Fantasy-Romanen. Die Maus gilt als niedlich, schlau, tapfer. Es heißt, sie trägt das Herz am rechten Fleck. Und in dieser Rolle erneuert die Maus die Pointe der David-Goliath-Geschichte: Wer klein ist, arm, schwach, kann dennoch einen Riesen zu Fall bringen. Denn Gott hat ein Herz für die Kleinen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 15.10.2022 | 09:15 Uhr

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