Wie politisch darf der Kirchentag und die Kirche sein?
Ist die Kirche zu politisch? Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat die Kirche mit einer NGO verglichen und darüber eine Debatte ausgelöst. Dabei ist die Kirche nicht erst seit heute politisch.
Jesus war politisch. Vieles, was er getan hat. Seine Gleichnisse haben die gesellschaftlichen Verhältnisse aufs Korn genommen, kritisiert. Da geht es um Kranke, Einsame, Schwache. Jesus gibt ihnen eine Stimme, holt sie in die Mitte der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Und er hatte ein Programm, einen Traum von einer gerechten Welt, die Bergpredigt.
"Selig sind, die Frieden stiften ... Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit ... Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen." Matthäus 5,1-11 i.A.
Schon die alten Propheten prangerten Misstände an
Auch die Propheten des alten Israel sind politisch gewesen. Sie prangerten Missstände an, Großmachtsfantasien; sie haben sich unerschrocken mit Königinnen und Königen angelegt, die Regierenden an ihre Fürsorgepflicht für die Menschen des Landes erinnert. Nicht nur die. Alle. Bauern, Priester, Händlerinnen, Tagelöhner, Wohlhabende.
"Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht's euch auch wohl." Jeremia 29,7
Kirche engagiert sich für Freiheit und Gleichberechtigung
In dieser Tradition steht die Kirche. Mitten im Leben. Sie engagiert sich für die Würde aller Menschen, für Ausgleich, für Freiheit, für Gleichberechtigung. Das ist politisch, aber nicht parteipolitisch. Manche sagen: Die Kirche soll sich besser um das Seelenheil kümmern. Das gehört dazu. Denn jede Seele lebt ja in einem Körper, hoffentlich viele Jahre in dieser Welt. Und auch hier soll es ihr gut gehen. Darum melden sich kirchliche Stimmen zu Wort: bei sozialer Ungerechtigkeit, zu Friedensfragen, für Menschen, die keine Lobby haben.
Bonhoeffer: "Kirche ist Kirche, wenn sie für andere da ist"
Der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat diese politische Aufgabe der Kirche 1944 in einem Brief so gefasst: "Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. Sie muss an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend."
Deshalb glaube ich: Kirche darf und sollte politisch sein - nicht um Parteipolitik zu machen, rechts oder links. Sondern um zu helfen, zu unterstützen, das Gemeinsame in der Gesellschaft zu stärken.
