Ewald Lienen vom FC St. Pauli trainiert im Rahmen des Resozialisierungsprojekts "Anstoß für ein neues Leben" mit jungen Strafgefangenen der JA Schleswig. © Carsten Kobow/DFB-Stiftung Sepp Herberger

Resozialisierung: St. Pauli und Lienen als Brückenbauer

Stand: 04.05.2022 13:43 Uhr

Mit dem Fußballprojekt "Anstoß für ein neues Leben" will der FC St. Pauli jungen Strafgefangenen in Schleswig beim Neustart helfen. Wertebotschafter Ewald Lienen ist das Gesicht der Aktion, das Engagement bereits preisgekrönt.

von Ines Bellinger und Matthias Dröge

"Habt ihr Ewald Lienen gesehen?" Wochenlang ist das Raunen in den Fluren der Jugendanstalt Schleswig zu hören, wenn die Vereins-Ikone des FC St. Pauli wieder in dem Gefängnis zu Besuch gewesen ist. Flanke, Kopfball, Tor sind dann tatsächlich mal die schönste Nebensache der Welt. Denn Lienen und dem Fußballclub vom Hamburger Kiez geht es vor allem darum, den jungen Strafgefangenen Brücken zu bauen, über die sie in ihr Leben nach dem Knast gelangen sollen. "Es geht darum, Anstöße zu bekommen, Hilfe zu bekommen", sagt Lienen dem NDR. "Das kriegst du nicht, wenn du dauernd vor die Wand guckst, sondern wenn du auch mal Impulse von außen bekommst."

St. Pauli mit Sepp-Herberger-Award ausgezeichnet

Etwa 130 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 16 und 24 Jahren verbüßen ihre Haftstrafen in der Jugendanstalt Schleswig. Einige davon kicken in der Mannschaft "Anstoß für ein neues Leben", einer bundesweiten Initiative der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der FC St. Pauli übernahm schon vor acht Jahren die Patenschaft für das Team. In diesem Jahr wurde der Club mit dem Sepp-Herberger-Award in der Kategorie Resozialisierung ausgezeichnet. Der Preis ist mit 12.500 Euro dotiert, Geld, das nach Clubangaben direkt wieder in das Projekt und die sportliche Ausstattung der Jugendanstalt fließt.

Lienen als Lebens-Lehrmeister

Das Team trainiert jeden Freitag. Lienen ist hauptsächlich bei Spielen dabei - als Fußball-Sachverständiger, vor allem aber als Wertebotschafter. "Ich versuche, die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, als Trainer, aber auch als Mensch, weiterzugeben, ihnen Rückmeldung zu geben", sagt er. Er will über den Sport soziale Werte vermitteln: Kritikfähigkeit, Fairness, Durchhaltevermögen, die Fähigkeit, "sich an Regeln zu halten, auch Solidarität zueinander zu erleben, Dinge in Bahnen zu lenken". Es mag im Fußball kaum einen geeigneteren Lebens-Lehrmeister geben als den 68-Jährigen, einen Erzieher im besten Sinne. Wer einmal erlebt hat, wie eindringlich Lienen spricht und wie überzeugend er argumentiert, wird das so schnell nicht wieder vergessen.

 "Nach der letzten Veranstaltung, die wir mit St. Pauli zusammen gemacht haben, wurde fast wochenlang darüber gesprochen. Das war absolut der Hype, ein Motivationsschub, der durch die Anstalt läuft." Lars Weise, Sportbeauftragter der JA Schleswig

Zumal Lienen für sein vielfältiges soziales Engagement bekannt ist - und auch hinter Gittern sehr geschätzt wird. "Nach der letzten Veranstaltung, die wir mit St. Pauli zusammen gemacht haben, wurde fast wochenlang darüber gesprochen", erzählt Lars Weise, der Sportbeauftragte der JA. "Das war absolut der Hype, ein Motivationsschub, der durch die Anstalt läuft."

Sport-WG und Praktika bei St. Pauli

Beflügelt von dem Gefühl, die jungen Männer zu erreichen, haben Weise und seine Mitstreiter in der JA Schleswig Anfang April eine Sport-WG gegründet und ein Konzept entwickelt, wie junge Strafgefangene auf diesem Weg an eine Berufsausbildung herangeführt werden könnten. Auch da ist St. Pauli bereit zu helfen

"Praktika wären eine Möglichkeit, auch Hospitationen, um erst mal wieder vernünftig Kontakte aufzubauen und die jungen, dann irgendwann nicht mehr Strafgefangenen wieder in das normale gesellschaftliche Leben einzugliedern", sagt Natascha Clasen, die sich beim FC St. Pauli um soziale und gesellschaftliche Projekte kümmert. Aus einem Anstoß im Fußball könnte für manchen so ein echter Neustart ins Leben werden.

Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 04.05.2022 | 14:17 Uhr

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