Sportdirektor Marcus Mann von Hannover 96 © picture alliance/dpa Foto: Swen Pförtner

96-Sportdirektor Mann: "Einstelliger Tabellenplatz realistisch"

Stand: 02.06.2022 10:40 Uhr

Hannover 96 strahlt nach Jahren der Zweitliga-Tristesse etwas Frisches aus. Es soll bergauf gehen. Wie, erklärt Sportdirektor Marcus Mann im NDR Interview.

Lange mussten die Niedersachsen in der abgelaufenen Saison um den Klassenerhalt zittern. Erst nach elf Punkten aus den letzten sieben Spielen durften sie aufatmen. Das erste Jahr von Marcus bei den "Roten" war aus sportlicher Sicht ernüchternd. Nun aber konnte der Sportdirektor die Profimannschaft nach seinen Vorstellungen umbauen und hat nicht nur den Kader früh zusammen, sondern ihn auch verjüngt und viel Potenzial nach Hannover gelotst.

96 erwacht langsam wieder. Im Zentrum der Pläne steht mit Stefan Leitl der neue Chefcoach. Mit ihm soll es nach enttäuschenden Spielzeiten wieder aufwärts gehen. Trotz der teilweise hochkarätigen Transfers möchte der Fußball-Zweitligist allerdings keine Favoritenrolle angehängt bekommen.

Marcus Mann, wie viel Freude hat Ihnen Ihre Zeit bei Hannover 96 bisher bereitet?

Marcus Mann: Wie in jedem Beruf macht es natürlich nicht jeden Tag gleich viel Spaß. Aber im Gesamten kann ich schon sagen, dass ich sehr gerne hier bin. Ich habe die Entscheidung nicht einen Tag bereut. Auch wenn das Jahr sehr intensiv und teilweise von Rückschlägen geprägt war. Es war sehr lehrreich, ich habe - glaube ich - den Verein sehr gut kennengelernt und weiß, wie er und das Umfeld ticken. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der Verein sehr großes Potenzial hat. Wenn wir das in die richtige Bahn lenken, kann hier auch eine Euphorie entstehen.

In den Internetforen zu Hannover 96 kann man eine Euphorie bereits herauslesen. Und dafür haben hauptsächlich Sie gesorgt, weil Sie relativ früh Ihre Hausaufgaben in Sachen Neuzugänge gemacht haben. Wird 96 in der neuen Saison eine ganz andere Rolle spielen?

Mann: Wir freuen uns darüber, dass das im Umfeld relativ positiv aufgenommen wird. Trotzdem müssen wir das natürlich richtig einordnen. Es ist kein extrem großer Umbruch und trotzdem ist es bei neun, zehn Abgängen mehr als bei anderen Vereinen. Dazu kommt dann das neue Trainerteam.

Wir können nicht davon ausgehen, dass wir vom ersten Spieltag an alles in Grund und Boden spielen. Es wird ein Entwicklungsprozess sein, der wieder ein bisschen Zeit benötigt. Euphorie ist an der Stelle noch nicht angebracht. Aber die positive Grundstimmung nehmen wir natürlich gern mit. Mit den Neuzugängen sind wir bisher zufrieden, aber wir sind auch noch nicht ganz fertig. Und mit der Verpflichtung von Trainer Stefan Leitl haben wir einen guten Fang gemacht.

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Was für ein Trainer wechselt da an den Maschsee, was für ein Typ ist Stefan Leitl?

Mann: Stefan ist relativ offen. Er nimmt die Spieler sehr gerne mit in seine Überlegungen. Er hat aber auch eine klare Vorstellung, wie er spielen will - und kann das der Mannschaft sehr gut vermitteln. Ich gehe davon aus, dass wir sehr aktiv spielen werden. Dass wir sowohl mit als auch gegen den Ball aktiv sein wollen. Dass wir den Gegner bei Ballbesitz stressen und den Ball so schnell wie möglich zurück haben wollen, sodass wir wieder mehr Ballbesitz als in der Vergangenheit haben werden. Das hilft uns dabei, wieder mehr Torchancen zu kreieren und das macht es auch für unsere Stürmer wieder einfacher, mehr Tore zu schießen.

Stefan weiß, wo er hin will. Und das hat er in seinen Mannschaften bisher immer umsetzen können. Das wird er auch bei uns tun. Auch wenn das nicht von heute auf morgen geht.

Es fällt auf, dass die Spieler, die schon als Neuzugänge feststehen, von Vereinen kommen, die zuletzt bessere Zeiten hatten als Hannover. Und die Spieler haben nicht nur aufgrund ihres Alters auch noch Entwicklungspotenzial. Warum haben die sich für 96 entschieden? Ist Hannover in der kommenden Saison ein ambitionierter, vielleicht sogar aufstiegsreifer Zweitligist?

Mann: Dass ein Verein wie Hannover 96 immer ambitioniert ist, liegt wohl in der Natur der Sache. Aber wir wissen, dass wir einen Schritt nach dem anderen machen müssen. Die letzten Jahre waren weniger erfolgreich und man ist in diese Situation auch nicht innerhalb von drei Monaten reingerutscht. Deshalb kommen wir auch nicht in drei Monaten wieder raus. Das wird ein längerer Weg sein. Und trotzdem haben wir einen klaren Plan, wie wir dahin kommen wollen. Auch wenn es nicht immer einfach war, sie nach Hannover zu holen, mit unserem Weg konnten sich die einzelnen Spieler identifizieren.

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Es war ein Teil unserer Planung, den Kader auch extrem zu verjüngen. Wir hatten letztes Jahr ein relativ hohes Durchschnittsalter. Wenn man etwas aufbauen will, muss man zwei, drei Jahre vorausdenken. Und die Spieler haben jetzt alle ein Alter, um zu sagen, in ein, zwei, drei Jahren sind sie immer noch in einem guten Fußballer-Alter. Und das Ziel von allen ist es, sich mit dem Verein nach vorn zu entwickeln.

Auf welcher Position sehen Sie noch Nachholbedarf?

Mann: Es ist kein Geheimnis, dass wir auf der linken Seite noch keinen Spieler unter Vertrag haben. Wobei sich das auch zeitnah ändern kann. Auf der Linksverteidiger-Position hatten wir mit Hult und Ochs zwei Abgänge. Darauf liegt das Hauptaugenmerk. Darüber hinaus würden wir gern im Offensivbereich noch was machen. Wobei wir die Stürmersuche wesentlich entspannter sehen, als das vielleicht von außen hereingetragen wird.

Mit Schalke und Werder sind in der neuen Saison zwei dicke Fische nicht mehr dabei. Ist die Zweite Liga für Hannover 96 trotzdem sogar noch attraktiver, weil man wieder weiter nach oben schielen kann?

Mann: Die Spiele auf Schalke und in Bremen sind schon schön gewesen und nicht alltäglich für die Zweite Liga. Und trotzdem gibt es noch so viele Traditionsvereine und ambitionierte Vereine, sodass es aus meiner Sicht nicht wesentlich uninteressanter wird. In der Breite gibt es sehr viele Mannschaften, die sich auf Augenhöhe bewegen. Acht, zehn oder zwölf Mannschaften schenken sich nicht viel. Es gibt auch im neuen Jahr sehr viele 50:50-Spiele. Da haben wir einfach in der Vergangenheit zu oft den Kürzeren gezogen.

"Die Zweitliga-Tugenden müssen wir besser annehmen, da hatten wir letztes Jahr Nachteile oder konnten das nicht so mitgehen. Ich glaube, dass wir das richtig analysiert haben. Wir wissen, an welchen Hebeln wir ansetzen müssen." Marcus Mann

Aber viele Mannschaften sind uns in ihrer Entwicklung ein, zwei Jahre voraus. Zum Beispiel Nürnberg, das jetzt nach einer sehr stabilen Saison sicher den nächsten Schritt machen will. Dazu Heidenheim, Darmstadt, St. Pauli und Fortuna Düsseldorf. Der HSV ist für mich der Favorit, hat aber nach der verlorenen Relegation sicher auch keine einfache Situation.

Wann hätte Hannover denn eine gute Saison gespielt?

Mann: Wenn man auf die letzten drei Jahre schaut, dann hat man sich immer am letzten Drittel orientieren müssen. Und man musste auch eher nach hinten schauen als nach vorne. Aus unserer Sicht ist es realistisch zu sagen, wir wollen nächstes Jahr einen einstelligen Tabellenplatz erreichen. Besonders die Art und Weise wird wichtig sein, wie wir spielen. Wir haben gesehen: Ein Maxi Beier kommt gut an beim Publikum, weil er erfrischend drauf los spielt und weil er sich einen Ball, den er verliert, gleich zurückholen möchte. Er hat auch nicht alles richtig gemacht. Und trotzdem hat man gemerkt, wie auch jungen Spielern Fehler verziehen werden, weil sie einfach anders auftreten.

"Man bekommt irgendwann das zurück, was man auch investiert. Das möchte ich auf meiner Position vorleben und das erwarte ich auch von den Spielern. Wenn man fleißig ist und ehrliche Arbeit abliefert, führt das auch irgendwann zum Erfolg." Marcus Mann

Wir wollen eine Mannschaft auf dem Platz haben, bei der man merkt, dass sie gern für Hannover 96 spielt. Dass die Spieler gerne hier auflaufen. Und dann kommen die Ergebnisse zwangsläufig mit der Zeit. Wenn man eine Mannschaft hat, die sich mit dem Verein identifiziert und immer an ihre Grenzen geht, dann werden wir auch über Dauer die fußballerische Qualität haben, die Ergebnisse zu holen. Wir würden uns nicht dagegen wehren, wenn es schneller gehen sollte. Aber ein vernünftiger Aufbau ist sinnvoll.

Und was sagt Martin Kind zum Ziel "einstelliger Tabellenplatz"?

Mann: Martin Kind kennt aus seiner Zeit natürlich mehr die Bundesliga als die Zweite Liga. Und deshalb würde er natürlich - wie wir alle - gern in die Bundesliga zurückkehren. Wir sind uns aber alle einig, dass der Weg realistisch sein muss und dass man Schritt für Schritt machen muss. Da ist er absolut dabei. Die Rückkehr ist das Ziel, aber das muss nicht nächstes Jahr sein, sondern ist über zwei, drei Jahre ausgelegt. Trotzdem werden wir am 32. Spieltag keinem Spieler sagen, dass wir verlieren müssen, um nicht aufzusteigen.

Zuletzt waren einige Zahlen in den Medien, nach denen der Etat nahezu verdoppelt werden soll. Das haben Sie relativiert und gesagt: "Wir sind nicht Krösus." Was ist richtig?

Mann: Ja, in den letzten Wochen haben viele Zahlen die Runde gemacht. Man kann nicht immer alles dementieren und relativieren. Die Zahlen, die im Umlauf waren, bezogen sich auf den Gesamthaushalt. Beim Spieleretat planen wir ungefähr mit dem Gleichen wie in diesem Jahr. Und das ist auch so, dass man sich darüber überhaupt nicht beschweren muss, sondern völlig in Ordnung.

Wir werden hier nicht groß aufstocken oder noch sieben Bundesliga-Spieler verpflichten. Wir werden für die Zweite Liga eine gute Mannschaft zusammenbauen. Da bin ich mir relativ sicher. Und trotzdem werden wir weiter vernünftig wirtschaften.

Muss die Mannschaft erst einmal in Vorleistung gehen, um die Fans "zurückzuholen", oder reicht die Euphorie rund um die Erwartungshaltung?

Mann: Am besten ist es, wenn es von beiden Seiten kommt. Uns tut es natürlich von Anfang an gut, wenn Zuschauer da sind, um die Spiele zu gewinnen. Auf der anderen Seite ist uns bewusst, dass die Ergebnisse einen großen Anteil daran haben und das Auftreten der Mannschaft, ob jemand am Wochenende das Gefühl hat, ich muss ins Stadion, weil ich sonst etwas verpasse.

Wir hatten gegen Ende der Saison wirklich schon eine sehr gute Unterstützung. Und wir werden versuchen, die Leute schon in der Vorbereitung wieder mitzunehmen. Wir werden zwei Spiele hier im Umfeld haben bei kleineren Vereinen. Und wir werden ein, zwei Heimspiele haben in der Eilenriede, die Saisoneröffnung. Wir versuchen, wieder etwas fannaher zu sein.

Das Interview führte Fabian Wittke

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 02.06.2022 | 12:17 Uhr

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