Konventionell oder nachhaltig: Tipps zum Kauf von Geflügelfleisch

Stand: 22.11.2022 11:30 Uhr

Während der Fleischkonsum bei Schwein und Rind zurückgeht, steigt die Nachfrage nach Geflügelfleisch. In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch nahezu verdoppelt.

In Deutschland wird Geflügelfleisch immer beliebter. Es ist preislich attraktiv, fettarm und einfach zuzubereiten. Seitdem bekannt ist, dass rotes Fleisch ungesünder ist, steigt der Bedarf zusätzlich: Fast 14 Kilogramm Geflügel isst jeder im Schnitt pro Jahr, laut Angaben der Verbraucherzentrale. Dafür landen rund 620 Millionen Masthähnchen und 38 Millionen Puten auf der Schlachtbank. Mit 20 Prozent des verzehrten Fleisches liegt Geflügel auf Platz zwei hinter Schweinefleisch (60 Prozent) - und damit noch vor Rindfleisch. Um den Bedarf zu decken, importiert Deutschland mehr Geflügelfleisch als es exportiert. Zum Vergleich: 2021 gingen 503.900 Tonnen Geflügelfleisch ins Ausland. Dem gegenüber stehen 714.210 Tonnen aus dem Import im selben Jahr. Das Fleisch kommt überwiegend aus anderen EU-Staaten, wie zum Beispiel den Niederlanden oder Polen.

Ein Masthuhn lebt nur fünf Wochen

Masthuhn aus konventioneller Zucht © picture alliance / Countrypixel | FRP
Ein etwa 25 Tage altes Masthuhn aus konvetioneller Zucht.

Knapp 80 Prozent aller Masthühner werden in Beständen von 50.000 und mehr Tieren gehalten. Das Ziel der Turbozucht ist ein schneller und hoher Fleischansatz. Masthühner leben nur wenige Wochen auf engem Raum, überwiegend in Bodenhaltung und mit wenig Auslauf. 20 bis 25 Tiere teilen sich einen Quadratmeter. Das Leben eines Masthuhns in der intensiven Zucht endet bereits nach circa fünf Wochen - dann wiegt es anderthalb Kilogramm und wird geschlachtet.

Multiresistente Keime durch Antibiotika in der Mastzucht

Für die Tiere bedeutet die Intensivmast viel Stress, sie picken Federn ihrer Artgenossen aus und fressen sie. Der Grund dafür:  Durch falsches Futter fehlen den Masthühnern Mineralien. Darüber hinaus wird der Einstreu, auf dem die Tiere leben, selten oder gar nicht gewechselt. In der Folge dieser nicht artgerechten Lebensumstände und des hohen Keimdrucks, ist die Gefahr für die Tiere zu erkranken groß. Die Züchter steuern dem wiederum mit Medikamenten entgegen. In der Intensivzucht verabreichen sie den Hühnern und Puten zu viele Antibiotika über das Trinkwasser. Drei Antibiotikabehandlungen binnen 30 Tagen sind in der Masthühnerhaltung keine Seltenheit. Das ist für Menschen nicht ungefährlich: Es bilden sich immer mehr Resistenzen gegen multiresistente Keime (MRSA- und ESBL-Bakterien sowie Campylobacter). Bei bestimmten bakteriellen Infektionen wie zum Beispiel durch aggressive Krankenhauskeime helfen keine Antibiotika mehr.

Mehr Tierschutz bedeutet höhere Preise

Immer mehr Verbraucher wünschen sich eine tier- und umweltgerechte Produktion von Lebensmitteln. Begriffe wie "artgerecht", "tiergerecht" und "bäuerlich" versprechen gewisse Standards, sind vom Gesetzgeber aber nicht festgelegt. Fest steht, wer mehr Tierschutz haben will, der muss höhere Preise bezahlen. Denn Hähnchen und Puten aus extensiver Boden- oder Freilandhaltung haben mehr Auslauf in einer natürlicheren Umgebung und wachsen langsamer auf. Die Mehrkosten für Futter, Aufzucht und Personal verteuern das Fleisch.

Weniger Tierleid durch moderaten Fleischkonsum

Rohe Hähnchenschenkel auf einem Teller. © victoria/fotolia Foto: victoria
Weniger Fleisch für mehr Klimaschutz: Verbraucher sollten nicht mehr als 300 Gramm Geflügelfleisch in der Woche essen.

Wer weniger und qualitativ besseres Fleisch isst, sorgt dafür, dass die Tiere weniger leiden. Außerdem wirkt sich Fleischverzicht auch positiv auf die Gesundheit aus. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt einen Fleischkonsum von 300 bis 600 Gramm pro Woche. Und der WWF rät zu einem "bewussten Fleischeinkauf" - am besten sei es, nachhaltig erzeugtes Fleisch aus regionaler oder EU-Produktion zu kaufen. Denn bezogen auf das Tierwohl geht es diesem Geflügel besser als aus der Zucht unter konventionellen Bedingungen. "So haben Bio-Masthühner Auslauf und im Stall etwa doppelt so viel Platz wie konventionelle Masthühner", erläutert der WWF. Die Tiere bekommen außerdem doppelt so viel Zeit, um zu wachsen. Im optimalen Fall werden sie mit ökologisch erzeugtem Futter aus eigenem Anbau gefüttert. Anders als in der Turbozucht ist es in der ökologischen Tierhaltung verboten, Medikamentengabe prophylaktisch und systematisch durchzuführen.

Verbraucher können Geflügel nachhaltiger einkaufen

Obwohl Bio-Lebensmittel boomen, ist die ökologische Tierwirtschaft bisher eine Nische. In Deutschland werden nur drei Prozent der Masthühner nach Bio-Kriterien produziert. Trotzdem können Verbraucher durch ihr Verhalten nachhaltiger einkaufen. Als Orientierung hat die EU Standards zur Haltung von Geflügel festgelegt. Wer mit den folgenden Bezeichnungen wirbt, muss definierte Mindeststandards einhalten. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: In Supermärkten sind diese Vorgaben noch selten anzutreffen.

Extensive Bodenhaltung: Hier schreibt der Gesetzgeber mit 15 Tieren auf den Quadratmeter mehr Platz vor. Die Mastzeit beträgt rund acht Wochen bei Hähnchen, Puten haben eine Lebensdauer von mindestens 70 Tagen. Im Vergleich: in der Intensivmastleben Hühner fünf und Puten neun Wochen.

Freilandhaltung: Jedes Hähnchen hat einen Quadratmeter Auslauf, eine Pute sogar viermal so viel. Im Stall dürfen in der Hähnchenmast 13 Tiere auf einem Quadratmeter leben.

Bäuerliche Freilandhaltung: Auslauf-Flächen und auch Mastdauer sind hier noch einmal höher. Auf ein Hähnchen kommen zwei, auf eine Pute sechs Quadratmeter. Die Mastdauer beträgt beim Huhn 81 Tage, Puten dürfen 140 Tage heranwachsen. In der Zucht müssen langsam wachsende Rassen eingesetzt werden.

Trägt die Verpackung die Bezeichnung "Bäuerliche Freilandhaltung mit unbegrenztem Auslauf" haben die Tiere zusätzlich zu den Mindestbedingungen für die bäuerliche Freilandhaltung einen uneingeschränkten Bewegungsraum.

"Für mehr Tierschutz" - Fleisch aus tiergerechterer Haltung

Das Label "Für mehr Tierschutz" des Deutschen Tierschutzbunds. © picture alliance / dpa
Das Label "Für mehr Tierschutz" vergibt für Produkte ein oder zwei Sterne, je nach Tierwohl-Standard.

Verbraucher können sich beim Kauf von Geflügelfleisch auch am Label "Für mehr Tierschutz" orientieren. Der Deutsche Tierschutzbund hat es 2013 eingeführt - für Fleisch aus tiergerechterer Haltung. Da das Label von Anbietern unabhängig ist, sind Kontrollen für die Einhaltung von Anforderungen an den Tierschutz neutral. Bundesweit gibt es Hähnchenfleisch mit dem Tierwohllabel bisher lediglich in der "Einstiegsstufe", auf dem Label mit einem Stern gekennzeichnet. Das bedeutet verbindliche Anforderungen an Haltung für mehr Platz im Stall: 15 Tiere auf den Quadratmeter. Der Transport von Tieren darf maximal vier Stunden dauern. Auch was die Schlachtung der Hähnchen und das Wohlergehen der Tiere betrifft, bietet das Label deutlich mehr Tierschutz als die übliche konventionelle Hähnchenhaltung.

"Für mehr Tierschutz" bleibt allerdings hinter dem Tierschutzniveau aus extensiven Produktionen zurück, denn Tiere haben zwar Zugang zu einem überdachten Außenklimabereich, jedoch keinen Auslauf im Freien. Nur in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gibt es bereits Produkte mit dem Premium-Label.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 15.11.2022 | 09:00 Uhr

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