Ganze und aufgeschnittene Limetten. © fotolia Foto: GreenArt

Greenpeace-Studie belegt Pestizide in Limetten

Stand: 21.04.2023 13:00 Uhr

Mehr als 50 brasilianische Limetten hat Greenpeace in europäischen Supermärkten eingekauft und auf Pflanzenschutzmittel untersuchen lassen. 27 verschiedene Wirkstoffe wurden auf den Früchten gefunden, allerdings liegen sie allesamt unter den geltenden Grenzwerten.

von Wiebke Neelsen

Aber auf fast allen Limetten wurden bis zu sieben verschiedene Pflanzenschutzmittel gleichzeitig festgestellt. Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha plädiert dafür, diese Belastung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, da die verschiedenen Pflanzenschutzmittel Wechselwirkungen untereinander haben könnten: "Wir nehmen die Stoffe ja auch in kleinen Dosierungen über andere Lebensmittel auf. Und die Behörden betrachten bei Grenzwerten nur einzelne Wirkstoffe."

Experte: EU-Grenzwerte sind sicher

Dirk Blankenburg, Dozent für Obstbau an der Fachhochschule Erfurt, bestätigt, dass beim Obst- und Gemüse-Anbau teils mehrere Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Dies sei nichts Ungewöhnliches. Bei Paprika etwa kämen bis zu 20 verschiedene Pflanzenschutzmittel gleichzeitig zum Einsatz. Wechselwirkungen könne es dabei nicht nur untereinander, sondern auch mit natürlichen giftigen Stoffen geben, das sei normal. Wichtig sei ihm zufolge, dass die einzelnen Pflanzenschutzmittel die gesetzlich zulässige Höchstmenge nicht überschritten, so Blankenburg. Die Grenzwerte in der EU seien sehr sicher. Und es gebe auch einen sogenannten No Effect-Level: "Ab diesem Punkt gibt es keinen Effekt mehr auf Säugetiere. Und der gesetzliche Grenzwert ist ein Tausendstel der Konzentration dieses No Effect-Levels, also wirklich sicher", so Blankenburg.

Mercosur-Abkommen könnte Handel mit Pestiziden verstärken

Greenpeace sorgt sich vor allem um die Angestellten im Limettenanbau vor Ort und führt Untersuchungen an, wonach in Brasilien im Schnitt alle zwei Tage ein Mensch an Pestizidvergiftungen stirbt. Ein Drittel der von Greenpeace gefundenen Pestizide ist von europäischen Firmen nach Übersee geliefert worden. Wenn das Mercosur-Handelsabkommen zwischen der EU und Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay in Kraft tritt, könnte sich diese Situation noch verschärfen, weil dann Zölle entfielen, befürchtet Lis Cunha von Greenpeace.

Handelsabkommen ermöglichen hohe Standards

Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthandelsverband sieht das anders: Den Einsatz von deutschen Pflanzenschutzmitteln in Übersee begrüßt er sogar, weil hierzulande sehr hohe Standards in der Produktion gelten: "Die Pflanzenschutzmittelhersteller hinterlegen die Analysemethoden, das ist doch etwas Positives, da verstehe ich den Kritikpunkt überhaupt nicht", so Brügger. Handelsabkommen ermöglichten, diese hohen Standards in der Produkt- und Arbeitssicherheit auch im Ausland einzufordern.

In der EU nicht zugelassene Pestizide gefunden

Nachgewiesen wurden in der Greenpeace-Stichprobe auch sechs in der EU nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel. Darunter das Insektizid Imidacloprid. Greenpeace zufolge hat eine aktuelle Studie die Wirkung des Mittels auf zwei tropische Bienenarten aus Brasilien untersucht: "Die Studie hat gezeigt, dass die Lernfähigkeit und das Gedächtnis der Bienen nach niedrigen Dosen von Imidacloprid beeinträchtigt waren", erläutert Lis Cunha von Greenpeace.

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Nicht alles Verbotene ist schädlich

Doch nicht immer ist die Schädlichkeit der Grund, warum Pflanzenschutzmittel mancherorts nicht zugelassen sind, anderswo aber schon. Oftmals gebe es andere Gründe - etwa, weil in einer Region ganz andere Früchte angebaut und demzufolge andere Pestizide benötigt werden, sagt Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthandelsverband. Oder weil der Hersteller die Zulassung nicht verlängert hat, weil es ihm zu teuer ist und sich wirtschaftlich nicht lohnt, sagt Obstbau-Dozent Dirk Blankenburg: "Es gibt zum Beispiel Präparate gegen die Kirschfurchtfliege, eine Made in der Kirsche. In der Türkei wird das mehrfach gespritzt, aber in Deutschland ist das nicht zugelassen, weil die Kirsche nur zu einem geringen Maße angebaut wird und sich das nicht lohnt, es teuer zu beantragen", sagt Blankenburg.

Obstanbau ohne Pestizide wirtschaftlich unmöglich

Grundsätzlich sei Obstanbau ohne Pflanzenschutzmittel wirtschaftlich nicht möglich, sagt Jörg Hilbers von der Fachgruppe Obstbau im Bundesausschuss Obst und Gemüse. Man brauche sie, um die Produkte lager- und transportfähig zu machen und um sich andere Maßnahmen wie regelmäßiges Hacken zu sparen. Auch im Biolandbau würden Mittel eingesetzt, etwa Kupferpräparate. Die wiederum könnten sich aber im Boden anreichern - oder sich verändern. Dirk Blankenburg verweist auf den Corona-Virus: "Biologische Mittel können sich jederzeit verändern, das wissen wir ja von Corona. Chemische Mittel verändern sich nicht, hinterlassen aber womöglich Rückstände". Hauptsache sei, so sagt der Experte, dass die strengen Grenzwerte nicht überschritten werden.

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NDR Info | 20.04.2023 | 07:42 Uhr

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