AstraZeneca-Impfungen für unter 60-Jährige vorerst gestoppt
Schleswig-Holstein setzt die Impfungen mit AstraZeneca für Menschen unter 60 Jahren aus. Nach Bekanntwerden schwerer Nebenwirkungen hat die Ständige Impfkommission (STIKO) ihre Empfehlung geändert - erneut.
Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca gegen das Coronavirus sind für Menschen unter 60 Jahren in Schleswig-Holstein vorerst gestoppt worden. Das teilte das Gesundheitsministerium am Dienstagabend mit. Der Impfstoff werde ab dem 31. März nur noch bei impfberechtigten Personen von 60 Jahren und älter verimpft, so ein Ministeriumssprecher. Alle Bürger, die AstraZeneca-Termine zunächst bis zum 11. April gebucht haben, bekommen demnach eine E-Mail. In dieser wird laut Ministerium stehen, dass 60-Jährige und Ältere ihren Termin wie geplant wahrnehmen können.
Auch jüngere Impfberechtigte behalten ihren ursprünglichen AstraZeneca-Termin, werden zu diesem Termin aber mit einem mRNA-Impfstoff von Biontech oder Moderna geimpft. "Jetzt sind wir noch mehr denn je darauf angewiesen, dass die Hersteller auch tatsächlich pünktlich in den angekündigten Mengen und zum angekündigten Lieferzeitpunkt liefern. Die Lieferankündigungen sind vielversprechend. Deswegen haben wir uns in Schleswig-Holstein dafür entschieden, zunächst einmal sämtliche gebuchte Impftermine zu halten und für die unter 60-Jährigen den Impfstoff eben zu substituieren", sagte Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP).
Zweitimpfungen? Ministerium will Empfehlung abwarten
Wie es ab dem 12. April weitergeht, werde geprüft, so das Gesundheitsministerium. Das Ministerium will nach eigenen Angaben "zeitnah" darüber informieren, wie es mit anstehenden Zweitimpfungsterminen - insbesondere für Personen, die 59 Jahre alt und jünger sind und bereits einmal mit AstraZeneca geimpft wurden - weitergeht. Diesbezüglich werde es vor allem auch darauf ankommen, welche Empfehlung die zuständigen nationalen Behörden und Fachgremien zu einer Zweitimpfung abgeben, sagte ein Ministeriumssprecher.
Merkel und Spahn berufen kurzfristige Beratung ein
Vor der Entscheidung Schleswig-Holsteins hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) mit den Regierungschefs der Länder über das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca beraten. Die Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg hatten die Impfungen mit dem Impfstoff für Menschen unter 60 Jahren zu diesem Zeitpunkt bereits bis auf Weiteres ausgesetzt. Grund dafür war das Bekanntwerden weiterer Thrombose-Fälle im Zusammenhang mit dem Impfstoff, der nach Angaben der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA seit dem 25. März offiziell den Namen Vaxzevria trägt.
STIKO-Empfehlung "auf Basis der derzeit verfügbaren Daten"
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat ihre Empfehlung für den Impfstoff von AstraZeneca geändert und empfiehlt ihn nun nur noch für Menschen ab 60 Jahren. Die Empfehlung sei "auf Basis der derzeit verfügbaren Daten zum Auftreten seltener, aber sehr schwerer Nebenwirkungen" bei jüngeren Geimpften geändert worden, so die Kommission, die beim Robert Koch-Institut angesiedelt ist. Bei den Nebenwirkungen geht es um Auffälligkeiten mit Fällen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen, die vor allem bei jüngeren Frauen gemeldet wurden. Die STIKO-Empfehlungen dienen Bund und Ländern für deren Impfempfehlungen.
Hirnvenenthrombosen: Neun Betroffene sind gestorben
Das Paul-Ehrlich-Institut, das Bundesinstitut für Impfstoffe, hat inzwischen 31 Fälle von Hirnvenenthrombosen nach einer AstraZeneca-Impfung registriert. Neun Betroffene sind gestorben. Mit Ausnahme von zwei Fällen waren Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren betroffen. Laut Robert Koch-Institut wurden bislang 2,7 Millionen Erstdosen in Deutschland verimpft.
Zwischenzeitlicher Stopp der AstraZeneca-Impfungen Mitte März
Die Corona-Impfungen mit dem Impfstoff des Konzerns AstraZeneca waren Mitte März deutschlandweit für mehrere Tage gestopptworden, nachdem mehrere Fälle von Thrombosen der Hirnvenen bekannt geworden waren. Nach Analysen bekräftigte die Europäische Arzneimittebehörde (EMA) die Sicherheit des Präparats drei Tage später. Auch Schleswig-Holstein nahm die Impfungen mit dem Impfstoff wieder auf. Schon damals hatte Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) erklärt, dass es schwer werde, das Vertrauen der Bevölkerung in den Impfstoff wieder aufzubauen.
Impfstoff war zunächst nur für unter 65-Jährige zugelassen
Nach Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca hatte es damals vergleichsweise viele Berichte über Nebenwirkungen gegeben. Zudem war der Impfstoff zunächst nur für unter 65-Jährige zugelassen worden. Später änderte die STIKO ihre Meinung diesbezüglich. "Da ist so ziemlich alles schief gelaufen, was man kommunikativ in den Sand hat setzen können", erklärte Garg Mitte März. Die AstraZeneca-Impfungen liefen dann gut wieder an, das Gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein meldete kaum Absagen der Termine.
AstraZeneca galt in SH bislang als wichtiger Impf-Baustein
Stand Dienstag (30.3.) war AstraZeneca neben Biontech einer der beiden Impfstoff-Hersteller, deren Produkte in größeren Mengen in Schleswig-Holstein erwartet wurden. Bis Ende März sollte das Unternehmen nach aktuellen Plänen fast 195.000 Dosen liefern - das wäre trotz mehrerer Kürzungen etwas mehr als ein Viertel aller bisher gelieferten Impfstoff-Dosen. AstraZenecas Impfstoff sollte auch darüber hinaus ein wichtiger Baustein der Impfkampagne im Norden bleiben. Wie es diesbezüglich nun weitergeht, war am Dienstagabend zunächst unklar.
