Corona-Debatte in SH: Wer wird zuerst geimpft?
In Schleswig-Holstein wird darüber diskutiert, wer zuerst geimpft wird, wenn der Corona-Impfstoff vorliegt. Hausärzte hoffen darauf, dass es dafür klare Vorgaben gibt.
von Constantin Gill
Impfen - das ist ein hoch emotionales Thema. Das kriegt Dr. Thomas Maurer, Vorsitzender des Hausärzteverbandes, in letzter Zeit immer wieder mit. Er berichtet, dass er häufiger von Patienten in der Praxis - und außerhalb - angesprochen wird: "Ich kann im Moment kaum einkaufen gehen, ohne dass jemand mich fragt, wie er an die Impfung kommt", erzählt Maurer. "Das ist etwas, was sonst ganz selten passiert."
Klar ist schon, dass medizinisches Personal und hochbetagte Risikopatienten bei der Impfung den Vorrang haben sollen. Der Empfehlungsentwurf der Ständigen Impfkommission sieht das so vor. Aber wo zieht man die Grenze? Reicht ein Alter jenseits der 80 schon aus, um bevorzugt zu werden? Oder muss es eine bestimmte Erkrankung geben, um vorne auf der Liste zu stehen? Und: Wer entscheidet darüber?
Klare Ansage statt Diskussionen
Bei den Hausärzten darf diese Entscheidung jedenfalls nicht liegen, findet Thomas Maurer. Denn das, befürchtet er, würde das Verhältnis zwischen Arzt und Patient belasten. "Was wir brauchen, sind ganz klare Kriterien", fordert er. Ein Beispiel: Alle Patienten über 80 mit Diabetes, die mindestens drei verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen - das wäre eine richtige Kategorisierung, sagt Maurer, denn: "Über die kann man nicht diskutieren."
Klare Ansagen wünscht sich auch Prof. Dr. Henrik Hermann, Präsident der Ärztekammer: "Damit in den Impfzentren Klarheit besteht, wer geimpft werden kann und die Hausarztpraxen zuvor nicht überlaufen werden, bietet es sich an, dass vorab eindeutig definiert wird, welche Personengruppen priorisiert werden sollen." Hausarztpraxen, meint auch Hermann, sollen nur Anlaufstelle sein, wenn sich Patientinnen und Patienten im Einzelfall nicht sicher sind.
Das Gesundheitsministerium betont, dass die Hausärzte "nicht über die Priorisierung entscheiden - sondern darüber, ob eine medizinische Indikation vorliegt."
Irgendeinen Nachweis werden Impfwillige brauchen
Noch ist die Empfehlung der Ständigen Impfkommission nur ein Entwurf - Länder und Verbände werden noch dazu angehört. Das Gesundheitsministerium will sich aber "eng an den Priorisierungsempfehlungen der STIKO orientieren, welche noch nicht abschließend vorliegen, da zunächst die Zulassung des Impfstoffs und die Auswertung des Stellungnahmeverfahrens abzuwarten sind."
Fest steht aber schon, dass Impfwillige einen Nachweis brauchen werden. Entweder einen beruflichen - also etwa als Krankenhausmitarbeiter - oder einen medizinischen. "Für die Wahrnehmung eines Impftermins muss gewährleistet sein, dass eine überprüfbare medizinische oder berufliche Indikation vorliegt", heißt es vom Gesundheitsministerium.
Thomas Maurer vom Hausärzteverband sieht schon Patienten mit dem Wunsch nach Attesten in die Praxen strömen. Dabei haben die Hausärzte seiner Meinung nach gar nicht alle Informationen, die für ein Attest gebraucht würden. Zwar kämen manche Patienten mit allen Beschwerden zum Hausarzt - andere gingen jedoch zum Facharzt - und der habe dann auch die Patienteninformationen. "Wir haben also gar nicht die Datengrundlage", sagt Maurer.
Genaues Verfahren noch unklar
Die Pläne des Ministeriums sehen momentan vor, dass etwa bestimmte Berufsgruppen sich zur Impfung anmelden. Für den eigentlichen Nachweis, dass jemand mit der Impfung dran ist, "sind wir jedoch auf eine enge Zusammenarbeit zwischen den Arbeitgebern im Gesundheitswesen, den die Atteste ausstellenden Ärztinnen und Ärzten und die in den Impfzentren tätigen Personen angewiesen."
Die Krankenkassen halten die Sorgen der Ärzte noch für verfrüht. Aus Sicht der AOK Nordwest ist auch denkbar, dass vorerst noch gar keine Atteste gebraucht werden. Wenn nämlich der Job im Krankenkhaus - die Beschäftigten werden an ihrem Arbeitsplatz geimpft - oder schlicht das Alter als Nachweis ausreicht. Denkbar ist das - denn laut Gesundheitsministerium hat die Ständige Impfkommission wegen der vermutlich begrenzten Menge an Impfstoff "vorrangig das Ziel, schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle zu verhindern und damit auch das Gesundheitssystem zu entlasten. Hierfür ist das höhere Lebensalter ein ganz wesentlicher Einflussfaktor."
Wie das Verfahren genau ablaufen wird - das wird sich erst zeigen, wenn der erste Impfstoff zugelassen ist. Um die vielen Fragen der Impfwilligen zu beantworten, planen die Gesundheitsminister zusammen mit dem Bund eine Informationskampagne, das hatte Gesundheitsminister Garg zuletzt im Landtag angekündigt. Vielleicht wird Dr. Thomas Maurer dann beim Einkaufen etwas weniger Fragen beantworten müssen.
