Steigende Zinsen: Nachfrage nach Immobilien in SH geht zurück

Stand: 16.11.2022 05:00 Uhr

Die Bauzinsen sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Die Nachfrage nach Immobilien sinkt deshalb. Die Folge: Auch die Immobilienpreise gehen zurück, berichten Makler.

von Hannah Böhme

Gerade mal vier bis sechs Interessenten melden sich im Moment bei Andre Riedel, wenn er eine neue Anzeige ins Netz stellt. Kein Vergleich zum vergangenen Jahr, berichtet der Norderstedter Immobilienmakler, der im Moment auf seiner Homepage Häuser vor allem in Südholstein und Hamburg im Angebot hat. "Wenn wir in 2021 freitags das Inserat online gestellt haben, hatten wir übers Wochenende 30 bis 40 Anfragen pro Immobilie", erinnert er sich.

Den deutlichen Nachfragerückgang führt Riedel vor allem auf die hohen Zinsen zurück, die Banken aktuell für ihre Kredite verlangen. Bei vielen Privathaushalten und Familien gehe die Haushaltsrechnung nicht mehr auf. "Eine große Käuferschicht ist leider weggefallen", so Riedel. Die Folge: Nicht nur Andre Riedel, sondern auch andere Immobilienmakler im Land stellen inzwischen fest, dass die Preise für Immobilien zurückgehen.

Zinsen lassen monatliche Belastungen in die Höhe schießen  

Um die Inflation zu bekämpfen, erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) in diesem Jahr bereits drei Mal die drei verschiedenen Leitzinsen. Der für die Bauzinsen wichtige Leitzins, der sogenannte Hauptrefinanzierungszins, liegt seit Ende Oktober bei 2,0 Prozent. Für Banken ist es damit im Moment teurer, sich bei der EZB über einen längeren Zeitraum Geld zu leihen. Und damit ist es für Privatleute teurer, sich bei ihren Hausbanken - beispielsweise für eine Immobilie - Geld zu leihen. Nach Angaben des Online-Bauzinsvermittlers Interhyp, der die Zinsen mehrerer Kreditinstitute analysiert, sind die Bauzinsen seit Jahresbeginn von um die 1,5 Prozent auf mittlerweile etwa 4 Prozent gestiegen.

Beispielrechnung: Monatliche Mehrbelastung von rund 800 Euro

Jagt man diese Zahlen durch einen der zahlreichen Kreditrechner im Netz, kommt diese - etwas vereinfachte - Rechnung dabei heraus: Wer zu Jahresbeginn von seiner Bank ein Darlehen über 400.000 Euro haben wollte, musste bei einer 2-Prozent-Tilgung und einer Laufzeit von 15 Jahren dafür rund 1.200 Euro im Monat zahlen. Die gleiche Rechnung mit einem Zinssatz von 4 Prozent ergibt eine monatliche Rate von 2.000 Euro. "Da ist eigentlich klar, dass sich das der ein oder andere nicht mehr leisten kann", erklärt der Norderstedter Immobilienmakler Andre Riedel.

Dass die Gruppe derer, die diese Summen noch bezahlen können und wollen, kleiner geworden ist, merkt auch die Sparkasse Holstein. Der zuständige Fachleiter im Bereich Immobilienfinanzierung, Niko Jessen, spricht von einem deutlichen Rückgang im Immobiliengeschäft. Außerdem gehen Angebote nicht mehr so schnell weg, wie früher: Durch die gestiegenen Zinsen kämen Käuferinnen und Käufer nicht mehr so schnell an eine Finanzierung, so Jessen.  

Weniger Nachfrage = günstigere Immobilien

Noch stagnieren die Immobilienpreise eher, sagt Niko Jessen von der Sparkasse Holstein. Er geht aber davon aus, dass sie sinken werden. Ein Trend, den Andre Riedel und auch viele seiner Maklerkolleginnen und -kollegen im Land schon jetzt feststellen. "Wir sind in den letzten Verkäufen circa 10 bis 15 Prozent nach unten gegangen", berichtet Riedel und beschreibt ein erstes Umdenken an dieser Stelle. Demnach kommt auch bei vielen Verkäuferinnen und Verkäufern mittlerweile an, dass die hohen Preise, die zu Corona-Zeiten verlangt wurden, im Moment kaum jemand zahlen kann. Aber auch mit niedrigeren Verkaufspreisen würden viele, die ihre Immobilie schon lange haben und jetzt verkaufen, im Vergleich zum ursprünglichen Preis immer noch einen guten Schnitt machen.

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Angebotspreise in den Portalen weiter hoch

Im Online-Portal Immoscout ist nicht zu erkennen, dass die Preise zurückgehenEine eigene Auswertung der Plattform zeigt, dass die Angebotspreise im dritten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr in allen Kategorien in Schleswig-Holstein gestiegen sind. Bei schon gebauten Häusern zum Beispiel waren es nach Angaben des Immobilienportals fast 10 Prozent pro Quadratmeter. Riedel erklärt das damit, dass es sich hierbei um Angebotspreise handelt und nicht um die tatsächlich dann auch vereinbarten Kaufpreise.

Trotz Rückgang: Käufer müssen mehr zahlen

Wie sich die Immobilienpreise weiter entwickeln, lässt sich schwer vorhersehen. Dass der Markt komplett einbricht, erwartet keiner der Experten. Riedel geht aber zumindest davon aus, dass die Preise nicht mehr steigen, sondern weiter zurückgehen. Was eigentlich nach einer guten Nachricht für alle klingt, die ein Haus kaufen möchten, wird überschattet von den hohen Zinsen. Denn die sinkenden Preise werden von den hohen Zinsen "aufgefressen", erklärt Riedel. Und im Vergleich zum Vorjahr, als die Immobilien für Höchstpreise weggingen, muss insgesamt mehr Geld auf den Tisch gelegt werden. Riedel empfiehlt: Wer kann, sollte in seiner Rechnung den Eigenkapital-Anteil erhöhen und mit Maklern und Verkaufenden über den Preis sprechen. Denn weil die Konkurrenz deutlich geringer ist, sei zumindest die Verhandlungsposition derjenigen, die eine Immobilie kaufen möchten, derzeit so gut, wie lange nicht.

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Schleswig-Holstein Magazin | 15.11.2022 | 19:30 Uhr

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