Norderstedt: Streit um Erschließungsbeiträge
In mehr als 1.000 Kommunen in Schleswig-Holstein sind die Straßenausbaubeiträge - also das, was Anwohner dazuzahlen müssen, wenn die Straße vor ihrer Haustür ausgebaut wird - abgeschafft.
Seit 2018 gilt das auch in Norderstedt (Kreis Segeberg). Doch jetzt sollen bei der Baustelle "Am Böhmerwald" 65 Anwohner für Ausbesserungen der Straße aufkommen. Sie wird im Auftrag der Stadt neu gemacht, neben dem Straßenbelag auch Gehwege, Regenentwässerung und Beleuchtung erneuert. Die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 1,6 Millionen Euro - für jeden Anwohner fielen nach Angaben der Stadt eine fünfstellige Summe an.
Anwohner: "Dass das eine Erschließung ist, erschließt sich uns nicht"
Für die Anwohner ist diese Forderung nicht nachvollziehbar. "2018 hat Norderstedt beschlossen, dass Ausbauleistungen zur Gemeinde gehören - und nur noch Erschließungen über die Anlieger abgerechnet werden darf", sagt Heinrich Ploog. In diesem Falle erkläre die Stadt, es handele sich um eine Erschließung. "Dass das hier eine Erschließung ist, erschließt sich uns aber nicht", meint Roland Goldbach, "denn die Straße ist bereits 1960 gemacht und 1961 abgerechnet worden." Alles, was eine erstmalige und endgültige Herstellung einer Straße brauche, sei vorhanden. Bloß sei die Stadt anderer Meinung: Sie erkenne das nicht an. "Die sagt, das ist nicht so", sagt Goldbach.
Gemeinde sieht sich im Recht
Auf Nachfrage erklärt die Stadt: Es habe alles seine Richtigkeit. Unterlagen der Anwohner, die beweisen sollen, dass Norderstedts Vorgängergemeinde Glashütte 1961 den vollständigen Straßenausbau vorgenommen hat, weisen die Verantwortlichen zurück. "Das sind das aus unserer Sicht keine Unterlagen, die vollständig darüber Auskunft geben, dass die Straße erschlossen ist", sagt Stadtsprecher Bernd-Olaf Struppek. "Man muss es formal so betrachten: Wenn wir jetzt Beiträge erheben, dann sagt die Rechtsgrundlage, wir tun das, nach den Satzungen, Verordnungen der jetzigen, heutigen Kommune. Das ist jetzt die Stadt Norderstedt." Darüber hinaus gehöre zur Erschließung einer Straße zum Beispiel eine Regenentwässerung - und die sei mit den Sickerschächten, die es "Am Böhmerwald" gab, nicht gegeben.
Anwohner kündigen Rechtsstreit an
Für die Aufregung der Anwohner äußert Struppek Verständnis. Es sei viel Geld im Gespräch. "Aber das kann ich nur menschlich, privat und emotional nachempfinden", meint der Stadtsprecher. "Gesetze, Verordnungen, Satzungen blicken zu Anfang nicht auf die Zahlungsfähigkeit von Anwohnern. Denn es muss auch immer in unserem Handeln um das Gerechtigkeitsprinzip gehen." Anwohner Ploog könne sich die Gebühren nur leisten, wenn er Schulden mache, sagt er. "Ich werde bei der Stadt mal anfragen, ob die mir einen Kredit geben. Ich bin 85 - ich glaube, ich kriege keinen", meint er. Sollte die Stadt von ihrer Ansicht nicht abrücken, haben die Anwohner schon einen Rechtsstreit angekündigt.
