Thorsten Ammermann, Schöffe am Landgericht Osnabrück © NDR Foto: Sebastian Segabade

Schöffe am Gericht: Ein Ehrenamt mit besonderen Herausforderungen

Stand: 21.01.2023 08:00 Uhr

In Niedersachsen werden rund 6.000 Schöffen gesucht. Die Laienrichter sollen eine andere Perspektive in die Gerichtssäle bringen und so ein möglichst gerechtes Urteil fällen - keine einfache Aufgabe.

von Sebastian Segebade

Thorsten Ammermann weiß nicht mehr, bei wie vielen Verhandlungen er bereits als Schöffe am Osnabrücker Landgericht auf der Richterbank saß. An seinen ersten Fall erinnert sich der 58-Jährige aber noch gut: "Das war ein Banküberfall im Südkreis Osnabrück. Da habe ich nach dem ersten Prozesstag zu Hause gesessen und die Gesetzestexte gelesen. Ich habe kaum was verstanden. Am nächsten Tag sollte das Urteil fallen und ich hatte eine schlaflose Nacht."

VIDEO: Ehrenamt: Neue Schöffen in Osnabrück gesucht (3 Min)

Gute Zusammenarbeit zwischen Schöffen und Richtern

Ammermann erzählt das mit einem Lächeln, denn mittlerweile ist er nach fast 15 Jahren als Laienrichter deutlich erfahrener. "Die Paragrafen sind eigentlich nicht unsere Aufgabe. Wir sollen zuhören. Das gesprochene Wort in der Verhandlung zählt für uns. Wenn wir dann Abläufe oder Gesetzestexte nicht verstehen, dann fragen wir die Volljuristen im Saal. Und zwar so lange, bis wir es verstehen." Die Zusammenarbeit mit den Richterinnen und Richtern klappt gut. In den Besprechungszimmern wird jeder Fall auf Augenhöhe mit den Schöffinnen und Schöffen besprochen. Dass die Vorsitzenden Richter die Laien nicht ernst nehmen, bleibe die Ausnahme, heißt es auch vom Schöffenlandesverband in Niedersachsen.

Schöffen sind Laien und sollen es auch sein

Laienrichter werden gezielt in der Mitte der Gesellschaft gesucht. Wer als Jurist arbeitet, darf sich gar nicht erst bewerben. Die Laien sollen im Gerichtssaal eine andere Sichtweise auf den Fall bieten und so auch das Volk vertreten, in dessen Namen das Urteil gesprochen wird. In den Strafkammern des Landgerichts entscheiden sie gleichberechtigt mit über die Schuldfrage - auch wenn es um sexuellen Missbrauch, Totschlag oder Mord geht.

Mord im Klosterwald - manche Fälle belasten besonders

Das kann belastend sein. Eine Verhandlung bleibt Ammermann besonders im Kopf. Im März 2022 wurde vor dem Landgericht Osnabrück der sogenannte Mord im Klosterwald verhandelt. Ein 54-jähriger Mann hatte in Rehburg-Loccum im Landkreis Nienburg eine Studentin vergewaltigt und ermordet. Er bekam lebenslange Haft. "Als der Vater im Zeugenstand schilderte, wie er seine Tochter tot im Wald fand - das war ein Moment, wo ich sagte, ich brauche mal eine halbe Stunde für mich", so Ammermann.

Vorsicht vor Routine: "Jeden Fall für sich nehmen"

Auch nach solchen Erlebnissen in den vergangenen 15 Jahren wirkt Ammermann aufgeräumt und konzentriert, wenn er über sein Ehrenamt spricht. Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst. "Man darf das, was in den Verhandlungen passiert, nicht zu nah an sich heranlassen. Und bloß keine Routine. Jeder Fall muss für sich genommen werden."

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Eine Schöffin und ein Richter sitzen am im Schwurgerichtssaal vom Landgericht Osnabrück. © picture alliance/dpa | Friso Gentsch Foto: Friso Gentsch

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Ehrenamt ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber mitspielt

Laut dem niedersächsischem Justizministerium müssen Schöffinnen und Schöffen mit durchschnittlich zwölf Terminen im Jahr rechnen. Ammermann wiegt den Kopf und sagt: "Manchmal hört man ein paar Monate nichts - und dann kommt ein Prozess mit mehreren Terminen im Monat." Ammermann hat Glück, dass sein Arbeitgeber mitspielt: "Ich bin bei einem großen Autozulieferer im Einkauf beschäftigt, da war das nie ein Problem. Aber Freiberufler oder Handwerker haben es unter solchen Bedingungen, glaube ich, schwer."

Schöffe: "Etwas an die Gesellschaft zurückgeben"

Wer sich für das Ehrenamt als Schöffe interessiert, sollte laut Ammermann mit beiden Beinen im Leben stehen und eine ausgeglichene Person sein. Außerdem brauche es Menschenkenntnis. Er selbst will sich noch einmal für fünf Jahre wählen lassen und er hofft, noch mal an die Strafkammer des Landgerichts zu kommen. Das Schöffenamt hat ihn gepackt "und so kann ich auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben", sagt er.

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 16.01.2023 | 19:30 Uhr

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