Stand: 03.04.2017 07:06 Uhr

Programmieren geht kinderleicht

von Oliver Gressieker

Er hat sechs Ecken, ist so groß wie eine Handfläche und könnte schon bald den Unterricht an vielen Grundschulen revolutionieren. Die Rede ist vom Kleinstcomputer Calliope mini. Mit der vor Technik nur so strotzenden Platine sollen ab dem kommenden Schuljahr Drittklässler die digitale Welt kennenlernen und sogar das Programmieren lernen. Nach Angaben des Kultusministeriums werden an dem Pilotprojekt rund 30 Grundschulen aus ganz Niedersachsen teilnehmen. Verantwortlich für die Durchführung ist das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) in Zusammenarbeit mit den Universitäten Osnabrück und Oldenburg.

Erste Tests verlaufen vielversprechend

Anatoliy Fandrich vom Institut für Didaktik der Informatik an der Uni Oldenburg hat das etwa sieben mal acht Zentimeter große Gerät bereits mit Schülern getestet. Seine erste Bilanz fällt positiv aus. "Die Kinder waren unglaublich interessiert und mit großem Eifer bei der Sache", sagte der Wissenschaftliche Mitarbeiter im Gespräch mit NDR.de. "Innerhalb kurzer Zeit konnten sie bereits ihre ersten eigenen Anwendungen programmieren." Ziel des Projekts sei es, die Schüler auf ein Leben in der sich immer schneller entwickelnden digitalen Welt vorzubereiten. "Vor allem Mädchen sollen noch vor Beginn der Pubertät für die Technik begeistert werden, weil sich danach oft eine stereotype Abneigung herausbildet", so Fandrich.

Aus Bausteinen entstehen kleine Programme

Die Benutzung des von einem Kölner Unternehmer entwickelten Calliope mini ist einfach. Per USB-Kabel wird die Platine, auf der sich unter anderem ein LED-Feld, Mikrofon, Lautsprecher, Lagesensor und Taster befinden, mit einem Laptop verbunden und dann über einen Webeditor programmiert. Den Schülern stehen dazu Bausteine zur Verfügung, die sie auf der Browseroberfläche wie Puzzleteile zu sinnvollen Anwendungen zusammenfügen können. Diese werden dann in eine Datei umgewandelt und zur Ausführung auf die Platine heruntergeladen. Per Knopfdruck lässt sich so zum Beispiel ein bestimmter Gesichtsausdruck auf dem LED-Feld erzeugen oder eine selbst komponierte Tonfolge abspielen. Fortgeschrittene Nutzer können den Calliope mini auch als Taschenrechner oder Schrittzähler nutzen oder sogar die Feuchtigkeit einer Pflanze überprüfen. Die Platine hat laut Fandrich viel mehr Potenzial, als man in der Grundschule nutzen könne.

Mehrere Bundesländer in den Startlöchern

Der nach der griechischen Muse der Wissenschaft benannte Calliope mini wurde im November 2016 auf dem 10. Nationalen IT-Gipfel in Saarbrücken vorgestellt. Er orientiert sich am Minicomputer micro:bit, der seit zwei Jahren von Siebtklässlern in Großbritannien erfolgreich genutzt wird. Niedersachsen ist das dritte Bundesland nach dem Saarland und Bremen, das sich für die Durchführung eines Pilotprojekts entschlossen hat. Weitere Länder wie Hamburg und Rheinland-Pfalz haben ähnliche Pläne. "Von der Erprobungsphase versprechen wir uns wichtige Erkenntnisse darüber, wie ein sinnvoller Einsatz von IT bereits zu Beginn der Schullaufbahn aussehen kann", sagte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). "Wir wollen möglichst früh den Grundstein für die Ausbildung informatorisch kompetenter Schülerinnen und Schüler legen."

Genauer Ablauf und Kosten noch unklar

Mehrere Platinen Calliope mini liegen auf einem Tisch. © NDR Foto: Oliver Gressieker
Die Platinen kosten pro Stück etwa 30 Euro.

Welche 30 Schulen in Niedersachsen demnächst mit dem Calliope mini arbeiten werden, steht noch nicht fest. "Die Kriterien und das konkrete Auswahlverfahren werden derzeit definiert", teilte ein Sprecher des Kultusministeriums schriftlich mit. Auch zu den Kosten des Projekts gibt es noch keine belastbaren Aussagen. Die Fragen, wer diese trägt und wie hoch sie sind, befänden sich gerade in der Klärung, hieß es. Bekannt ist bisher lediglich, dass eine Calliope-mini-Platine rund 30 Euro kostet. Das Pilotprojekt wird laut Kultusministerium mindestens über ein Schulhalbjahr laufen. Danach soll über eine flächendeckende Einführung entscheiden werden.

Landeselternrat fürchtet Überforderung der Lehrer

Der Landeselternrat sieht die Nutzung des Calliope mini trotz aller Vorschusslorbeeren mit Skepsis. "Grundsätzlich begrüßen wir zwar die Anwendung neuer Medien", sagte der Vorsitzende Stefan Bredehöft NDR.de. "Aber wir haben Zweifel, dass bei einer flächendeckenden Einführung die entsprechende Kompetenz der Lehrer gewährleistet werden kann. Das ist aus unserer Sicht eine Herausforderung, wenn nicht sogar eine Utopie." Die Lehrer hätten bereits so genügend Aufgaben und es bestehe die Gefahr einer Überforderung. Außerdem gebe es im Pflichtbereich zahlreiche Dinge, die zunächst optimiert werden müssten, so Bredehöft.

Dieses Thema im Programm:

07.02.2017 | 19:30 Uhr

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