Kommentar: Weil hat Chance zu Reformen nicht voll genutzt

Stand: 01.11.2022 21:23 Uhr

Es ist zu bezweifeln, dass die neue rot-grüne Landesregierung mutig und reformwillig ans Werk geht - was vor allem bei der Größe des Kabinetts und der Personalie für den VW-Aufsichtsrat offenbar wird.

Ein Kommentar von Thorsten Hapke

Thorsten Hapke © NDR/Michael Uphoff Foto: Michael Uphoff
Der neuen Regierung hätte mehr Reformwillen gut zu Gesicht gestanden, meint NDR Chefredakteur Thorsten Hapke.

Sieht so Aufbruch aus? SPD und Grüne sind stolz darauf, wie geräuschlos sie sich auf die neue Regierung verständigt haben. In der Tat, schnell ist es gegangen. Doch ob da wirklich eine mutige, reformwillige Regierung an den Start geht, darf bezweifelt werden. Tatsächlich hätte es die Chance gegeben, Reformbereitschaft zu zeigen, und zwar bei der Größe des Kabinetts. Vor fünf Jahren hatten SPD und CDU ein zusätzliches Ministerium geschaffen, das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten. Das hatte damals vor allem machtarithmetische Gründe, denn SPD und CDU, von annähernd gleich vielen Menschen gewählt, wollten gleich viele Ministerien besetzen.

Machtarithmetik statt Reformbereitschaft

Jetzt wäre die Chance gewesen, diesen Schritt wieder rückgängig zu machen und das Europaministerium abzuschaffen. Schließlich war die erste rot-grüne Regierung unter Ministerpräsident Stephan Weil auch ohne ausgekommen. Dieses Ressort jetzt zu streichen, wäre ein schönes Symbol gewesen für Reformbereitschaft, für Sparwillen in ernsten Zeiten. Doch die Verschlankung der Regierung unterblieb.

Schwer zu vermitteln: Eine fachfremde Ministerin im VW-Aufsichtsrat

Stattdessen wurde mit der Ressortverteilung eine weitere Merkwürdigkeit beschlossen. Zwei Sitze hat das Land Niedersachsen im VW-Aufsichtsrat. Bei der ersten rot-grünen Regierung vor zehn Jahren übernahmen Ministerpräsident und Wirtschaftsminister diese Aufgabe, inhaltlich naheliegend. Jetzt wollten die Grünen bei VW mitreden. Und tatsächlich nimmt im VW-Aufsichtsrat die völlig fachfremde Kultusministerin Platz. Was die in diesem Gremium zu suchen hat, dürfte internationalen Investoren schwer zu erklären sein.

Der Eindruck: Weil fehlt es an gestalterischer Kraft

Die Kabinettsbilanz lautet also: Ein Ressort mehr, ein Aufsichtsratsposten für die grüne Spitzenkandidatin. Für den Koalitionsfrieden mag Beides zuträglich sein. Der große Wurf, der Aufbruch ist dieses Kabinett allerdings nicht. Stattdessen entsteht der Eindruck, als wenn es Ministerpräsident Weil am Beginn seiner letzten Amtszeit an gestalterischer Kraft fehlt.

Weitere Informationen
Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, und Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen), kommen zur Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD und Grüne in Niedersachsen. © dpa-Bildfunk Foto: Swen Pförtner

Niedersachsen: Die Eckpunkte der künftigen Regierungspolitik

SPD und Grüne haben den Koalitionsvertrag für Niedersachsen vorgestellt: Bildung und Klimaschutz sind Schwerpunkte.(01.11.2022) mehr

Mitglieder von SPD und Grünen sitzen bei Koalitionsverhandlungen an Tischen zusammen. © picture alliance/dpa | Michael Matthey Foto:  Michael Matthey

Das ist die neue niedersächsische Landesregierung

Nicht nur der Koalitionsvertrag von Rot-Grün steht. Auch die Ministerposten sind bereits verteilt. (01.11.2022) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 01.11.2022 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

SPD

Landtagswahl Niedersachsen

Grüne

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Der Polizeipressesprecher Heiner van der Werp gibt eine Erkärung zu der Suche nach dem vermissten Arian ab. © NDR

Vermisster Arian: Einsatzkräfte stellen flächendeckende Suche ein

Der Junge ist seit einer Woche verschwunden. Nun soll von Zeven aus weiter ermittelt werden. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage: Demokratie unter Druck?