Kommentar: Weil hat Chance zu Reformen nicht voll genutzt
Es ist zu bezweifeln, dass die neue rot-grüne Landesregierung mutig und reformwillig ans Werk geht - was vor allem bei der Größe des Kabinetts und der Personalie für den VW-Aufsichtsrat offenbar wird.
Ein Kommentar von Thorsten Hapke

Sieht so Aufbruch aus? SPD und Grüne sind stolz darauf, wie geräuschlos sie sich auf die neue Regierung verständigt haben. In der Tat, schnell ist es gegangen. Doch ob da wirklich eine mutige, reformwillige Regierung an den Start geht, darf bezweifelt werden. Tatsächlich hätte es die Chance gegeben, Reformbereitschaft zu zeigen, und zwar bei der Größe des Kabinetts. Vor fünf Jahren hatten SPD und CDU ein zusätzliches Ministerium geschaffen, das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten. Das hatte damals vor allem machtarithmetische Gründe, denn SPD und CDU, von annähernd gleich vielen Menschen gewählt, wollten gleich viele Ministerien besetzen.
Machtarithmetik statt Reformbereitschaft
Jetzt wäre die Chance gewesen, diesen Schritt wieder rückgängig zu machen und das Europaministerium abzuschaffen. Schließlich war die erste rot-grüne Regierung unter Ministerpräsident Stephan Weil auch ohne ausgekommen. Dieses Ressort jetzt zu streichen, wäre ein schönes Symbol gewesen für Reformbereitschaft, für Sparwillen in ernsten Zeiten. Doch die Verschlankung der Regierung unterblieb.
Schwer zu vermitteln: Eine fachfremde Ministerin im VW-Aufsichtsrat
Stattdessen wurde mit der Ressortverteilung eine weitere Merkwürdigkeit beschlossen. Zwei Sitze hat das Land Niedersachsen im VW-Aufsichtsrat. Bei der ersten rot-grünen Regierung vor zehn Jahren übernahmen Ministerpräsident und Wirtschaftsminister diese Aufgabe, inhaltlich naheliegend. Jetzt wollten die Grünen bei VW mitreden. Und tatsächlich nimmt im VW-Aufsichtsrat die völlig fachfremde Kultusministerin Platz. Was die in diesem Gremium zu suchen hat, dürfte internationalen Investoren schwer zu erklären sein.
Der Eindruck: Weil fehlt es an gestalterischer Kraft
Die Kabinettsbilanz lautet also: Ein Ressort mehr, ein Aufsichtsratsposten für die grüne Spitzenkandidatin. Für den Koalitionsfrieden mag Beides zuträglich sein. Der große Wurf, der Aufbruch ist dieses Kabinett allerdings nicht. Stattdessen entsteht der Eindruck, als wenn es Ministerpräsident Weil am Beginn seiner letzten Amtszeit an gestalterischer Kraft fehlt.
