Niedersachsen: Die Eckpunkte der künftigen Regierungspolitik

Stand: 02.11.2022 08:13 Uhr

SPD und Grüne haben die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen: Am Dienstag präsentierten sie den Koalitionsvertrag für die designierte rot-grüne Landesregierung. Und der enthält große Investitionsversprechen.

von Mandy Sarti

Denn Rot-Grün versteht sich als Krisenmanagerin - Motto der neuen Landesregierung ist "Sicher in Zeiten des Wandels". Der designierte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist überzeugt: "Im Vordergrund muss deshalb die Krisenbekämpfung stehen." Die designierte Vize-Ministerpräsidentin und Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) machte deutlich, dass Rot-Grün für eine Mischung aus Stabilität und Kontinuität aber auch für ein klares Bekenntnis stehe, die Zukunft zu gestalten. Dafür braucht es nach Auffassung der beiden Parteien Geld und Investitionen.

Soforthilfen sollen noch in diesem Jahr kommen

Noch in diesem Jahr wollen SPD und Grüne deshalb ein "Niedersächsisches Sofortprogramm gegen die Energiekrise" auf den Weg bringen. Mithilfe eines Nachtragshaushaltes wollen sie rund eine Milliarde Euro bereitstellen, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Landes abzumildern. Beide Parteien lösen damit ein Wahlversprechen ein. Daneben will die designierte Landesregierung weiter investieren: Laut Koalitionsvertrag soll ein Niedersachsenfonds eingerichtet werden. Kritische Stimmen halten dies für eine Umgehung der Schuldenbremse. Weil argumentierte indes: "Wir kennen den rechtlichen Rahmen, wir wissen aber auch, dass die Schuldenbremse durchaus die Möglichkeit zu Alternativen bietet, und diese Möglichkeiten wollen wir nutzen."

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Mitglieder von SPD und Grünen sitzen bei Koalitionsverhandlungen an Tischen zusammen. © picture alliance/dpa | Michael Matthey Foto:  Michael Matthey

Das ist die neue niedersächsische Landesregierung

Nicht nur der Koalitionsvertrag von Rot-Grün steht. Auch die Ministerposten sind bereits verteilt. mehr

Neue Landesregierung verfügt über zusätzliche Steuereinnahmen

Erstes Geld dafür liegt bereits vor. Der Steuerschätzung zufolge darf Niedersachsen mit höheren Steuereinnahmen rechnen als bisher prognostiziert. Allein im Vergleich zur letzten Steuerschätzung im Mai ergeben sich Zuwächse in Höhe von 908 Millionen Euro in diesem Jahr und 579 Millionen Euro im Jahr 2023, wie das Finanzministerium in Hannover am Dienstag mitteilte. Bis 2026 ergeben sich unter Berücksichtigung des kommunalen Finanzausgleichs rechnerisch Zuwächse in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro pro Jahr.

Wirtschaft

  • Um kleine und mittlere Unternehmen zu stärken, versprechen SPD und Grüne, einen Transformationsfonds einzurichten. Damit sollen die Firmen gefördert werden, die mit Eigenkapital sozial und ökologisch nachhaltig investieren.

  • Die designierte Landesregierung will das Handwerk stärken. Dies soll mit einer "Aus-, Weiterbildungs- und Umschulungsinitiative" geschehen. Meisterausbildung und Bachelorstudium sollen gleichgesetzt werden.

  • Der öffentliche Nahverkehr soll bezahlbarer werden. Deshalb versprechen SPD und Grüne den Länderanteil des geplanten 49-Euro-Tickets mitzutragen. Außerdem wollen sie ein 29-Euro-Ticket für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Freiwilligendienstleistende auf den Weg bringen.

Energie und Klimaschutz

  • Rot-Grün will die Emissionen bis 2030 um 75 Prozent senken. Bis 2040 soll das Land laut Koalitionsvertrag klimaneutral sein.

  • SPD und Grüne wollen die relevanten geplanten Maßnahmen einem Klimacheck unterziehen. Damit soll die Haushalts- und Finanzpolitik auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet werden.

  • Unter Rot-Grün soll ein Klimavorrang beim Ausbau der erneuerbaren Energien eingeführt werden. Wegen des "überragenden öffentlichen" Interesses sollen die Verfahren vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert werden.

Bildung

  • Einen kostenintensiven Schwerpunkt setzt die designierte Landesregierung mit der besseren Bezahlung der Grund-, Haupt- und Realschullehrkräfte. Das Einstiegsgehalt soll künftig bei A13 liegen - dies gilt auch für diejenigen, die bereits im Schuldienst tätig sind. Kostenpunkt: Jährlich zwischen 220 und 300 Millionen Euro.

  • Schulen sollen außerdem mehr pädagogische Freiheiten erhalten. SPD und Grüne wollen schrittweise digitale Endgeräte für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stellen.

  • SPD und Grüne bekennen sich zur stufenweisen Einführung der dritten Kita-Kraft bis 2027. Darüber hinaus wollen sie prüfen, wie Kitas mit erhöhtem Bedarf zusätzlich unterstützt werden können.

Hochschule und Kultur

  • Die Finanzierungsmittel für Baumaßnahmen an Hochschulen sollen erhöht werden.

  • Rot-Grün verspricht die Pro-Kopf-Ausgaben für Kunst und Kultur zu erhöhen.

Soziales

  • Die beiden Parteien wollen eine Kinderschutzstrategie entwickeln und ein Kinderschutzgesetz auf den Weg bringen. Zudem soll das Wählen ab 16 eingeführt werden.

  • Der Hebammenberuf soll gestärkt werden. Außerdem will die designierte Landesregierung prüfen, wie das Land die Geburtshilfe fördern kann.

Inneres und Justiz

Die Koalitionäre sichern zu, die Sicherheitsbehörden personell und technisch besser auszustatten. Eine konkrete Zahl lassen sie aber offen. Die designierte Landesregierung plant, eine Erhöhung der Einstiegsbesoldung bei der Polizei zu prüfen - das Zulagensystem soll am Bund orientiert und stufenweise angehoben werden.

  • Rot-Grün will eine Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte in geschlossenen Einsätzen einführen. Diese wird befristet und evaluiert.

  • Ein niedersächsisches Antidiskriminierungsgesetz soll eingeführt werden. Zudem will die künftige Landesregierung niedrigschwellige Angebote für Betroffene von Diskriminierung schaffen.

  • Rot-Grün will außerdem ein Teilhabe- und Partizipationsgesetz schaffen. Daneben soll die Migrationsberatung gestärkt werden. Menschen, die von Kettenduldung betroffen sind, wollen SPD und Grüne mehr Perspektiven bieten.

Landwirtschaft

  • SPD und Grüne wollen ein "Sonderprogramm Klimakrise" auf den Weg bringen. Mit dem Programm soll über die gesamte Legislatur hinweg der Klimaschutz gefördert werden.

  • Der Koalitionsvertrag sieht auch eine Ausweitung des Ökolandbaus vor. Bis 2025 soll der Anteil bei mindestens zehn Prozent und bis 2030 bei mindestens 15 Prozent liegen.

  • Rot-Grün will das Tierwohl stärker in den Fokus rücken. Auf Bundesebene will die Koalition deshalb die planungs- und genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen vorantreiben. Darüber hinaus will sich die designierte Landesregierung für bessere Finanzierungsinstrumente beim Bund einsetzen. Das Land will ergänzend Mittel bereitstellen - insbesondere in der Schweinehaltung.


02.11.2022 08:09 Uhr

Hinweis der Redaktion: Im Absatz Bildung hatten wir fälschlicherweise geschrieben, dass die Kosten für ein A13-Einstiegsgehalt für alle Lehrkräfte jährlich zwischen 220 und 300 Milliarden Euro liegen würden. Die Einheit ist falsch. Es sind 220 bis 300 Millionen Euro. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

 

 

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 01.11.2022 | 19:30 Uhr

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