Eine Frau hält eine russische Flagge aus dem Beifahrer-Fenster eines Autos. © Picture Alliance Foto: Michael Matthey

Hannover: Tausende protestieren gegen pro-russischen Autokorso

Stand: 10.04.2022 19:56 Uhr

In Hannover haben sich am Sonntag mehr als 600 Personen mit 350 Fahrzeugen an einem pro-russischen Autokorso beteiligt. Ihnen standen laut Polizei mindestens 3.500 Anti-Kriegs-Demonstranten gegenüber.

In der Innenstadt hielt eine Sitzblockade von rund 60 Menschen die Autos nach Angaben der Polizei zwischenzeitlich auf, zudem wurden Eier geworfen. Ein Teil der Autos sei abgeleitet worden, sagte ein Sprecher. Der Korso sei daher "etwas zerrissen", die Lage sei aber ohne größere Auseinandersetzungen geklärt worden. Laut dem Sprecher wurde von Demonstrierenden versucht, mindestens ein Auto anzugreifen. Die Beamten hätten die Personen aber zurückdrängen können. Die Beifahrerin eines Autos aus dem Korso soll Pfefferspray gegen einen Radfahrer eingesetzt haben. Gegen sie wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Weiteren Angaben zufolge wurden im Rahmen des Autokorsos keine Symbole gezeigt, die den Krieg in der Ukraine verherrlichen. Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuvor angekündigt, dass die Polizei russische Kriegspropaganda auf deutschen Straßen nicht dulden werde.

Freundeskreis: "Hannover zeigt Haltung"

Demonstranten halten ukrainische Flaggen. © NDR Foto: Bruno Brauer
Die Gegendemonstranten waren deutlich in der Überzahl.

Auf der Gegendemonstration wurden zahlreiche ukrainische Flaggen geschwenkt. Aufgerufen zu der Demo hatte der sogenannte Freundeskreis Hannover. Die Anti-Kriegs-Demonstrierenden versammelten sich auf dem Platz zwischen der Ruine der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Aegidienkirche und dem Rathaus. "Hannover zeigt Haltung für eine sofortige Beendigung des Krieges", sagte der Vorsitzende des Freundeskreises, Matthias Görn, im Vorfeld. Die Bürgermeisterin Monica Plate (Grüne) betonte mit Blick auf die Menschenmenge und in Anspielung auf den Autokorso: "Das hier ist Hannover, nicht das, was auf den Straßen fahren wird." Der aus Hannover stammende Bundestagsabgeordnete Sven Kindler (Grüne) twitterte: "Bei der Gegendemo ist es sehr voll, viel mehr als erwartet." Der Autokorso "zur Unterstützung des russischen Angriffskrieges ist eine widerliche Verhöhnung der ukrainischen Opfer", schrieb er.

Verzögerungen bei der Abfahrt

Die Abfahrt des Autokorsos hatte sich verzögert, weil die Motorhauben durch aufspannbare Flaggen nicht verdeckt sein durften, wie ein Polizeisprecher sagte. Das sei eine der Auflagen gewesen. In einem Fall musste eine Flagge der nur von Russland anerkannten sogenannten Volksrepublik Donezk entfernt werden. Die Beamten nahmen jedes der Autos, die zum Teil mit Familien voll besetzt waren, genau unter die Lupe. Der Korso startete schließlich mit rund 80 Minuten Verspätung im Bereich Linden-Limmer. Er verlief laut Polizei durch die Stadtteile Mitte, Vahrenwald, List, Zoo und Calenberger Neustadt. Eine Privatperson hatte die Versammlung mit dem Motto "Gegen Volksverhetzung, Mobbing und Diskriminierung der russischen Bevölkerung" angemeldet. Die Initiatoren wollen nach eigenen Angaben russischsprachige Menschen in Deutschland und Europa unterstützen. Vor einer Woche hatte ein Autokorso durch Berlin, an dem laut Polizei rund 400 Fahrzeuge teilnahmen, Empörung ausgelöst.

Gegendemonstranten an der Korso-Strecke

Demonstranten halten ukrainische Flaggen. © NDR Foto: Bruno Brauer
Beim Protest gegen den Autokorso schwenkten Demonstrierende blau-gelbe Flaggen.

Der Autokorso musste auf seiner Tour zeitweilig durch ein Spalier ukrainischer Fahnen fahren. Gegendemonstrierende schwenkten die blau-gelben Flaggen und hielten Schilder in deutscher, russischer und ukrainischer Sprache hoch. Auf ihnen war neben einem durchgestrichenen "Z" unter anderem zu lesen: "Russen, Putin ist auch euer Feind!" Auf Panzern und Uniformen der Russen im Ukraine-Krieg ist häufig ein weißes "Z" zu sehen.

Schilder bei Demo in Osnabrück beschlagnahmt

Auch in Osnabrück gab es am Sonntag eine pro-russische Demonstration. Die Teilnehmenden zogen zu Fuß über den Schlosswall. Die Polizei sprach von rund 220 Menschen. Die Einsatzkräfte beschlagnahmten vor Beginn mehrere Schilder. Nach Angaben eines Polizeisprechers besteht der Verdacht, dass damit der Krieg in der Ukraine verherrlicht werden sollte. Es werde geprüft, ob es sich dabei um Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten handelt. Es seien die Personalien der jeweiligen Personen aufgenommen worden, so der Sprecher. Die Veranstaltung war als Demonstration gegen Rassismus und Nationalismus angemeldet worden.

Weitere Informationen
Flaggen mit den russischen Nationalfarben und dem russischen Staatswappen wehen an einem Auto. © picture alliance/dpa/Carsten Koall Foto: Carsten Koall

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 10.04.2022 | 16:00 Uhr

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