Diskriminierung von Roma? Stadt Hannover räumt Antiziganismus ein

Stand: 04.10.2023 18:30 Uhr

Eine Studie der Leibniz Universität wirft der Stadtverwaltung Hannover vor, jahrelang systematisch Roma diskriminiert zu haben. Diese räumte antiziganistische Handlungsmuster in den eigenen Reihen ein.

Roma sollen in Hannover gezielt in teils menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht oder immer wieder willkürlich umquartiert worden sein. Dies legt eine Studie der Leibniz Universität Hannover dar. Demzufolge seien zudem beim Jobcenter Anträge von Roma verloren gegangen und zustehende Dolmetscher verweigert worden. Zunächst hatte die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" über die Studie berichtet.

Der Begriff "Antiziganismus"

Unter dem Begriff Antiziganismus wird laut Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) die Diskriminierung gegen Angehörige der Sinti- und Roma-Minderheiten zusammengefasst. Dazu zählen auch rassistische Vorurteile, die abwerten oder romantisieren. Der Begriff Antiziganismus wird häufig genutzt, ist aber umstritten, weil er die abwertende Bezeichnung "Zigeuner" gegenüber Sinti und Roma beinhaltet.

Stadtverwaltung habe "Unbequemlichkeitskultur" gefördert

All die Schritte zur Ausgrenzung sind laut den Autoren der Studie vorgenommen worden, um den Roma das Leben in Hannover möglichst unbequem zu machen und keinen Anreiz für weitere Zuzüge zu setzen. Die Autoren sprechen demzufolge von einer "Unbequemlichkeitskultur" in der Stadt und sehen darin einen Beleg für institutionellen Antiziganismus und Rassismus. Die Stadt Hannover wies in einer Mitteilung einige konkrete Vorwürfe zurück, etwa die Verteilung auf Unterkünfte nach Herkunft oder Ethnie. Sie räumte aber ein, "dass es antiziganistische Handlungsmuster innerhalb der Verwaltung gibt" und dort eine "Unbequemlichkeitskultur" etabliert worden sei. Das sei inakzeptabel. Gleichzeitig verweist die Stadt in ihrer Mitteilung auf Projekte etwa im Bildungsbereich, mit denen Roma-Familien unterstützt würden.

Diskriminierung begrenzt sich nicht auf Hannover

Die Stadt Hannover lädt die Autoren der Studie wie auch Sinti- und Roma-Vereine nach eigenen Angaben zu einem offenen Austausch ein. Man wolle diskriminierende und rassistische Muster in der Verwaltung unterbinden. Die Niedersächsische Beratungsstelle für Sinti und Roma zeigt sich von den Vorwürfen nicht überrascht. Viele Betroffene würden sich mit solchen Anliegen regelmäßig melden, so der Vorsitzende der Vereinigung, Mario Franz. Laut Franz würden Sinti und Roma auch in anderen niedersächsischen Städten diskriminiert. So berichtet es auch der Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler. Die Ergebnisse würden "den dringenden Bedarf nach einer Auseinandersetzung mit antiziganistischen Denk- und Handlungsweisen in staatlichen Stellen" verdeutlichen. Positiv sei, dass die Stadt das Problem anerkenne. "Es braucht einen Prozess der selbstkritischen Überprüfung und der Veränderung - nicht nur in der Stadtverwaltung Hannover, sondern in der öffentlichen Verwaltung bundesweit", so Daimagüler.

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