Ismeta Stojkovic © NDR / Kadriye Acar Foto: Kadriye Acar

Muslimische Roma: Doppelte Diskriminierung?

Stand: 04.11.2022 06:00 Uhr

Die Roma sind ein uraltes Volk - aber über ihren Glauben ist wenig bekannt. Wie es für Angehörige der Volksgruppe ist, als Musliminnen und Muslime zu leben, berichten zwei Betroffene.

von Kadriye Acar

Weltweit leben zirka 20 bis 22 Millionen Roma, in Deutschland sind es nach offiziellen Angaben bis zu 150.000. Fachleute gehen davon aus, dass es wesentlich mehr sind. Einer von ihnen ist Orhan Ismaili. Der gebürtige Mazedonier ist nicht nur ein Angehöriger der Roma - er ist auch Muslim: "Ich bin ein stolzer Muslim, ich glaube an Allah. Ich versuche, fünf Mal am Tag zu beten. Ich faste, wenn Ramadan ist", sagt Ismaili.

Ismeta Stojkovic, auch eine Romni und eine Muslimin, arbeitet als Projektleiterin bei einer Meldestelle für Antizinganismus, dem Rassismus gegenüber Sinti und Roma. Auch sie ist Muslimin: "Das ist kein Widerspruch, weil die Nationalität Roma an sich mit keinem Glauben fest verknüpft ist. Deswegen nehmen Roma grundsätzlich den Glauben der Mehrheitsgesellschaft an, je nachdem, wo sie wohnen. Allerdings kann das auch unterschiedlich sein. In Serbien, wo ich wohne, sind schätzungsweise 60, wenn nicht 70 Prozent der Roma christlich-orthodox. Denn die serbische Bevölkerung ist mehrheitlich orthodox. Aber der andere Teil der Roma hat mit der Invasion der Osmanen in den Balkanländern den Islam als eigenen Glauben angenommen. Die mazedonischen Roma sind - meines Wissens nach - fast nur Muslime", erklärt Ismeta Stojkovic.

Vorurteile und Rassismus

Wie Orhan Ismaili, der polyglotte Lehrer und Schlagzeuger: "Ich habe in Amerika ein Konzert gespielt. Daraufhin wurde ich zum Spielen in die Kirche eingeladen. Ich habe zugestimmt. Mit dem Chef habe ich ein bisschen gesprochen und er hat gefragt, woher ich komme. Ich habe mich gut und höflich vorgestellt: 'Ich komme aus Mazedonien.'. Auf die Frage nach meiner Nationalität antwortete ich: 'Roma'. Er wollte wissen, was das ist, also sagte ich: 'Ich bin Gypsy'. Er war enttäuscht und sagte, dass er das nicht glauben könne."

Der muslimische Rom Orhan Ismaili © NDR / Kadriye Acar Foto: Kadriye Acar
Der muslimische Rom Orhan Ismaili hat wegen seiner Volkszugehörigkeit und seines Glaubens Rassismus erlebt.

Orhan fährt fort: "Der Mann war ein religiöser Mensch und fragte nach meiner Religion. Ich antwortete, dass ich Muslim sei. Daraufhin erwiderte er empört: 'Was, spinnst Du? Machst du dich über mich lustig? Du behauptest, du bist Roma oder Gypsy. Moslem? Das kann nicht sein. Die Muslime sind blöd, nicht integriert. Du sprichst gut Englisch, verschiedene Sprachen, du bist gut angezogen'. Er war ein bisschen enttäuscht", berichtet Orhan von seiner Begegnung.

Steigendes Selbstbewusstsein

Auch Ismeta Stojkovic hat Rassismus erlebt. Sowohl als Muslimin als auch als Romni. Sie stellt fest, dass in den letzten Jahren das Selbstvertrauen der muslimischen Roma zugenommen hat: "Es gibt in den letzten 20 Jahren meines Wissens nach Moscheen, die Roma selbst gegründet haben. Dort sind Roma auch Prediger", so Stojkovic.

"Ich trage kein Kopftuch, weil ich keine praktizierende Muslimin bin und nicht dem Mainstream-Islam folge. Aber aus meiner Erfahrung gibt es viele Roma-Frauen, die ein Kopftuch tragen. Das ist auch wieder etwas Neues. In der Generation meiner Oma trugen alle Frauen ein Kopftuch, aber nicht des Glaubens wegen. Das war ein Teil der Kleidung. In letzter Zeit hat sich dieses Gefühl des praktizierenden Glaubens wieder weiterentwickelt."

Somit entwickelt sich die Religion als Zufluchtsort für diejenigen, die in Bedrängnis und Verfolgung geraten. Und stellt einen weiteren Grund für Diskriminierung und Ablehnung dar.

 

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Die Kuppel des Felsendoms in Jerusalem © NDR

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 04.11.2022 | 15:20 Uhr

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