Corona-Pandemie: Werden Menschen mit Behinderung vergessen?
Verbände fordern bei Entscheidungen in der Corona-Krise mehr Mitsprache für Menschen mit Behinderung. Niedersachsen will den Einsatz von Schnelltests in Wohneinrichtungen und Werkstätten unterstützen.
Vertreter der Behindertenhilfe beklagen, dass die Politik die Bedürfnisse und Ängste von Menschen mit Behinderungen bei der Wahl von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht ausreichend beachte. So seien vor allem Menschen mit geistigen Einschränkungen besonders hart von den Auswirkungen der Corona-Regeln getroffen. "Nach den guten Fortschritten im Bemühen um Inklusion bedeutet Corona fast eine Rolle rückwärts", sagte Ulrich Stoebe, Direktor der Diakonie Himmelsthür in Hildesheim.
Bei Maßnahmen nicht berücksichtigt
Stoebe hat in seiner Einrichtung beobachtet, dass die Bewohner starke Ängste und Aggressionen entwickelten. "Ihr Alltag wurde komplett über den Haufen geworfen. Die psychische Belastung ist groß, gerade weil viele den Corona-Sachverhalt nicht nachvollziehen können." Zudem drohten im sogenannten Lockdown Lagerkoller. Für den Verband Caritas Behindertenhilfe sind diese Ausprägungen eine Frage fehlender Teilhabe. Weder die Einrichtungen noch die Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen würden bei relevanten Gesetzentwürfen ausreichend berücksichtigt, sagte ein Sprecher. Zudem profitierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen nicht von der Corona-Prämie.
"Dürfen in der Pandemie nicht abgehängt werden"
Stoebe fordert, dass Bewohner von Einrichtungen und deren Betreuer vorrangig geimpft werden sollten. "Menschen mit Behinderungen dürfen in der Pandemie nicht abgehängt werden", sagte er. Jürgen Dusel, Bundesbehindertenbeauftragter, forderte, die bevorstehenden Impfkampagnen barrierefrei - beispielsweise in Gebärden- oder leichter Sprache - zu gestalten. "Viele Menschen mit Behinderungen gehören zur vulnerablen Gruppe und haben einen Anspruch auf verständliche Informationen", sagte Dusel.
Schnelltests sollen Wohnbereiche sicherer machen
Die niedersächsische Landesregierung will helfen, die Infektionsgefahr in den Wohnbereichen für Menschen mit Behinderungen zu reduzieren. Das Land unterstütze die Einrichtungen bei der Umsetzung von Schnelltests, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. So könnten Infektionsgeschehen frühzeitig erkannt und Besuche sicherer gestaltet werden.
