Corona-Gipfel: Bürger müssen Kontakte stärker reduzieren
Die Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Merkel haben schärfere Corona-Maßnahmen für die Adventszeit beschlossen - und Lockerungen für Weihnachten in Aussicht gestellt.
Mehr als sieben Stunden berieten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder am Mittwoch in einer Videoschalte gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Maßnahmen für den Dezember - mit speziellem Blick auf Weihnachten und Silvester. Demnach werden die Kontaktbeschränkungen bis zu den Feiertagen noch einmal verschärft. Die bisherigen Maßnahmen hätten nicht ausgereicht, um die Infektionszahlen zu senken, hieß es. "Deshalb ist es nicht nur nicht die Zeit für Lockerungen, sondern für noch mehr Zurückhaltung in den direkten Kontakten und für noch mehr Umsicht und Vorsicht und Rücksichtnahme auf andere", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Anschluss an die Beratungen.
Kontakte: Maximal fünf Personen aus zwei Haushalten
Ziel sei es, mit den Maßnahmen jeden nicht notwendigen Kontakt zu vermeiden. Dementsprechend werden in den nächsten Wochen private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten auf maximal fünf Personen aus maximal zwei Haushalten beschränkt. Kinder bis 14 Jahren sind davon ausgenommen. "Wenn möglichst viele sich im Dezember an diese Regel halten, wird es", laut Weil, "gut vertretbar sein, über Weihnachten bis zum 1. Januar die Kontaktbeschränkungen maßvoll zu lockern." Bis zu zehn Personen sollen zwischen dem 23. Dezember und Neujahr zusammenkommen dürfen, die Begrenzung auf zwei Haushalte werde vorübergehend ausgesetzt. Kinder bis 14 Jahre zählen nicht mit.
Weihnachtsferien beginnen am 19. Dezember
Um das Infektionsrisiko bei einem Treffen mit der Verwandtschaft zu reduzieren, haben Bund und Länder zudem entschieden, die Weihnachtsferien vorzuziehen. Der letzte Schultag ist demnach der 18. Dezember. "Wir möchten allen Kindern und Jugendlichen die Chance geben, ihre Großeltern an Weihnachten zu sehen, ohne sie zu gefährden", sagte Ministerpräsident Weil. "Natürlich klappt das nur, wenn man sich in den dann schulfreien Tagen bis Weihnachten sehr zurückhält, was direkte Kontakte mit anderen anbelangt."
Tonne stellt "Hotspot-Strategie Schule" vor
Generell sollen Schulen weiterhin im Präsenzunterricht bleiben. Das habe sich bewährt und komme insbesondere Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Familien zugute, sagte Weil. Um die Ansteckungsgefahr in Schulen zu reduzieren, sollen künftig zusätzliche Regeln gelten. Bei Corona-Fällen an Schulen soll künftig einheitlich vorgegangen werden: Infizierte und alle Klassenkameraden sollen sofort für fünf Tage in Quarantäne geschickt werden. Danach ist ein Schnelltest vorgesehen. Ist der negativ, dürfen die Schüler wieder in die Schule. Für Lehrer soll die Quarantänepflicht nicht gelten. Für Schulen in Infektions-Hotspots hat Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) am Donnerstag zusätzlich eine "Hotspot-Strategie Schule" vorgestellt.
Weitere Entscheidungen der Bund-Länder-Konferenz
- Betriebe und Einrichtungen in Gastronomie, Kultur, Tourismus, Sport und im Bereich körpernahe Dienstleistungen bleiben weiter zu - vermutlich bis Anfang Januar 2021
- "Novemberhilfen" für betroffene Firmen und Einrichtungen werden im Dezember fortgeführt, der Bund stellt voraussichtlich 17 Milliarden Euro zur Verfügung
- strengere Auflagen für den Kundenverkehr in Kaufhäusern und eine Ausweitung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum vor Geschäften und auf Parkplätzen
- Einführung eines neuen Corona-Warnparameters bei einem Inzidenzwert von mehr als 200 Infizierten pro 100.000 Einwohnern
- keine Großveranstaltungen in Glaubensgemeinschaften zu Weihnachten
- Silvester-Feuerwerk an öffentlichen Plätzen und belebten Straßen verboten
Althusmann kritisiert Einschränkungen für Handel
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) kritisierte unterdessen die Einschränkungen für den Groß- und Einzelhandel. Zwar bleiben die Geschäfte geöffnet, doch soll sich in kleinen Geschäften mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern höchstens eine Person auf je 10 Quadratmetern aufhalten, in größeren Geschäften muss auf eine Person 20 Quadratmeter Einkaufsfläche kommen. Anstatt dass Menschen nach den geltenden Abstands- und Hygieneregeln und mit Maske einkaufen können, werden sich nach Einschätzung von Althusmann vielerorts lange Schlangen vor den Geschäften bilden. "Hier gehen die Einschränkungen am Ziel, möglichst hohen Schutz zu erreichen, vorbei", sagte Althusmann. Die ohnehin existenzbedrohende Situation vieler Einzelhändler werde sich durch die neuen Einschränkungen und damit verbundenen Umsatzausfälle verschärfen, so der Wirtschaftsminister.
Handelsverband befürchtet lange Schlangen vor Supermärkten
Kritik äußerte auch der Handelsverband Niedersachsen-Bremen (HNB). Die Menschen gingen ohnehin weniger einkaufen, das zeige sich in den Innenstädten deutlich, sagte Geschäftsführer Alexander Krack. Zudem befürchtet er lange Schlangen vor den Supermärkten, wenn dort die Einschränkungen auch greifen.
Appell: Weihnachtseinkäufe auch unter der Woche erledigen
Ministerpräsident Weil rief die Bürger dazu auf, ihren lokalen Einzelhandel zu unterstützen. "Es liegt an uns allen, dazu beizutragen, dass wir auch nach der Pandemie noch bunte und lebendige Innenstädte in Niedersachsen haben." Gleichzeitig mahnte er die Bürger, ihre Weihnachtseinkäufe "möglichst klug über die Woche zu verteilen" und wenn möglich mehr auf einmal einzukaufen, um seltener losgehen zu müssen.
Weil blickt optimistisch auf das kommende Jahr
Ministerpräsident Weil appellierte erneut an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen. Was bei der Bund-Länder-Konferenz entschieden werde, sei zwar wichtig, aber noch wichtiger sei das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger. Jeder einzelne könne durch sein eigenes Verhalten dazu beitragen, "dass wir ruhige Weihnachten und einen guten Jahreswechsel miteinander begehen können". Am Ende des Jahres werde man sagen, dass 2020 ein sehr, sehr anstrengendes Jahr gewesen sei. Für 2021 ist Weil jedoch optimistisch, dass es besser werden wird. Dafür gebe es jede Menge Anzeichen, wie etwa Impfschutz, mehr Schnelltests und bessere Medikamente.
Landtag plant Sondersitzung am Montag
Über die neuen Regeln soll in Niedersachsen am Montag der Landtag in einer Sondersitzung beraten. Darauf haben sich nach Angaben eines Landtags-Sprechers die Parlamentarischen Geschäftsführer von SPD, CDU, Grünen und FDP verständigt. Ein Viertel der Abgeordneten müsse die Sondersitzung nun schriftlich beantragen. Dann werde Landtagspräsidentin Gabriele Andretta diesem Wunsch sicherlich entsprechen, sagte der Landtagssprecher. FDP und Grüne hatten sich dafür eingesetzt, dass das Parlament eingebunden wird, bevor die neue Corona-Verordnung für Niedersachsen in Kraft tritt.
