Stand: 02.10.2015 20:14 Uhr

Auf VW rollen Klagen und Forderungen zu

Dass der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen umfangreiche Konsequenzen haben würde, war schnell abzusehen. Ein Staat nach dem anderen kündigte Untersuchungen an. Zuletzt hat die französische Justiz Vorermittlungen wegen des Verdachts des schweren Betrugs gegen VW eingeleitet. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Paris sagte, man werde dafür auch Kontakt mit den Kollegen in Deutschland aufnehmen. In Braunschweig laufen bereits Ermittlungen - und dort ist nun auch die Klage eines deutschen Privatanlegers eingereicht worden. Der Anleger aus Baden-Württemberg hatte seiner Anwaltskanzlei zufolge im April und Juli VW-Vorzugsaktien gekauft und fordert, dass diese Transaktion jetzt rückabgewickelt wird.

VIDEO: Welche Auswirkungen hat die VW-Krise? (1 Min)

Anwälte rechnen mit weiteren Klägern

Der Kanzlei zufolge hat der Anleger insgesamt rund 20.000 Euro verloren, weil die Aktien von Volkswagen nach Bekanntwerden des Skandals massiv an Wert verloren hatten. VW sei zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet, weil der Konzern Kapitalmarkt-Informationen unterlassen oder unvollständig mitgeteilt habe. Volkswagen will die Klage nicht kommentieren; dem Konzern sei sie nicht bekannt. Das Gericht bestätigte, dass sie dem Unternehmen noch nicht zugestellt worden ist. Die Anwaltskanzlei geht nach eigenen Angaben davon aus, dass sich weitere Kläger anschließen werden. In den USA sind bereits mehrere Kanzleien dabei, Sammelklagen von VW-Kunden und -Anlegern vorzubereiten. Der Kongress in Washington fordert am Donnerstag schon einmal Antworten vom VW-US-Chef: Michael Horn soll sich dann den Fragen der Abgeordneten stellen.

VW bietet Internet-Check an

Für seine Kunden hat VW am Freitag eine Internetseite bereitgestellt, auf der diese prüfen lassen können, ob ihr Fahrzeug mit einem manipulierten Diesel-Motor fährt. Dafür muss die Fahrgestellnummer eingegeben werden, wie der Autobauer in Wolfsburg mitteilte. Zudem gibt es auf der Seite weitere Informationen rund um das Thema. Der Online-Check soll auch kurzfristig weltweit auf den nationalen Internetseiten verfügbar sein. VW-Händler könnten ebenfalls mit der Fahrgestellnummer feststellen, welche Wagen betroffen sind.

Bank rechnet mit 30-Milliarden-Schaden

Am Donnerstag hatte die Nord/LB bekannt gegeben, dass ihre Analysten infolge der Abgas-Affäre mit Kosten für Volkswagen in Höhe von 30 Milliarden Euro rechnen. Darin enthalten seien Strafzahlungen, Rückrufaktionen, Entschädigungen für Wertverlust und mögliche Schmerzensgeldforderungen. "Hinzu kommt ein immenser Reputationsschaden, der sich letztlich in zukünftig nicht verkauften Fahrzeugen beziehungsweise nicht erzielten Gewinnen ausdrückt, sich allerdings nur schwer bemessen lässt", so die Analyse der Landesbank. Volkswagen hat wegen des Skandals nach eigenen Angaben 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt.

VW drosselt Produktion in Mexiko

Die Affäre wirkt sich unterdessen auch auf die Produktion an den VW-Standorten rund um den Globus aus. Das Werk im mexikanischen Puebla strich ursprünglich für Sonnabend geplante Sonderschichten. Zuvor hatte Volkswagen in dieser Woche schon die Produktion im Motorenwerk in Salzgitter gedrosselt. Der Standort ist nach VW-Angaben das größte Motorenwerk des Konzerns. Dort werden laut VW täglich rund 7.100 Otto- und Dieselmotoren hergestellt. Auch wie der Konzern weltweit aufgestellt ist, wird in der Krise nun hinterfragt. Die Nord/LB rät den VW-Managern, "generell über das Engagement der Marke Volkswagen in den USA nachzudenken". Da in den vergangenen 15 Jahren wohl deutliche Verluste in dem dortigen Markt angefallen seien, unter anderem wegen einer verfehlten Modellpolitik, sollte "ein Komplettausstieg der Marke VW-Pkw in den USA in Erwägung gezogen werden" - zumal die rechtlichen Risiken in den USA immens seien.

Karte: Betroffene Länder des VW-Skandals

Aufklärung dauert laut Präsidium mehrere Monate

Der VW-Konzern rechnet derweil nicht mit einer schnellen Aufarbeitung der Abgas-Affäre. "Mindestens mehrere Monate" werde die Untersuchung dauern, mit der die US-amerikanische Anwaltskanzlei Jones Day beauftragt wurde, teilte das Aufsichtsratspräsidium mit. Zusätzlich soll die Untersuchung von einem Ausschuss überwacht und eng begleitet werden. Dessen Mitglieder sind bereits ernannt: Geleitet wird der Ausschuss von Berthold Huber, dem stellvertretenden Vorsitzenden des VW-Aufsichtsrates. Ihm sollen außerdem IG-Metall-Mitglied Babette Fröhlich, Betriebsratschef Bernd Osterloh, Wirtschaftsminister Lies sowie Oliver Porsche angehören, die allesamt bei Volkswagen im Aufsichtsrat sitzen. Der Ausschuss soll auch auf zusätzliche externe Berater und Sachverständige zugreifen dürfen.

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Nord/LB geht von Milliardenkosten für VW aus

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Betriebsversammlung am Dienstag

Wegen der langwierigen Aufklärung solle die für den 9. November geplante außerordentliche Hauptversammlung abgesagt werden, so das Präsidium. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), selbst Mitglied des Präsidiums, verteidigte diese Entscheidung am Donnerstag: Auf einer Hauptversammlung müssten voraussichtlich viele Detailfragen zum Abgas-Skandal "gerichtsfest" beantwortet werden. "Nach dem bisherigen Stand der Aufklärungsarbeiten ist aber nicht zu erwarten, dass die dafür notwendigen Erkenntnisse bereits in hinreichender Tiefe vorhanden sind", so Weil. "Ungeachtet dessen lege ich großen Wert darauf, dass der VW-Konzern immer wieder von sich aus die ihm vorliegenden gesicherten Informationen veröffentlichen wird", so der Ministerpräsident weiter.

Der Aufsichtsrat will sich am Mittwoch, 7. Oktober, erneut in Wolfsburg treffen. Einen Tag zuvor soll es auf dem Werksgelände eine Betriebsversammlung für die VW-Mitarbeiter geben. Bei der nicht öffentlichen Veranstaltung wird neben Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh auch der neue VW-Chef Matthias Müller sprechen. "Der Informationsbedarf der Mitarbeiter ist sehr groß", sagte ein Sprecher in Hannover.

Das Personalkarussell dreht sich weiter

Konsequenzen aus dem Skandal hat der Volkswagen-Konzern vor allem in personeller Hinsicht schon einige gezogen. Mit Matthias Müller ist ein neuer Vorstandschef ernannt, mehrere Manager sind neuen Aufgaben zugewiesen. Die jüngsten Wechsel hat das Aufsichtsratspräsidium in seiner Erklärung verkündet: Hans Dieter Pötsch, bisheriger Konzernfinanzchef von Volkswagen, soll in den Aufsichtsrat wechseln und anschließend zu dessen Vorsitzenden ernannt werden. Als sein Nachfolger nachrücken soll Frank Witter, bislang Vorstandsvorsitzender der VW-Finanztochter Volkswagen Financial Services. Auch der Posten des VW-Kommunikationschefs wird mit Hans-Gerd Bode neu besetzt. Er gilt als enger Vertrauter des neuen VW-Chefs Müller.

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Dieses Thema im Programm:

NDR//Aktuell | 02.10.2015 | 14:00 Uhr

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